Die TAZ hat Henryk M. Broder, Seyran Ates und Necla Kelek in dem Artikel “Die Freiheit der Anderen” von Cigdem Akyol das Recht zugestanden, den Islam auch in scharfen Worten kritisieren zu dürfen: “Die Debatte über den Islam braucht die drei.”
Das ist schön. Allerdings kann man den Artikel auch so lesen (und hoffentlich missverstehen), als sei eine spezielle Legitimation notwendig, nämlich die, türkischer, kurdischer oder polnisch-jüdischer Herkunft zu sein. “Die drei” würden (dürften?) ihre Freiheit so energisch verteidigen, weil sie “aus einer Haltung von Menschen diskutieren, die um ihre Freiheit erst ringen mussten”. Das ist sicher so. Und so lobenswert es ist, dass der TAZ-Artikel mehr Verständnis für Islamkritik und Islamkritiker zeigt als einige andere deutsche Medien: Er hat auch einen merkwürdigen Dreh: Als wolle man gleich die Frage beantworten, ob eine linke Zeitung das überhaupt darf, liefert der Text gewissermaßen eine Erklärung, die wie eine unausgesprochene Einschränkung klingt: “die drei”.
Warum “die drei”? Ja, warum wohl: Weil sie es wegen ihres jeweiligen persönlichen Hintergrundes den Gegnern zwar schön schwer, den Verteidigern aber eben auch leicht machen: Man kann sie selbst beim bösesten Willen nicht unter den Verdacht rechtspopulistischer oder gar rassistischer Neigungen stellen.
Aber was ist mit den anderen? Mit Nummer vier, fünf. sechs, sieben, ja womöglich sogar acht? Dürfen die auch? Oder müssen die anderen, die ebenfalls mit bestimmten Denk- und Verhaltensweisen des Islam in Deutschland ihre Probleme haben, draußen bleiben?
Der Ordnung oder auch nur der Ergänzung halber weise ich also darauf hin, dass das Recht auf energische Verteidung der Freiheit gegen unfreiheitliche Tendenzen im Islam nicht an eine spezielle Herkunftslegitimation gebunden sein kann.
Es gibt nun mal auch ein paar Leute, die um ihre Freiheit nicht erst ringen mussten, sondern denen sie in die Wiege gelegt wurde, als Geschenk der Amerikaner, nachdem ihre deutschen Vorfahren versagt und den ersten Hauch von Freiheit in der Weimarer Republik dumm und verbrecherisch verspielt hatten. Dürfen diese Erben der Freiheit, die das Glück (nicht die Gnade) der späten Geburt hatten, nicht ein ebenso starkes Interesse daran haben, dieses in Deutschland wahrhaft historische Geschenk pfleglich zu behandeln, festzuhalten und im Zweifel mit Klauen und Zähnen zu verteidigen?
Natürlich haben sie es, haben wir es.
Allerdings scheint sich die Erfahrung, dass man ein Geschenk wenig achtet sondern als Selbstverständlichkeit nimmt, in der Nicht-Auseinandersetzung mit gewissen Problemen des Islam bei uns wieder zu bestätigen. Mancher verzichtet erstaunlich locker auf das recht der freien Meinungsäußerung, sei es in Form von Literatur oder Karikaturen, und gibt einer Blanko-Scheck-Toleranz den Vorzug.
Das mag damit zu tun haben, dass die Freiheit als Wert in Deutschland keine so tiefen Wurzeln hat wie in anderen westlichen Ländern, etwa in der zur Zeit viel gescholtenen Schweiz, in Holland, Skandinavien und natürlich Frankreich, England und Amerika. Deutschland war nun mal lange Zeit, was die Achtung der Freiheit anging, dem Zarenreich näher als den Angelsachsen. Das ist nicht spurlos an uns vorüber gegangen.
Es mag aber auch damit zu tun haben, dass die Furcht, populistisch zu wirken und aus dem linken Klub ausgestoßen zu werden, größer ist als die Sorge um westliche Grundwerte, zu denen neben der Meinungsfreiheit seit einiger Zeit auch die Gleichberechtigung der Frau gehört, die ja auch kein Forte des politischen Islam ist. Es ist kein Wunder und kein Zufall, dass einige moslemische Frauen zu den schärfsten Islamkritikern gehören. Es muss damit zu tun haben, dass sie wissen, wovon sie reden.
Wie auch immer. Eigentlich will ich nur sagen: Auch der, dem die Freiheit geschenkt wurde, hat das Recht, sie sich für die Zukunft erhalten zu wollen und gegen Feinde der Freiheit zu verteidigen. Dieses Recht steht allen zu und gut zu Gesicht, auch denen, die keinen “Migrationshintergrund” haben.
Und es steht natürlich jedem frei, auf dieses Recht mehr oder weniger zu verzichten. Allerdings wäre es mir lieb, wenn sich dieser Verzicht auf Zeitungsartikel beschränken und nicht real existierende Praxis würde.