In der Casting- Republik ist Monarchen-Catwalk angesagt. Das eine bejubelte Paar geht, das andere kommt. Die Medien sind glücklich, vertagt die Sache doch ihre Krise, indem sie für ein Weilchen die Papierausgabe aufblühen lässt. Das Volk wiederum jubelt, weil es den Pastor Gauck schon beim letzten Mal lieber gehabt hätte als den Hannoveraner Politspruchklopfer.
Dass Gauck das Amt als Held betreten wird, hat mit der Amtsführung überhaupt nichts zu tun, wird aber seine Arbeit bestimmen. So ganz ungewollt mag das nicht sein. Deutschland scheint sein 1989 irgendwie medial nochmals ausleben zu wollen, als Podcast. Wie sollte man sich sonst erklären, dass sowohl die Kanzlerin als auch der neue Bundespräsident aus dem Osten kommen.
Die größten Probleme scheinen die beiden im Übrigen miteinander zu haben, und nicht mit dem Siegerwesten. Was aber bedeutet das anderes, als dass es die viel beschworene Ostidentität so nicht gibt, sondern dass auch hier der Machtkampf tobt, ähnlich wie im Westen.
Die postmodern möblierte Bundesrepublik versteht sich gerne chaotisch. Die Öffentlichkeit verwechselt allzuoft das Durcheinander mit der Vielfalt. Sie findet es gut, wenn mit Gauck einer ins Schloss Bellevue einzieht, der zwar verheiratet ist, aber seine Lebensgefährtin mitbringt. In der Diskussion darüber kommt die einzige kritische Stimme aus der CSU, wie erwartet. Der Parteizuständige wählt geradezu archaische Worte. Er spricht von wilder Ehe. Ich bin auch nicht verheiratet, heißt es in der Fußgängerzone.
Gauck tourt seit Jahren als Redner durch die Lande, als wollte er das Volksherz abhorchen, ohne jedoch überprüfen zu können, ob er nicht doch einem Herzschrittmacher lauscht. Er selbst bezeichnet sich als Konservativer, fügt aber gerne noch allerlei Adverbien hinzu.Liberal und links.
Damit bringt er die lebenswichtige Ambivalenz mit, die Unschärfe, die nötig ist, um der Mehrheit zu gefallen. Natürlich gibt es auch Leute, denen Gauck nicht passt, schon weil er die Behörde für die Stasiunterlagen geleitet hat. Er hat dort auch ehemalige Stasi-Archivare und Sicherheitsleute beschäftigt. Zu seinen Gegnern gehören Täter und Opfer.
Gauck wird die Vergangenheitsdebatten stärken aber auch das Kontroverse der Gegenwart ansprechen. Sein Wirkungsort Rostock gehörte nicht zu den Städten des revolutionären Gärungsprozesses in der ehemaligen DDR. Gauck war kein Radikaler. Er ist es auch heute nicht. Er gehört vielmehr zu denen, die einen Sarrazin durchaus gelten lassen, nicht aber ohne eine gehörige Kritik an seiner Brachial-Vision.
So ist zumindest vorläufig jedem sein Gauck gegeben. Man kann sich ihn nach eigenem Gusto einrichten. Man gelangt so nicht nur an die eigenen Grenzen sondern auch an seine.
Der Held ist wieder da, twittern die Sirenen. Seine erste gute Tat überraschte ihn wahrscheinlich selbst. War es doch die Rettung der F.D.P.