Gastautor / 25.02.2016 / 14:40 / 13 / Seite ausdrucken

Wenn die Ente einen zwitschert: Glyphosat im Bier?

Von Hans-Jörg Jacobsen

Stellen Sie sich bitte vor, das Umweltinstitut München untersucht Röhrenfernseher und stellt fest, dass der Ton früher zu hören ist, als das Bild erscheint. Ältere werden sich erinnern. Das wird dann in eine Pressemeldung der Art verpackt, dass die Physik uns jahrhundertelang belogen habe bezüglich der Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Licht und Schall: Der Schall muss schneller sein als das Licht, das hätten die Testergebnisse des „Umweltinstituts“ einwandfrei ergeben. Zu weit hergeholt?

Leider nicht, denn heute (25.2.2016) hat das nämliche „Institut“ (welches gar kein Institut im Sinne eines wissenschaftlichen Instituts ist, sondern ein von Spenden lebender Aktivisten-Verein) die Meldung rausgehauen, dass in einer von ihnen beauftragten Studie in Bieren das Herbizid Glyphosat nachgewiesen worden sei, und zwar in Konzentrationen von bis zu 29,74 Mikrogramm pro Liter. Dann verweisen sie auf den Trinkwassergrenzwert für Pflanzenschutzmittel, der liegt bei 0,1 ug pro Liter.

Die Meldung, die sofort von SPON und dem WDR aufgegriffen wurde, erinnert fatal an das Muttermilch-Glyphosat-Desaster der Grünen vom vergangenen Jahr (hier) und wurde prompt vom Bundesinstitut für Risikobewertung klar gestellt (hier). Der Haken an der Sache ist nämlich die Messmethode: So schreibt das Umweltinstitut:So haben wir getestet: Für unseren Test wurde die sogenannte ELISA-Methode verwendet. Diese Methode ist die sensibelste, die es derzeit gibt. Mit einer Bestimmungsgrenze von 0,075 µg/l kann sie selbst sehr kleine Spuren von Glyphosat aufspüren.“

Hier scheint ein Rechenfehler oder eine bewusste Täuschung vorzuliegen: Die Bestimmungsgrenze von Glyphosat mittels ELISA beträgt nach Herstellerangaben 75 Nanogramm pro Milliliter und nicht „pro Liter“, ist also um den Faktor 1000 weniger empfindlich als vom „Umweltinstitut“ behauptet, wohingegen die beiden vom BfR entwickelten Methoden eine untere Nachweisgrenze von 1 Nanogramm pro Milliliter haben: hier.

Dann behauptet das Umweltinstitut weiter: “Die drei Biere, in denen wir die höchsten Rückstände gefunden haben, ließen wir mit der weitaus weniger sensiblen LC-MS/MS-Methode quertesten. Im Quertest erwies sich ELISA als zuverlässige Nachweismethode. LC-MS/MS ist eine Methode, mit der auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) arbeitet, um auf Glyphosat-Rückstände zu testen.“ Hier scheinen beim Umweltinstitut nicht nur die Größenordnungen zu verschwimmen und es ist fraglich, was da überhaupt gemessen wurde.

Bei einem Irrtum um den Faktor 1000  kommen da schon Fragen auf, die sich eigentlich auch SPON und der WDR stellen sollten. Oder fallen die auch darauf herein, wenn das Umweltinstitut sie mit einem Text hinsichtlich den Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Licht und Schall füttert?

Hans-Jörg Jacobsen war Leiter der Abteilung Pflanzenbiotechnologie am Institut für Pflanzengenetik der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover

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Leserpost

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Klaus Minhardt / 25.02.2016

Neben dem Fehler im Messverfahren handelt es sich auch um eine eklatante Meinungsmache in der Bewertung. Grenzwerte im Trinkwasser orientieren sich am “nicht höher als nötig”. Daher sind auch die Uran-Grenzwerte des Trinkwassers so niedrig, dass viel Mineralwässer darüber liegen. Interessant für die Risikobewertung sind aber die Werte, die für Lebensmittel festgesetzt werden. Die liegen nämlich auf dem Niveau, dass eine Gesundheitsgefährdung mit höchster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Die Mitteilung, dass Bier gesundheitlich unbedenklich sei, hätte aber keine Aufmerksamkeit auf sich gezogen und die Spendenbereitschaft für den Spendensammelverein Umweltinstitut nicht erhöht. Es haben schon viele Firmen zu spüren bekommen, was passiert, falls man sich mit dem “Institut” anlegt und falls man nicht ausreichend spendet. Dazu kommt noch die fehlende Sensibilität der Medien, die völlig unkritisch mit dieser Angstmeldung Quote machen und dabei völlig übergehen, dass heute im Bundestag und Anfang März im EU-Parlament über die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung abgestimmt werden soll. Gefällige grüne Journalisten hat es ja zur Genüge und da hetzt man gerne gegen das Unkrautvernichtungsmittel. Das ist ja auch einfacher als eine seriöse Berichterstattung über die Probleme mit Glyphosat z.B. beim Bienensterben oder bei Gesundheitsschäden in Südamerika. Glyphosat ist sicher problematisch, aber ein Propagandafeldzug mit Lügen ist der falsche Weg.

Reiner Engler / 25.02.2016

Auf der Webseite dieses Münchener “Institutes” kann man folgendes lesen: —- Machen Sie mit! Glyphosat raus aus dem Bier! Stoppt die Keime aus dem Stall! Druck machen gegen Fracking! Keine Gentechnik durch die Hintertür! Wir zahlen nicht für euren Müll! Schluss mit Gentechnik wider Willen! Keine Steuerbefreiung für AKW! ————- Zusammen mit den zahlreichen Spendenaufrufen auf der Webseite wirkt das rundum seriös.

Manfred Tiebing / 25.02.2016

Offensichtlich hat der Autor des Artikels sich nur mit der Pressemitteilung des BfR beschäftigt, nicht aber mit Fachliteratur. Laut Publikationen aus den Jahren 2002 und 2003 liegt die Messgenauigkeit für Glyphosatrückstände mittels ELISA bei 0.6 ng/ml (oder 0.6 Mikrogramm pro Liter) und für die erweiterte Methode L’ELISA bei 0.1 ng/ml. Die beiden Studien gibt es hier http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12537443 und http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ac020208y Mit 0.1 ng/ml wäre die Abweichung zu dem vom Umweltinstitut München veröffentlichten Wert von 0.075 ng/ml mit 25% plausibel - allerdings ist die Methode des BfR (LC-MS/MS bzw. GC-MS/MS) mit angegebenen 1 ng/ml um einen Faktor 10 ungenauer. Wer bringt hier Geschwindigkeit von Licht und Schall durcheinander?

Alexander Rostert / 25.02.2016

Nach meinem Verständnis ist ein Mikrogramm pro Liter dasselbe wie ein Nanogramm pro Milliliter…

Peter heider / 25.02.2016

Bei Fefe heute zu dem Thema: diese Untersuchung ist eine rein politische, das kann man an mehreren Tatsachen festmachen. Zum einen ist die Stellungnahme des Bundesamtes für Verbraucherschutz BfR interessant: PDF Kurz: Wir liegen um das 1000fache unter der täglich akzeptablen Menge die vorkommen darf. Oder andersherum: Es wird ab 1000l Bier/Tag interessant. Dann ist es natürlich interessant, sich über geringe Mengen eine Kategorie 2a Karzinogens (möglicherweise krebserregend) aufzuregen, wenn Bier erhebliche Mengen eines Kategorie 1a Karzinogens enthält - nämlich Ethanol. Und zu guter Letzt ist es besonders interessant sich anzuschauen, wer diese Analyse durchgeführt hat und was dabei nicht getestet wurde. Durchgeführt wurde die Analyse am “Umweltinstitut München”. Nicht getestet worden sind übrigens Biobiere, weil für derartige Produkte Lobbyarbeit betrieben wird. Wäre ja schade, wenn man da auch was finden würde, oder? Übrigens liesse sich diese Art der “schockierenden Analyse” für nahezu alle in Lebensmitteln mit Grenzwerten belegten Stoffe treiben, die Analytik ist hierfür empfindlich genug. Link: Blog.fefe.de

Matthias Christl / 25.02.2016

Wissenschaftliche Untersuchungen sollen ergeben haben, dass Bier trotz Reinheitsgebots “sicher krebserregend” geltenden Alkohol enthält - und zwar in Konzentrationen um 40 MILLIARDEN Nanogramm pro Liter.

Klaus Meier / 25.02.2016

Was erwarten sie denn?Schon vor 20 Jahren gab es STUDENTEN die den 3 Satz nicht erklären konnten!!!Ausrede war:Mathe studiere ich ja nicht…

Martina Uhlemann / 25.02.2016

Und den BR mal nicht vergessen! http://www.br.de/nachrichten/glyphosat-rueckstaende-bier-100.html

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