Von Hans-Jörg Jacobsen
Stellen Sie sich bitte vor, das Umweltinstitut München untersucht Röhrenfernseher und stellt fest, dass der Ton früher zu hören ist, als das Bild erscheint. Ältere werden sich erinnern. Das wird dann in eine Pressemeldung der Art verpackt, dass die Physik uns jahrhundertelang belogen habe bezüglich der Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Licht und Schall: Der Schall muss schneller sein als das Licht, das hätten die Testergebnisse des „Umweltinstituts“ einwandfrei ergeben. Zu weit hergeholt?
Leider nicht, denn heute (25.2.2016) hat das nämliche „Institut“ (welches gar kein Institut im Sinne eines wissenschaftlichen Instituts ist, sondern ein von Spenden lebender Aktivisten-Verein) die Meldung rausgehauen, dass in einer von ihnen beauftragten Studie in Bieren das Herbizid Glyphosat nachgewiesen worden sei, und zwar in Konzentrationen von bis zu 29,74 Mikrogramm pro Liter. Dann verweisen sie auf den Trinkwassergrenzwert für Pflanzenschutzmittel, der liegt bei 0,1 ug pro Liter.
Die Meldung, die sofort von SPON und dem WDR aufgegriffen wurde, erinnert fatal an das Muttermilch-Glyphosat-Desaster der Grünen vom vergangenen Jahr (hier) und wurde prompt vom Bundesinstitut für Risikobewertung klar gestellt (hier). Der Haken an der Sache ist nämlich die Messmethode: So schreibt das Umweltinstitut: „So haben wir getestet: Für unseren Test wurde die sogenannte ELISA-Methode verwendet. Diese Methode ist die sensibelste, die es derzeit gibt. Mit einer Bestimmungsgrenze von 0,075 µg/l kann sie selbst sehr kleine Spuren von Glyphosat aufspüren.“
Hier scheint ein Rechenfehler oder eine bewusste Täuschung vorzuliegen: Die Bestimmungsgrenze von Glyphosat mittels ELISA beträgt nach Herstellerangaben 75 Nanogramm pro Milliliter und nicht „pro Liter“, ist also um den Faktor 1000 weniger empfindlich als vom „Umweltinstitut“ behauptet, wohingegen die beiden vom BfR entwickelten Methoden eine untere Nachweisgrenze von 1 Nanogramm pro Milliliter haben: hier.
Dann behauptet das Umweltinstitut weiter: “Die drei Biere, in denen wir die höchsten Rückstände gefunden haben, ließen wir mit der weitaus weniger sensiblen LC-MS/MS-Methode quertesten. Im Quertest erwies sich ELISA als zuverlässige Nachweismethode. LC-MS/MS ist eine Methode, mit der auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) arbeitet, um auf Glyphosat-Rückstände zu testen.“ Hier scheinen beim Umweltinstitut nicht nur die Größenordnungen zu verschwimmen und es ist fraglich, was da überhaupt gemessen wurde.
Bei einem Irrtum um den Faktor 1000 kommen da schon Fragen auf, die sich eigentlich auch SPON und der WDR stellen sollten. Oder fallen die auch darauf herein, wenn das Umweltinstitut sie mit einem Text hinsichtlich den Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Licht und Schall füttert?
Hans-Jörg Jacobsen war Leiter der Abteilung Pflanzenbiotechnologie am Institut für Pflanzengenetik der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover