Der „New Deal“ für Grossbritannien, den Hans-Olaf Henkel zusammen mit Ökonom Hans-Werner Sinn, dem Unternehmer Klaus-Michael Kühne sowie Heinrich Weiss und Michael Rogowski, zwei weitere frühere BDI-Präsidenten, forderte, fand in Deutschland wenig Beachtung, doch britische Zeitungen nahmen den Vorstoß dankbar auf.
Um Grossbritannien zu einem Verbleib in der EU zu bewegen, so die Forderung, müsse sich vor allem die EU selbst ändern. Mehr Eigenverantwortung, Wettbewerbsfähigkeit und Subsidiarität fordern Henkel und seine Kollegen von Brüssel, vor allem aber müsse die EU in der Frage der Zuwanderung Kompromisse eingehen. Im Gespräch mit der Basler Zeitung gibt sich der frühere BDI-Präsident und heutige Europa-Abgeordnete Henkel optimistisch: Irgendwann, so seine Hoffnung, könnten einige EU-Mitgliedsländer aus der Einheitsfront ausscheren und damit den Brexit-Verhandlungen eine neue Richtung geben. Zum gegenwärtigen Selbstverständnis der deutschen Politik sagt Henkel:
„Heute will Deutschland unbedingt eine moralische Supermacht sein. Wir wollen das Klima und den Euro retten und am liebsten auch noch das Flüchtlingsproblem lösen. Nachdem Schweden seine Grenzen geschlossen hatte, waren wir in dieser Hinsicht endgültig Weltmeister, und alle fanden das ganz toll. Tatsächlich zeigt die historische Erfahrung, dass es eher gefährlich wird, sobald Deutschland irgendwo führen will."
Und hier der Wortlaut der New-Deal-Initiative:
Exit vom Brexit: Ein „New Deal“ mit Großbritannien und eine bessere Zukunft für die EU
Die Unterzeichner zeigen sich tief besorgt über die wirtschaftlichen und politischen Folgen eines Brexit für Großbritannien und die EU. Sie sind der Überzeugung, dass auf beiden Seiten Fehler gemacht wurden, unter denen Bürger und Unternehmen zu leiden haben.
Brüssel hat zu häufig die im Vertrag von Lissabon festgelegten Prinzipien wie Subsidiarität und Eigenverantwortung außer Acht gelassen und damit zur Ansetzung des Referendums beigetragen. Eine erweiterte nationale Steuerungskompetenz über die Zuwanderung ins eigene Land wurde Großbritannien verweigert. Dies hat den Ausgang des Referendums stark beeinflusst.
In Großbritannien haben die Befürworter eines Brexit dessen Auswirkungen auf die Wirtschaft fehlerhaft dargestellt. Diejenigen, die sich für einen Verbleib in der EU aussprachen, haben die Vorteile der EU‐Mitgliedschaft durch einen gemeinsamen Markt oder gemeinsame Forschungsprogramme nicht überzeugend kommuniziert.
Der bisherige Verlauf der Verhandlungen hat deutlich gezeigt, dass beide Seiten die Komplexität eines Austritts aus der EU unterschätzt haben. Auch scheint das Offenhalten der Grenze zwischen Irland und Nordirland ohne eine weitere britische Mitgliedschaft in einem gemeinsamen Binnenmarkt unmöglich zu sein. Dies birgt nicht unerhebliche Risiken für das friedliche Zusammenleben auf der Insel.
Auch ein Hinauszögern des Ausstiegs würde nichts daran ändern, dass ein Brexit zu einer „Lose‐lose‐Situation“ für die EU und Großbritannien führt. Mehr denn je brauchen die EU‐Gremien die pragmatische britische Stimme als Gegengewicht gegen die Befürworter der Zentralisierung, Sozialisierung und Harmonisierung. Deshalb rufen wir dazu auf, zwei aufeinander zu fahrende Züge zu stoppen und fordern Politiker, Unternehmer und Bürger dazu auf, einen Brexit und damit eine Tragödie historischen Ausmaßes zu verhindern!
Auch Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rats, hat am 24. Oktober 2017 die Möglichkeit eines “No Brexit” eröffnet. Dies ermutigt uns, den Europäischen Rat und die Kommission aufzufordern, sich ihrer eigenen Verantwortung für diese Situation bewusst zu werden und Großbritannien einen ”New Deal“ anzubieten. Dieser sollte Großbritannien mehr Eigenverantwortung, insbesondere bei der Steuerung der Zuwanderung, zubilligen. Die Unterzeichner weisen darauf hin, dass auch andere europäische Regierungen ihre Sichtweisen zu diesem sensiblen Thema nach dem Referendum deutlich verändert haben.
Wir appellieren an London, anzuerkennen, dass es die Komplexität des Brexit und dessen ökonomische und politische Konsequenzen unterschätzt hat. Mit einem ”New Deal“ von der EU kann Großbritannien für sich beanspruchen, am Ende das erhalten zu haben, was es ursprünglich wollte.
Ein solches Abkommen wäre auch ein ”New Deal“ für alle anderen EU‐Mitgliedstaaten. Sie würden nicht nur von der weiteren EU‐Mitgliedschaft Großbritanniens, sondern auch selbst von mehr Eigenverantwortung und Flexibilität profitieren.
Roland Berger, Hans‐Olaf Henkel, Klaus‐Michael Kühne, Michael Rogowski, Manfred Schneider, Hans‐Werner Sinn, Heinrich Weiss