Günter Ederer / 10.11.2012 / 09:45 / 0 / Seite ausdrucken

Wenn Autokonzerne betteln, gibt die Politik Vollgas

Bis zum Jahre 2020 kann die europäische Automobilindustrie 80 Milliarden Euro Unterstützung von der Europäischen Kommission erwarten. Das hat Industriekommissar Antonio Tatjani in seinem Hilfsprogramm Cars 2020 in Brüssel angekündigt. Die Staats- und Regierungschefs werden darüber noch im November beraten. Dazu fallen mir einige Fragen ein, über die die Bürokraten offensichtlich in ihrer Regelwut nicht mehr nachdenken.

1. Woher nimmt die Kommission die 80 Milliarden Euro? Antwort: Vom europäischen Steuerzahler. Das heißt: Die Kaufkraft wird erst bei den Bürgern abgeschöpft, um sie dann an die Aktionäre der Automobilkonzerne zu verteilen. Wobei der deutsche Steuerzahler die höchsten Beiträge leistet, die italienischen und französischen Autobauer am meisten bekommen.

2. Warum betteln Konzerne um Steuergeld? Richtig ist, der Pkw-Absatz in Europa sinkt. Von 16 Millionen Neuzulassungen 2007 auf voraussichtlich 8,6 Millionen 2012. Das hat sicher auch die Absatzkrise in Südeuropa verursacht. Aber das ist auch eine Folge der Abwrackprämie, als allein in Deutschland mit fünf Milliarden Euro der Kauf von 500?000 Autos unterstützt wurde. Diesem massiven Eingriff in den Markt folgt jetzt die Absatzkrise vor allem bei Klein- und Mittelklassewagen. Dazu kommt, dass die Bevölkerung Europas schrumpft und überaltert. Die Folge: Mehrere Automobilwerke wurden schon geschlossen oder stehen kurz vor dem Ende. Eine Auswahl:_Ford in Genk, Belgien (4300 betroffene Beschäftigte);_Fiat in Italien: Termini Imerese, (1600); Peugeot in Frankreich: Aulnay sous Bois (3000); GM-Opel in Deutschland: Bochum (3100). Dazu kommen noch zehntausende Beschäftigte in Kurzarbeit, allein bei Fiat in Turin sind es 5000.

Was auffällt: Fast alle Werkschließungen befinden sich in strukturschwachen Gebieten. Das wiederum verleitet die Politiker dazu, sich als Retter aufzuspielen. Sizilien hat zum Beispiel 400 Millionen Euro angeboten, wenn das Fiat Werk in Termine Imerese nicht geschlossen wird. Frankreichs Premier Hollande solidarisiert sich mit den Arbeitern in Aulnay, und wir alle erinnern uns noch, als Frau Merkel Opel gerne unterstützt hätte. Die Frage nach der Hilfe für die Konzerne muss so beantwortet werden: Die europäische Autoindustrie muss ihre Überkapazitäten abbauen, will dafür aber Geld, weil die Politiker anbieten, sich damit beliebt zu machen.

3. Was macht die Politik für die Automobilindustrie, außer Steuergelder zu verjubeln?_Antwort: gar nichts. Im Gegenteil. Sie bekämpft den Individualverkehr mit allen Kräften. Der grünen Front ist es gelungen, das Auto als den Umweltsünder schlechthin zu diffamieren. Bleiben wir bei Deutschland. Knapp 50 Milliarden Euro werden den Autofahrern jährlich als Mineralöl-, Versicherungs- und Kfz-Steuer plus Lkw-Maut abgenommen, aber nur rund 4 Milliarden Euro werden in den Straßenverkehr investiert. Dafür erhält allein die Bahn gut 25 Milliarden Euro Subventionen, vom öffentlichen Nahverkehr ganz zu schweigen. Diese Summe kennt wahrscheinlich kein Politiker, weil sie sich auf Bund, Länder und Kommunen verteilt und dort in vielen Haushaltsposten versteckt ist.

Der Verkehrsausschuss im Bundestag wurde den Autofeinden der Grünen überlassen, und zum Verkehrsminister in Baden-Württemberg wurde mit dem Grünen Winfried Herrmann ein ausgesprochener Feind des Straßenbaus ernannt, angeblich wegen der Umwelt. Dabei ist längst erwiesen, dass nichts so umweltfreundlich für die Fahrt zum Arbeitsplatz ist, wie ein vollbesetzter Pkw.

Die Lösung für die Automobilindustrie: raus aus staatlichen Zielvorgaben, weg mit pseudoreligiösen angeblichen Umweltbelastungen, hin zu mehr Markt und unternehmerischer Verantwortung. Europas Automobilindustrie wäre dann kleiner, umweltfreundlicher, innovativer – und keine Branche, die Milliardensubventionen für unternehmerische Fehlentscheidungen mehr erhalten würde.

Zuerst erschienen in der Fuldaer Zeitung (10. November 2012)

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Günter Ederer / 18.11.2020 / 06:15 / 67

Grüner Showdown: Der Krieg um die A 49

Bundes- und Landstraßen sind gesperrt. Überall Polizeiwagen. Tausend Beamte in voller Montur sind im Einsatz. Ein großer Acker wird planiert, um ein Lager für Ruheräume…/ mehr

Günter Ederer / 04.06.2020 / 16:00 / 22

Streiten statt Handeln

„Testen, testen, testen“, hämmerte der Generaldirektor der Weltgesundheitsbehörde WHO seit dem Beginn der Corona-Pandemie, der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebrayesus als Richtlinie zur Bekämpfung des Virus…/ mehr

Günter Ederer / 23.09.2019 / 06:11 / 68

Anleitung zur Arbeitsplatzvernichtung (1)

"Um überhaupt noch eine Chance zu haben, die Klimakrise zu begrenzen, muss die Regierung deshalb in diesem Herbst sicherstellen, dass...." heißt es im „Handlungsprogramm der Umweltverbände für…/ mehr

Günter Ederer / 09.04.2019 / 14:00 / 24

Was vor dem Brexit war – und was danach passieren könnte

„Once we are in the EEC, there we will be number one.“ „After we joined the European market, we will lead the organisation.“ Es war im…/ mehr

Günter Ederer / 11.05.2018 / 06:24 / 14

Der Clausewitz für Handelskrieger (2)

Trumps Rundumschlag ist zwar verbal ziemlich ruppig, aber wer die amerikanischen Versuche, seine miserable Handelsbilanz zu verbessern, seit Jahren beobachtet, kennt die Rituale. In den…/ mehr

Günter Ederer / 10.05.2018 / 06:23 / 11

Der Clausewitz für Handelskrieger (1)

"If You are hungry, eat Your Toyota", wenn "Du hungrig bist, friss Deinen Toyota." Die Delegierten der amerikanischen Stahlarbeitergewerkschaft lassen keinen Zweifel aufkommen, wer Schuld…/ mehr

Günter Ederer / 09.12.2017 / 06:03 / 12

Neue ICE-Strecke: Weltrekord in Irrsinn und Langsambau

„Das kommt einer Revolution gleich“, beginnt die ehrwürdige FAZ ihren Artikel über die Inbetriebnahme der neuen ICE-Strecke von Ebensfeld (zwischen Bamberg und Coburg) und Erfurt.…/ mehr

Günter Ederer / 26.06.2017 / 06:25 / 0

Der übers Wasser laufen muss

Wieder einmal wird ein Erlöser gefeiert, der über Wasser laufen kann. Die Sehnsucht nach einem Wunderheiler ist ungebrochen. Der letzte, dem diese Fähigkeit zuerkannt worden…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com