Peter Grimm / 26.06.2016 / 12:00 / Foto: NATO / 4 / Seite ausdrucken

Zahltag: Der deutsche Steuerzahler soll die EU zusammenhalten

Die neue EU-Welt nach dem Brexit wird nun seit Freitag von den EU-Granden in wohlklingenden Worten vor den Kontinentaleuropäern ausgebreitet. Neben allen schlimmen Szenarien, die zeigen sollen, wie sehr die Briten sich, uns und der Welt mit ihrer Entscheidung geschadet haben, verbreiten die EU-Eliten „Jetzt erst recht“- Durchhalteparolen. Noch enger sollen „wir“ zusammenrücken und all das tun, was die Briten gerade abgewählt haben.

Und natürlich beschäftigt sich jeder Kommentator mit der Frage: „Was bedeutet das für uns?“. Interessanterweise bedeutet „uns“ dann aber nicht die ach so solidarische Rest-Gemeinschaft in der Kontinental-EU, sondern die Bevölkerung des eigenen Landes. Das Wort „Volk“ vermeiden viele der Besorgten lieber. Vielleicht nicht nur, um den Verdacht „völkischer“ Gesinnung zu vermeiden, sondern auch, weil es so unangenehm an Volksabstimmungen erinnert.

Wollen wir nun auch mal hören, was es für „uns“ nun bedeutet? Wer sollte das besser wissen als EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Und wo könnte er dem deutschen Volke besser mitteilen, was nun seine europäische Pflicht ist, als in der „Bild“-Zeitung: Und was hat er uns zu sagen? Deutschland werde „eine zentrale, wenn nicht sogar eine noch wichtigere Rolle in der Europäischen Union spielen“.

Deutschland wird eine zentrale Rolle in der EU spielen – als Nettozahler

Das ist jetzt nicht so besonders erfrischend, aber stimmt. Man könnte es nur ein wenig deutlicher formulieren: Wenn ein Staat, der wichtiger Nettozahler in den EU-Haushalt war, austritt und dessen Steuerbürger sich nicht mehr an der Finanzierung des Brüsseler Apparats beteiligen müssen, dann wird es natürlich umso wichtiger, dass der größte Nettozahler nicht nur seine Pflicht weiter erfüllt, sondern auch eventuelle Finanzierungslücken schließt.

Zumal die neue Nach-Brexit-EU nach dem Willen ihrer Politiker mehr Ausgleichszahlungen und mehr EU-Investitionen in den Nettoempfängerländern realisieren möchte. Auch deutsche Politiker kündigen an, mit ganzem finanziellen Einsatz, die Rest-EU vor dem Zerbröseln bewahren zu wollen. Der SPD-Vorsitzende und derzeitige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel fand es wichtig, dass „wir“ als Reaktion auf den Brexit nun Wege finden müssen, „wie unsere Investitionen in die Zukunft Europas – gemeinsam mit anderen – die Lage der Menschen verbessern können“. Mit Geld kann man ja vielleicht wenigstens in den Empfängerländern der EU etwaige Austrittsgedanken erfolgreich zurückdrängen.

Und was ist mit den Nettozahlern, ohne die die EU leider nicht funktionieren kann? Zwar gibt es keinen Grund, ein deutsches Abweichen vom blauen Sternenbanner zu befürchten, doch was ist mit den immer erfolgreicheren renitenten Bewegungen beispielsweise in Österreich, den Niederlanden oder in Schweden? Wird denen nun mit einem klaren Reformprogramm und einer Demokratisierung der EU etwas Wind aus den Segeln genommen? Nein, das kommt in der Gedankenwelt der Spitzenvertreter des EU-Apparats nicht vor. Jean-Claude Juncker will mit seinen Kollegen lieber überlegen, „wie wir besser auf die Sorgen der Menschen in Europa eingehen und populistischen Bewegungen mit vereinten Kräften und entschieden entgegenwirken können“.

Der deutsche Steuerzahler soll die EU zusammenhalten

Die Versuche der Politiker vom Schlage Juncker „populistischen Bewegungen“ entgegenzuwirken, haben bislang allerdings immer zur weiteren Stärkung ebendieser Bewegungen geführt. Es ist nicht zu erkennen, warum die künftigen derartigen Versuche erfolgreicher sein könnten.

Die Zweifel an der gegenwärtigen EU bei der zahlenden Mitgliedschaft werden auch nicht gerade dadurch gedämpft, dass neue potentielle Zahlungsempfänger eine „Beitrittsperspektive“ eröffnet bekommen. Sicher steht ein Beitritt Serbiens, Mazedoniens oder Montenegros nicht unmittelbar vor der Tür, aber dass es in Zukunft noch mehr Empfängerstaaten geben wird, ist dennoch so gut wie ausgemacht.

Selbst wenn es vorerst beim Brexit bleibt, die Brüsseler Aussichten für die künftige EU bieten immerhin eine Gewissheit: Es wird weniger Nettozahler und mehr Nettoempfänger geben. Was das für den deutschen Steuerzahler bedeutet, ist unschwer zu erkennen. Doch die „europäische Idee“ sollte uns das wert sein, denn das „Auseinanderdriften Europas“ darf man doch nicht zulassen, oder? Gegen dieses Argument ist eigentlich kaum etwas einzuwenden, außer, dass die EU-Institutionen als Hüterin der „europäischen Idee“ eine teure Fehlbesetzung sind.

Zuerst erschienen auf Peter Grimms Blog Sichtplatz hier.

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Leserpost

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Klaus Wenzel / 26.06.2016

Die EU in ihrer jetzigen Form wird genau so lange Bestand haben, wie ihre wirtschaftlich starken Mitglieder willens und wirtschaftlich in der Lage sind, Nettozahlungen zu leisten. Das hängt aber nur zum Teil vom Willen der Großen. Koalition in Deutschland ab. Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten und die Politik entwickeln eine eigene Dynamik….

Karla Kuhn / 26.06.2016

Die Kaste in Brüssel will einfach nicht begreifen, dass die Briten u.a. wegen den ständigen Einmischungen und auch wegen der sinnlosen, kostspieligen Erweiterung der EU nicht mehr mitspielen wollten. Und jetzt soll es mal wieder der deutsche Michel richten. Rette sich wer kann, es werden gut ausgebildete Menschen aus Deutschland abwandern, weil sie keine Lust haben immer mehr Steuern zu zahlen, bei immer höher steigenden Mieten und Preisen. Aber vielleicht kommt es auch ganz anders, der Michel wacht auf und dringt ebenfalls auf eine Volksbefragung. Der Krug geht nämlich so lange zum Brunnen, bis er bricht. Leute wie Juncker, Schulz etc. sollen ihren Hut nehmen, sie haben nichts verstanden.

Wolfgang Richter / 26.06.2016

Daß mit den in der EU umverteilten € - Milliarden neben Flickschusterei vor allem Planwirtschaft betrieben wird, aber nichts für eine positiv wirkende Veränderung in Bezug auf die Bürger der verschiedenen Länder (“Bürger” ist inzwischen genauso verpönt bei den Regulatoren wie “Volk” - Frau Merkel spricht daher bezügl. Britain von “die Bevölkerung hat mehrheitlich entschieden”), zeigt die seit der Währungskrise 2008 auch öffentlich bekannt horrend hohe Zahl von sog. JugendARBEITSLOSEN, wobei mit dem Begriff offensichtlich die bis 30jährigen zusammengefaßt sind. Dieser Anteil beträgt in den EU-Südländern incl. Frankreich bis zu 50 % der Arbeitsfähigen. In den vergangenen 8 Jahren haben es weder die naqtionalen Regierungen, noch die selbst ernannten Inhaber der Brüsseler Meinungshoheit auch nur ansatzweise geschafft, wenigstens ein Konzept zur Veränderung dieser Situation vorzulegen, geschweige denn an dem Stand etwas zum Positiven zu verändern. Vergessen ist, daß es sich um den Personenkreis handelt, der mit einem Einstieg in das Berufsleben die Basis für den eigenen Wohlstand, die Gründung einer Familie, den finanziellen Grundstock für den eigenen Rentenstand legen sollte. Diensen Millionen von jungen Menschen wird jegliche Perspektive für die eigene und gesellschaftliche Zukunft genommen, indem man sie zwingt, teilweise bei den Eltern zu leben und sich neben staatlicher “Stütze” von diesen alimentieren zu lassen. Und der unkontrollierte, weiterhin eher ungebremste Zuzug von vor allem jungen Leuten aus Bereichen von außerhalb der EU wird die Möglichkeiten der genannten “vergessenen Generation” sicher nicht verbessern, auch was die weitere Aufteilung von Sozialleistung auf die “Neuzugänge” angeht. Und wie reagieren Schulz & Co (incl. Gabriel,Merkel u. Ihresgleichen) - sie verkünden nach dem Brexit ein “weiter wie bisher, jetzt erst recht”. Vermutlich kann man diese Pöstchen nur unter Ausblendung jeglicher Selbstreflexion erreichen und behalten, dies unter Schützenhilfe der Vasallen der Heere der hörigen Presseleute.

Andrea Reich / 26.06.2016

Die Beitrittsperspektive für potentielle Nettozahlungsempfänger liegt ja naturgemäß in der Zukunft. Was aber auf die Europaeuphorie der Bürger weiterhin drückt, ist der anhaltende unkontrollierte Zustrom illegaler Migranten. Diese werden nach bisheriger Erfahrung als weitere Nettoempfänger das zu finanzierende Budget in Summe weiter aufblähen. Nach den Plänen Bundesregierung sollen diese Menschen eingebürgert werden. ( wenigstens mit Nutzen als Konsumenten und Stimmvieh) Mit der Einbürgerung erhalten sie dann auch die EU Freizügigkeit der Wohnortwahl. Traumziel England fällt nun schon mal weg für sie :-( Wie lange sich die anderen (Nettozahler) EU PARTNER von Merkel und Schulz etc. noch weiter vorführen lassen wollen ist sehr wahrscheinlich limitiert. In den Partnerstaaten gibt es erfahrungsgemäß Steuerbürger die nicht so ein belastbares Sitzfleisch haben wie die Deutschen.

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