Gastautor / 11.01.2016 / 14:00 / 7 / Seite ausdrucken

„Weil so viele, so andere Menschen plötzlich so nahe kommen“

Von Oliver Zimski

Kirchenvertreter über die Ereignisse von Köln

Viele haben schon ihren unbesonnen Senf zu den speziellen Silvesterfeiern in Köln und anderswo hinzugegeben und dabei unverantwortlicherweise oft rechtspopulistischen Hetzern nach dem Munde geredet.

Endlich erheben nun die Würdenträger der beiden christlichen Kirchen in Deutschland ihre besonnenen Stimmen.

Einer der Ersten war am 5.1. 2016 der Kölner Dom- und Stadtdechant Monsignore Robert Kleine: „Es ist erschütternd, weil auf der Seite des Hauptbahnhofs ja auch unser Plakat am Dom hängt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, und da werden dann solche würdelosen Dinge begangen“. Kleine forderte zu mehr „Zivilcourage“ auf, gab allerdings zu bedenken: „Das darf nicht dazu führen, dass auf der anderen Seite wieder Scharfmacher und Populisten die Vorfälle zur Hetze gegen unsere Flüchtlinge ausnutzen.“

Auch den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki macht besorgt, dass „jetzt sofort viele ihr politisches Süppchen aus diesem dunklen Neujahrsbeginn kochen. (…) Obergrenzenschützer und Populisten nutzen offenbar die Gunst der Stunde.“ Im Interview mit domradio.de verwahrte er sich gegen Hetze, die auch gegen ihn persönlich gerichtet sei. „Na Woelki, das kommt dabei raus! Da siehst du, was du mit deiner Willkommenskultur und deine Flüchtlingskanzlerin uns hier in Köln eingebrockt haben!“, zitierte der Kardinal und fügte hinzu: „Vieles, was ich an übler Hetze und blankem Hass in den letzten Tagen gehört und gerade auch in unseren sogenannten sozialen Netzwerken gelesen habe, ist nicht nur widerlich und unverantwortlich. Es verstößt auch gegen die menschliche Würde.“

Gewohnt engagiert meldete sich der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge zu Wort. Am 6.1. 2016 warnte er in einer Predigt zum Dreikönigstag vor einem neuen „Ungeist der Apartheid“ mit seinen „klaren Abgrenzungen der Religion, der Konfession, der Kultur und der Nation“. Dröges Schlussfolgerung: „Fast scheint es so, als würde die globalisierte Welt Angst bekommen, weil so viele, so andere Menschen plötzlich so nahe kommen.“

„Es muss klar sein“, mahnte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm auf seiner Facebook-Seite, „dass es wegen des nordafrikanischen Aussehens der Flüchtlinge keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge geben kann. Das wäre genauso absurd, wie wenn man aus dem unerträglichen Verhalten von rechtsradikalem Mob oder alkoholisierten Hooligans, die vor einiger Zeit am Kölner Hauptbahnhof ihr Unwesen getrieben haben, auf 80 Millionen Deutsche schließen würde.“

Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister würdigte die Flüchtlingshelfer als „größte deutsche Bürgerbewegung“, die es je in Deutschland gegeben habe und zeigte sich betroffen über die „unkontrolliert aufschäumende Wut in den sozialen Netzwerken“ nach den Ereignissen in der Silvesternacht. Die Erfahrung habe jedoch gezeigt, „dass sich Ängste und Unsicherheiten oft durch persönliche Begegnungen mit den Asylsuchenden abbauen ließen“.

Mit angehaltenem Atem wartet Deutschland nun auf die Stellungnahme von Margot Käßmann, die offenbar noch nicht aus dem verlängerten Weihnachtsurlaub zurückgekehrt ist.

P.S:

Eine Nachfrage an Landesbischof Meister:

Gab es nicht in den vergangenen Jahrzehnten noch andere deutsche Bürgerbewegungen, die zumindest heranreichen an die jetzigen „Refugees-welcome“-Klatscher und Kleiderkammer-Verteiler? Etwa die BRD-weite Welle der Hilfsbereitschaft für Polen in den Jahren des kommunistischen Kriegsrechts, die für die deutsch-polnische Versöhnung mehr bewirkt hat als alle jemals gehaltenen Sonntagsreden zusammen? Oder die DDR-Bürgerrechtler mit ihrem mutigen und immer friedlichen Protest? 

Bischof Meister meint wohl, dass Angela Merkels „Politik mit freundlichem Antlitz“ für unser Land langfristig gesehen viel bedeutsamer sein wird als die läppische Wende in der DDR oder die längst als selbstverständlich genommene Wiedervereinigung. Und wahrscheinlich liegt er damit sogar richtig.

Oliver Zimski ist Übersetzer, Sozialarbeiter und Autor. 2015 erschien sein Kriminalroman „Wiosna – tödlicher Frühling“.

 

 

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Leserpost

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Monika Medel / 12.01.2016

Positives Gegenbeispiel: Artikel in “Christ in der Gegenwart” “Das besondere Thema: Nicht Solidarität” Setzt sich kritisch mit dem derzeitigen radikalen Islam und der fragwürdigen Haltung vieler Kirchenvertreter auseinander. www.christ-in der-Gegenwart.de

Max Wedell / 11.01.2016

Ja, noch fehlt eine Stellungnahme von Käsmann. Vielleicht lässt sie sich ja von der Süddeutschen Zeitung inspirieren, die im Online-Auftritt vor wenigen Stunden einen Artikel veröffentlichte, der den Titel hat: “Wie die Flüchtlingskrise Deutschlands Wohnungsnot beenden könnte” und der mit dem Satz beginnt: “In den nächsten Jahren werden aufgrund des Flüchtlingszuzugs in Deutschland etwa 350 000 bis 400 000 Wohnungen zusätzlich benötigt.” Wie man sich denken kann, beschränkt sich der Beitrag der Flüchtlinge zur Behebung der Wohnungsnot darauf, daß sie sie drastisch verschärfen, woraufhin sich die Deutschen endlich aufraffen werden, etwas dagegen zu tun… Problem gelöst! Vielleicht lesen wir dann von Käsmann oder einem anderen dieser Durchblicker einen Artikel “Wie die Flüchtlingskrise das Problem sexualisierter Gewalt in Deutschland lösen könnte”. Denn ohne Verschärfung des Problems können doch die zu seiner Linderung notwendigen Maßnahmen nicht erzwungen werden, wie die Vergangenheit zeigte… Einen großen Dank also an alle mitwirkenden Flüchtlinge, oder nicht? ;)

Gerald Friedrich / 11.01.2016

Die Kirchen sind die größten Sozialunternehmer im Land, von stetig schwindenden Kirchensteuern können sie sich nicht finanzieren. Noch Fragen?

Carl Schurz / 11.01.2016

“...dass die Würde des Menschen unantastbar ist”. Dieser Gummiartikel des GG wurde bereits vor Jahren von Prof. Kirchhoff “auseinandergenommen. Das als ersten Verfassungsartikel noch immer zu halten ist für Gutmenschen eine Wohltat für ernstzunehmende Juristen ein Unding. Meinungsfreiheit gehört an erster Stelle und nicht an fünfter Stelle und diese auch noch durch Gesetze einschränken zu lassen. Es ist würdelos sich anzumaßen ein Privileg auf die richtige Meinung/Ansicht zu haben. Dies gilt insbesondere für Politik und Medien. Drehen wir den Spieß herum: es ist gegen die Menschenwürde, wenn Medien und Politiker dem Volk “korrekte” Denken vorschreiben wollen. Verfassungsschutz: ermitteln sie. Zu den “Kirchenfürsten”. Es ist bedauerlich wie sehr sich die katholische Kirche dem Zeitgeist untergeordnet hat. Vermutlich würden sie auch noch gegen die katholische Soziallehre zu Felde ziehen. Subsidiarität erscheint hier ein Fremdwort zu werden. Und vor allem: “unsere Flüchtlinge”? Hallo. Merkel hat sie (mehr als “nur” Flüchtlinge, nämlich alle ohne Ausnahme) eingeladen ohne das Volk zu fragen.

Manfred Wetzel / 11.01.2016

Da fordert der gute Herr Kleine mehr Zivilcourage. Gut gesagt hinter sicheren Dommauern. Hat der gute Mann denn den schwarzen Gürtel im Ikebana. Sich mit dem Mob anlegen ist Selbstmord. Bei dem nächsten Vergewaltigungsflashmob auf der Domplatte kann er sich ja wehrhaft in dem Kampf stürzen. Zusammen mit den anderen Würdenträger kann er dann, wie dereinst die Templer, die Domplatte befreien. Der Herr im Himmel wird ihn sicherlich schützen.

Johannes Lambert / 11.01.2016

Das Tröstliche: Diese Kirchenkarrieristen haben sich mit ihrer verquasten Flüchtlingstheologie politisch so hoffnungslos verrannt, dass ihre Statements keine gesellschaftspolitische Bedeutung haben. Johannes Lambert

Marc Janssen / 11.01.2016

Das reicht mir dann nun auch schlußendlich, ich trete aus der Kirche aus.

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