Da die EU bekanntlich sonst keine Probleme hat, kümmert sie sich jetzt um Zootiere – in einer Weise, die den schweizerischen Zoos vielleicht echten Vorteil bringt. Seit ein paar Tagen gilt nämlich in den EU-Ländern die „Verordnung über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten“. Wer bei Formulierungen wie derjenigen von den „invasiven gebietsfremden Arten“ im Zusammenhang mit der EU ein sarkastisches Kichern nicht unterdrücken kann, dem sei gesagt, dass es hier nur um Naturschutz geht. In der Biologie darf schrankenlose Migration nämlich durchaus als zu bekämpfendes Problem betrachtet und benannt werden. Deshalb gibt es eine offiziell „Unionsliste“ genannte Aufstellung von tierischen und pflanzlichen Zuzüglern, die unsere europäische Fauna und Flora bedrohen und deshalb als unerwünscht gelten, zum Beispiel: die Wollhandkrabbe, die Biberratte und der Waschbär.
Für sie soll es keine Willkommenskultur mehr geben, sie sollen ausgeschafft werden – und sie dürfen deshalb laut Verordnung Nr. 1143/2014 weder in das Gebiet der EU verbracht noch dort gehalten oder gezüchtet werden, „auch nicht unter Verschluss“. Letzteres bedeutet jedoch, dass auch kein Zoo mehr Waschbären haben darf, denn normalerweise tut ein Zoo ja genau das mit Tieren: sie unter Verschluss halten und züchten.
Worin aber liegt der Sinn eines Haltungsverbots für Zoos, wenn es darum geht, die Ausbreitung bestimmter Tierarten in der freien Natur zu verhindern? Unterstellen die Beamten der EU-Generaldirektion Umwelt den Zoos, dass sie auf die Tiere nicht genügend aufpassen und sie entweichen lassen? Dann wäre ein Verbot von Löwen und Tigern sicher wichtiger als jenes von Waschbären. Oder sollen die Zoos bloss zeitgeistkonform in die politisch-administrative Mangel genommen werden?
Wenn tatsächlich Zootiere ab und zu ins Freie entkommen, dann steckt meistens eine invasive Art von Tierschutzaktivisten mit irgendwelchen „Befreiungsaktionen“ dahinter. Um die Folgen ihres Tuns zu verhindern, wurde ein Gesetz gemacht, das ihrem Denken genau entspricht. Das ist EU-Humor.
(erschienen in der "Basler Zeitung" v. 12.08.2016)