Ein selten guter und seriöser Text zum Thema Populismus. Ich erlaube mir noch hinzuzufügen: Wer Populismus als ideologischen Kampfbegriff verwendet, offenbart seine Geringschätzung gegenüber dem Volk. Und das soll ja angeblich der Souverän sein und die politischen Amtsträger nur dessen Diener.
Es ist ein Jammer, dass sich die Menschen aus unterschiedlichen Kulturen nicht vertragen können. Andererseit hat es aber schon immer Einwanderungen und Völkerwanderungen gegeben. Und die Vereingten Staaten von Amerika würde es ohne Einwanderung gar nicht geben. Was läuft denn bei uns falsch, wenn wir schon bei einer Million Flüchtlingen die Hosen voll kriegen?
Großartige, wohltuende Sachlichkeit, die mehr überzeugt als alles emotionalisierte Geschwafel. Lediglich eine Frage bleibt offen: was hält Sie, hochgeschätzter Herr Sarrazin, noch in der SPD ? In Dankbarkeit für all die aufklärenden Analysen, die Sie dem deutschen Volk geschenkt haben !
Wenn also das Schüren von Ängsten und das Vorgaukeln einfacher Lösungen für komplexe Problemlagen konstituierende Elemente von Populismus sind, dann gibt es außer dem ominösen Rechtspopulismus auch links-, grünen- oder sonstigen Populismus: schließlich wurden und werden im Kontext der Debatte um Atomtechnik, dem angeblich anthropogenen Klimawandel (Co2-Syndrom), der Energiewende etc. reichlich Ängste geschürt und einfache Lösungen angeboten (alles Windkraft oder was?). Was im Übrigen bei der Populismus-Definition fehlt, ist der Hinweis auf den historischen Ursprung des Begriffes: die politische Bewegung des Populismus entstand zuerst Ende des 19. Jahrhunderts als Rebellion amerikanischer Baumwollfarmer gegen die -schon damals globalen- Markt- und Finanzmechanismen in diesem Sektor. Dieser “Baumwoll-Populismus” hatte in den USA sogar Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen von 1896. Die Bewegung reichte schließlich bis in die Baumwoll-Regionen von Indien Ägypten und Mexiko, wo diese Bewegung sogar eine Rolle bei der Revolution ab 1910 spielte. Populismus war also zunächst eine globale, antikapitalistische Bewegung. Der kann der aktuelle Populismusbegriff -bzw. dessen Apologeten- als ahistorisch bezeichnet werden.
Es sollte zur Zivilcourage der Meinungsbildung gehören, daß man regierungskonformen Meinungen weniger Kredit schenkt als oppositionellen. Das Schlagwort “Populismus” zielte von jeher darauf ab, vom Regierungskurs abweichende Meinungen zu diskreditieren. Man erinnere sich doch, daß vormals der “Linkspopulismus” als große Gefahr ausgeschrien wurde. Nun ist es der Rechtspopulismus. Die Gemeinsamkeit? Keine inhaltliche, bloß die Differenz zum Regierungs"kurs”.
Lieber Herr Dr. Sarrazin, Ihre Analyse scheint zutreffend zu sein. Wenn sich ihr Szenario bewarhheitet, Zuwanderung also tatsächlich sich auch im jetzigen Falle als negativ auf die aufnehmende Gesellschaft auswirkt, wofür die Gefahr im Bildungsbereich, im Sozialen und Lohnbereich real besteht, dann frage ich mich, ob die Errungenschaft des gesetzlichen Mindestlohnes vor einiger Zeit nur ein Blöff war. Niemand konnte die Entscheidung Merkels vorausahnen, aber die demografischen Entwicklungen, die Krisenherde und Schwierigkeiten in den Herkunfstländern der Flüchtlinge war voraussehbar. Dann war es klar, dass in naher Zukunft eine Migrationswelle kommen würde, nur das Ausmaß war nicht vorhersagbar. Dann wusste man, dass durch große Zuwanderung von gering qualifizierten Arbeitskräften in naher Zukunft der gerade eben durchgesetzte Mindestlohn nicht weiter haltbar sein würde. Und dass dort nun nicht haufenweise syrische Ärzte, Ingenieure und Techniker kommen, war ja auch schnell klar. Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde ließen, nachdem sich der anfängliche Rauch etwas verzogen hatte, in Interviews verlautbaren, dass sie wenig bis gar keine Informationen über die Qualifikation der Flüchtlinge hatten. Wie auch, wenn diese auf der Flucht ihren Pass wegwerfen, verlieren. Die hochqualifizierten Kräfte werden natürlich so vernünftig gewesen sein, ihre Dokumente über Studienabschluss, Arbeitszeugnisse mitzunehmen. Diese werden hier auch schnell wieder Arbeit finden, aber was ist mit den anderen, die das nicht haben? Die Betriebe werden sich nicht an den Mindestlohn gebunden sehen, wenn sie für die gleiche Arbeit auch einen Zuwanderer einstellen können, der die Arbeit auch zum halben Preis macht. Da sehe ich, genau wie Sie wahrscheinlich auch den gesetzlichen Mindestlohn schon wieder über Board gehen, weil er seine Legitimation verliert.
Ich respektiere Ihre nüchterne Logik, Herr Sarrazin, und betrachte Ihre Analyse hier als zutreffend. Ich fürchte nur, wir befinden uns in einem so aufgeheizten, emotionalisierten gesellschaftlichen Klima, dass ich innerhalb der Mittel von Debatte, Parteiarbeit und Wahlen gar keine Lösung sehe. Jede Partei bzw. jeder Politiker, der diese Probleme ehrlich angehen würde, würde niemals mehrheitlich gewählt. Da sind wir denn an dem Punkt, von den Max Frisch sprach, als er sagte, was machen wir mit der Demokratie, wenn wir feststellen, dass die Mehrheit Canaillen sind? Nur, auf was sollen wir dann bauen? Ich habs schlicht aufgegeben, und nehme mir “Popcorn”, während ich dem unabwendbaren Trainwreck zusehe, weil ich einfach keine erfolgversprechenden Handlungsoptionen sehe. Zum Auswandern bin ich auch zu arm. So bleibt mir, anders als wohlhabenderen Zeitgenossen, auch keine Flucht, das wohl außerhalb von Deutschland kein anderes Land und schon gar kein anderer Kontinent, so dusselig sein wird, mich klatschend und mit offener Brieftasche zu empfangen, sonst wäre ich längst in Kanada.
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