Beda M. Stadler, Gastautor / 02.04.2009 / 12:53 / 0 / Seite ausdrucken

Was hat Theologie an Universitäten zu suchen?

Nähme man die Trennung von Kirche und Staat ernst, müsste man Theologie aus dem universitären Bildungsangebot streichen. Dem Fach fehlt es an Breite, Wissenschaft wird kaum betrieben. Ein Beitrag zur Störung des religiösen Friedens.

In der Schweiz gibt es fünf theologische Fakultäten und eine theologische Hochschule. Wozu eigentlich, und weshalb braucht es eine Theologie an der Universität? Auf http://www.religion.ch, einer Internetseite von Studenten der Religionswissenschaft, wird argumentiert: «Die theologischen Fakultäten sind in der Schweiz traditionell ein fester Bestandteil des universitären Bildungsangebots. Hier drückt sich unter anderem die besondere Anerkennung der christlichen Kirchen durch den schweizerischen Staat aus.» Die Trennung von Kirche und Staat scheint nicht ganz so ernst zu sein, wie sie in der Verfassung steht.

Obwohl es mehr als 2800 Götter gibt (http://www.godchecker.com), wird an den schweizerischen Fakultäten nur ein Gott aus dieser Liste berücksichtigt. Das ist so, wie wenn die Biologie nur den Aspekt der Stammzellen aus der Embryologie behandeln würde. Dem Fach und der studentischen Ausbildung fehlt somit die Breite. Würde man allen Religionen gerecht werden, erhielte der Gott der Juden, Christen und Muslime einen Lehrstuhl, was zu bewältigen wäre, gemessen an der vorhandenen Literatur. Koran, Talmud und Bibel sind schliesslich rasch gelesen. 2800 theologische Ordinariate würden unsere finanziellen Möglichkeiten überschreiten.

Für das Eintreiben der Kirchensteuer sollte auch Transparenz und Rechtsgleichheit geschaffen werden. Es kann ja nicht sein, dass eine arabische oder palästinensische Firma im Kanton Zürich die Israelitische Cultusgemeinde und die Jüdische Liberale Gemeinde mit ihrer unfreiwilligen Kirchensteuer unterstützen muss. Auch die Ungläubigen zahlen indirekt weiterhin Kirchensteuern. Etwa im Kanton Wallis, wo niemand um die Kirchensteuer herumkommt, weil die Gemeinde berappt, was die Pfarreien nicht selber finanzieren können. Trotzdem, die Finanzierung ist kein zwingendes Argument gegen die Theologie. Wir sollten die Theologie an den Grundsätzen der Wissenschaft und Philosophie messen.

An den theologischen Fakultäten wird wenig Wissenschaft betrieben. Falls Forschung vorkommt, hätte sie als Spezialität bei den Historikern Platz. Bei keinem anderen Fach muss man die Grundlagen glauben, um sie dann beackern zu dürfen. Die fehlende Forschungsfreiheit ist somit der grösste Makel der Theologie. Bei uns Naturwissenschaftlern wird mit Recht die Glaubwürdigkeit beanstandet, weil die Geldgeber manchmal aus der Industrie stammen.

Ein katholischer Theologe hat als obersten Chef nicht bloss sein Gewissen und den Rektor, sondern den Papst. Als Wissenschaftler hat man keinen Industriekapitän, der mit der Exkommunikation drohen kann. Es herrscht also ein Konflikt zwischen Kirchen- und Staatsrecht. An verschiedenen schweizerischen theologischen Fakultäten haben sich die Gender-Fragen ausgebreitet. Deutlicher könnte der Konflikt gar nicht sein, wenn sich eine katholische Theologin für Frauenrechte einsetzt, wie etwa an der Universität Bern. Das ist begrüssenswert, aber sie wird sich mit ihrem Chef in Rom in dieser Frage in den nächsten Jahren nicht einigen. Da die meisten Theologen nicht in die Hölle wollen, müssen sie sich für das Kirchenrecht entscheiden, was gegen die Säkularisierung verstösst.

Neben der Wissenschaft ist die Philosophie eine eindeutige universitäre Aufgabe. Theologen darf man als Möchtegernphilosophen hinstellen, weil bei ihnen als Antwort immer «Gott» rauskommt. Am schwerwiegendsten ist aber der Vorwurf, dass sich die theologischen Fakultäten als Hüter der Moral ausgeben. Zur Moral gibt es inzwischen wissenschaftliche Untersuchungen, etwa von Gregory S. Paul, einem amerikanischen Paläontologen, der anhand einer Metastudie im Journal of Religion & Society aufzeigte, dass abnormes soziales Verhalten wie Mord, Raub, Totschlag oder Vergewaltigung in religiösen Gesellschaften häufiger vorkommt als in säkularisierten.

Geht es um Moral, haben die Evolutionsbiologen bessere Argumente, und sie brauchen dazu kein altes Buch, in dem die Wahrheit stehen soll. Weil die Wissenschaft ständig Fehler macht, aber bereit ist, aus diesen Fehlern zu lernen, ist sie in einer besseren Position zur Beurteilung von moralischen Fragen. Überhaupt, Fragen der Ethik wären besser bei unvoreingenommenen Denkern wie den Philosophen aufgehoben.

Wer fordert, die theologischen Fakultäten abzuschaffen, stört womöglich den religiösen Frieden. Dieser Prozess liegt alleine bei den Theologen. Es muss in ihrem Interesse liegen, die historisch gewachsene Absurdität rückgängig zu machen. Die Theologie wäre nicht die erste Fachrichtung, die an den Universitäten ersetzt würde. Die Alchemie wurde schliesslich durch die Chemie, die Astrologie durch die Astronomie ersetzt.

Der Vorschlag, die staatlichen Universitäten zu verlassen, müsste also von den Theologen selber kommen. Viele Länder sind längst dazu übergegangen, private religiöse Universitäten zu gründen. Die edle Gesinnung eines Christen müsste es verunmöglichen, derart einseitig von einem System zu profitieren. Da Glaube letztlich Privatsache ist, sollte es auch eine private Aufgabe werden.

Erschienen in der WELTWOCHE Ausgabe 14/09

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