Henryk M. Broder / 22.12.2017 / 10:52 / 9 / Seite ausdrucken

Was die Regierung gegen den Antisemitismus unternimmt

Als Reaktion auf die antiisraelischen Krawalle, bei denen „selbstgebastelte“ israelische Fahnen verbrannt und die üblichen Parolen („Tod Israel“, „Kindermörder Israel“, „Allahu Akhbar“) gerufen wurden, hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière eine alte Idee der Grünen wieder ins Gespräch gebracht.

Die nächste Bundesregierung sollte einen „Antisemitismus-Beauftragten“ ernennen, der – so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Gitta Connemann – „wie ein Seismograf“ die Entwicklung „sorgfältig beobachten“ und mit dem Zentralrat der Juden „Handlungsoptionen oder Gegenmaßnahmen erörtern“ sollte. „Nicht zuletzt sollte er die Gesellschaft gegen Antisemitismus sensibilisieren nach dem Motto: Wehret den Anfängen.“

Eine großartige Idee, wenn sie nicht an einigen Stellen schwächeln würde. Die Frage, wie man mit dem Antisemitismus umgehen sollte, wird an die Juden ausgelagert, was insofern logisch ist, als sie der Grund für den Antisemitismus sind. Der Antisemitismus-Beauftragte soll auch nicht etwas gegen den Judenhass unternehmen, er soll nur „Handlungsoptionen oder Gegenmaßnahmen“ mit dem Zentralrat erörtern, um die Gesellschaft zu sensibilisieren und den Anfängen zu wehren, was etwa so komisch ist, als würde sich eine Frau jenseits der Wechseljahre darüber Gedanken machen, wie sie einer Schwangerschaft vorbeugen könnte.

Über das Stadium der „Anfänge“ ist die deutsche Gesellschaft längst hinaus. Der nostalgische Antisemitismus der indigenen Holocaust-Leugner wurde durch einen importierten Judenhass ersetzt, dessen Träger Israel den Tod wünschen. In Deutschland galt so etwas bis jetzt als „legitime Israelkritik“. Nun soll es ein Antisemitismus-Beauftragter richten.

Das wiederum entspricht der deutschen Tradition des angewandten Bürokratismus, wozu auch die vielen von der Bundesregierung Beauftragten gehören: für Migration, Flüchtlinge und Integration, für die Belange behinderter Menschen, für die Belange von Patientinnen und Patienten, für Drogenfragen, für die neuen Bundesländer, für den Tourismus, für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und seit kurzem auch einen, der sich um die Opfer von künftigen Terroranschlägen kümmern soll. Für jeden Topf findet sich ein Deckel. Und demnächst auch für den Antisemitismus.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

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J. Schuster / 22.12.2017

Ich hätte es nicht für möglich gehalten , daß im heutigen Deutschland , bei antisemitischer Hetze Unterschiede gemacht werden , je nach politischer und/oder religiöser , oder sonst gearteter Zugehörigkeit der Täter .

Marc Blenk / 22.12.2017

Solche bürokratischen Institutionen und ihre Beauftragten brauchen Arbeit. Schließlich leben sie davon. Für die sorgt wiederum unsere wachhabende Regierung, bspw. mit ihrer Unterstützung der UN - Resolution gegen die Entscheidung der USA, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Oder mit dem Polizeischutz für Abfackler von Israelfahnen. Hiesige Neu - und Altislamisten, mit denen der Deutsche jeden Tag alles neu aushandeln soll, welche das Existenzisraels ablehnen und die Juden am liebsten weltweit ausgerottet sehen wollen, können sich auf die deutsche Regierung berufen und sich vollständig auf sie verlassen. Unsere Regierung weiß wo sie steht: Irgendwo im nirvanischem Dazwischen, wo alles möglich ist: ‘Konsequenter’ institutioneller Antisemitismus,sowie die praktische Solidarität mit - und das Verständnis für alle Judenhasser dieser Welt, sofern es sich um Muslime handelt. Alle lieben Deutschland, Deutschland liebt alle.

Alfons Kuchlbacher / 22.12.2017

Nachdem ich das Video von den Tiraden eines offensichtlich “Biodeutschen” gegen den Restaurantbesitzer Yorai Feinberg gesehen habe, war ich baff. Der anscheinend alkoholisierte Mann hat doch tatsächlich von Gaskammern und so weiter gefaselt. Aber dann: Ja, wenn die Exekutive so lasch bei den Demos gegen Israel vorgeht, wundert es mich nicht, wenn antisemitische Äußerungen wieder als harmlos gesehen werden. Ich will da diesen “Vollkoffer” jetzt nicht verteidigen, aber ist das nicht symptomatisch? So nach dem Motto: Wenn die das dürfen, darf ich auch.

Dirk Jungnickel / 22.12.2017

Bei der Inflation der Beauftragten sollte man sich überlegen, ob man eine Regierung der Beauftragten installieren und die zuständigen Ministerien abschaffen könnte.  Dies wäre ohne langwierige Sondierungen möglich; man müsste sich nur darauf verständigen,  dass nicht etwa C. Roth die Chefin mimt.

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