Einige nicht seetaugliche Boote sind kürzlich wieder vor der libyschen Küste gesunken. Sie waren voll mit Menschen, die sich entschieden hatten, diese Boote zu besteigen, obwohl deren desolater Zustand sicher augenfällig war. Sie haben sich dafür entschieden, weil sie schon viel Geld für die Fahrt bezahlt hatten, Geld, das verloren wäre, wenn sie jetzt zögerten.
Vielleicht waren es an diesem Tag wieder Hunderte die ertrunken sind, ertrunken auf dem Mittelmeer, auf der Überfahrt nach Europa. Es war wieder so eine Meldung, die das schlechte Gewissen der Europäer stärkte. Dieses schlechte Gewissen ist gut, denn es sorgt für Hemmungen, Sinn und Gefahren der ungesteuerten Zuwanderung, die durch extra Anreize noch befeuert wird, nüchtern abzuwägen und zu hinterfragen. Und es verhindert echte Empathie mit den Opfern, wie auch das Nachdenken darüber, wie sich diese Opfer künftig vermeiden lassen.
Selbstverständlich handelte es sich in allen Meldungen wieder um „Flüchtlinge“, die ertrunken waren oder in Seenot gerieten. Die abwrackreifen Seelenverkäufer, mit denen menschenverachtende Schleuserorganisationen ihr Geschäft des Menschenschmuggels betreiben, mutierten folgerichtig zu „Flüchtlingsbooten“. Das skrupellose Geschäft international agierender Krimineller wird so beinahe zu einer humanitären Tat umformuliert.
Das Schleusergeschäft wird mit unseren Steuergeldern subventioniert
Unabhängig davon, dass man die erwachsenen Zuwanderungswilligen für mündig genug halten sollte, dass sie eigenverantwortlich entscheiden können, ein nicht seetaugliches Schiff zu besteigen und damit ihr Leben zu riskieren, geht es hier keineswegs darum, den Opfern zu sagen: Selbst schuld! Nein, die Zuwanderungswilligen verhalten sich den gebotenen Anreizen entsprechend. Dass kriminelle Schleuser ihr Geschäft darauf aufbauen können, dafür sind wir mitverantwortlich. Wir, die wir dulden, dass das Schleuser-Geschäft mit unseren Steuergeldern subventioniert wird und dass auch dank dieser Subventionen auf dem Mittelmeer täglich Menschen sterben. Seit Anfang des Jahres waren es nach UNO-Angaben bereits mindestens 3740. Das sind nur die, die offiziell registriert wurden. Die Dunkelziffer dürfte höher sein.
Warum ist es unsere Mitschuld? Die meisten Zuwanderungswilligen können sich das Schleuser-Geld nur leihen, weil der Umstand, dass sie hierzulande nach der Ankunft neben Kost und Logis auch sofort Geld bekommen, wie eine Bürgschaft wirkt. Ohne diese Bürgschaft und den Geldfluss würde das Geschäft im heutigen Ausmaß nicht laufen. Nur die ganz Armen, diejenigen, denen unser Mitgefühl eigentlich gelten sollte, bleiben in den Krisengebieten zurück, denn die haben niemanden, der ihnen Geld leihen würde. Sollten sie vor Krieg geflohen sein, dann bleiben diese Menschen bei Hungerrationen in den Lagern zurück, die vom reichen Europa nicht hinreichend unterstützt werden. Wir zahlen ja auch schon für die „Flüchtlinge“, die sich den Weg zu uns leisten konnten.
Für die, die Preise der Schleuser bezahlen können, ist der Anreiz des regelmäßigen Geldflusses, freier Kost und Logis sowie einer ebenfalls kostenfreien medizinischen Versorgung eine große Versuchung, auch dann, wenn man in einem recht friedlichen Land lebt, in dem man keinen Hunger leiden muss. Neben den genannten Anreizen kommen für Leistungsträger noch berufliche Chancen hinzu, die sie zu Hause nicht hätten. Das macht die Verlockung gerade für diejenigen besonders groß, die in der Heimat gebraucht werden. Für die Schleuser ist es so jedenfalls ein Leichtes, um ihre Kundschaft zu werben.
Was macht dann ein junger Mensch, der sich Geld bei der ganzen Familie zusammengeborgt und dem Schleuser gezahlt hat, wenn er an der Küste steht und den maroden Zustand des Bootes sieht, das er gleich besteigen soll? Kehrt er um und schreibt all seine Investitionen ab? Oder glaubt er dem Versprechen, dass das Boot nicht lange durchhalten müsse, weil dann schon europäische Schiffe zur Rettung kämen? Die Frage ist natürlich rhetorisch. Eine Umkehr kommt nicht in Frage, man wäre daheim ein verschuldeter Verlierer.
Wer die Schleuser treffen will, muss die Anreize abschaffen
Es hilft nichts: Wer dem Geschäftsmodell der Schleuser den Boden entziehen will, der muss diese Anreize abschaffen. Geld darf es nicht schon beim illegalen Betreten des Landes geben, sobald man einen Asylantrag gestellt hat, sondern erst nach der Bewilligung desselben. So wie es aauch bei jeder anderen Sozialleistung üblich ist. Und ja, dazu gehört im Gegenzug natürlich auch das Öffnen legaler Einreisemöglichkeiten. Kontrolliert natürlich.
Solange aber das illegale Betreten des Landes belohnt wird, wird das Sterben auf dem Mittelmeer weitergehen, werden weiter Menschen wie die 19-jährige Fatim Jawara aus Gambia ertrinken. In Gambia herrscht kein Krieg oder Bürgerkrieg, vor dem man fliehen müsste. Allerdings ist Gambia diktatorisch regiert und für Kritiker des Präsidenten unter Umständen lebensgefährlich. Doch Fatim Jawara war augenscheinlich keine Oppositionelle, sondern bekannt als Torhüterin der Fußball-Nationalmannschaft. Sie war offenbar auch nicht in Ungnade gefallen, denn als die Nachricht von ihrem Tod bekannt wurde, da erklärte der Präsident des Fußballverbandes des westafrikanischen Staates, Lamin Kaba Bajo, ihr Tod sei “ein großer Verlust für die Fußballnationalmannschaft und das ganze Land”.
Ihr Cousin Ablie Jobarteh teilte mit, dass sie an der libyschen Küste ein Boot bestiegen habe, um in Europa Asyl zu beantragen und ein neues Leben anfangen. Wobei das neue Leben das Motiv für die Überfahrt war. Asyl zu beantragen ist nur der einzige Weg, um nach der illegalen Einreise im Zielland legal Fuß zu fassen und der verlockenden Sozialleistungen teilhaftig zu werden. Wäre sie ohne all diese Anreize Kundin der Schleuser geworden? Hätte sie dann den Seelenverkäufer bestiegen, der sie in den nassen Tod riss? Das schlechte Gewissen angesichts des Zuwanderer-Sterbens im Mittelmeer sollte uns nicht länger am nüchternen Nachdenken hindern. Im Gegenteil.
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