Gastautor / 15.11.2016 / 06:18 / Foto: Jay Hill / 1 / Seite ausdrucken

Warum investierten reiche Afrikaner kaum in Afrika?

Von Volker Seitz

Die größten Hürden für den Export afrikanischer Agrarprodukte bestehen darin, dass sie oftmals nicht internationale beziehungsweise EU-Standards, etwa Gesundheitsstandards, erfüllen. Um diese nicht-tarifären Handelshemmnisse zu überwinden, sind sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen erforderlich, damit die Produkte ins außerafrikanische Ausland exportiert werden können.

Ein Hindernis für einen gesteigerten Export durch afrikanische Unternehmen, zum Beispiel nach Deutschland, sind sowohl andere Qualitätsvorstellungen, als auch die Beanstandung schlechter Arbeitsbedingungen und mangelnden Umweltschutzes durch ausländische Nichtregierungsorganisationen. Boykottaufrufe gegen Produkte wegen – nach westlichen Vorstellungen – unwürdigen Arbeitsbedingungen ist nicht unproblematisch. Es macht nicht immer Sinn, unsere Vorstellungen durchsetzen zu wollen. Vielen Kritikern fehlen genaue Kenntnisse der Lebenswirklichkeit vor Ort.

Werden etwa Avocados aus Südafrika nach Europa exportiert, schreiben deutsche Medien wie DIE ZEIT am 13. Oktober 2016, dass eine umweltschonende Küche auf eine Frucht wie die Avocado verzichten müsse, weil sie zu weit gereist sei und zu viel Wasser verbrauche. Kritisiert wird eine große Farm in der südafrikanischen Provinz Limpopo. Nur nebenbei wird erwähnt, dass auf der Farm 10.000 Mitarbeiter beschäftigt werden. Eine Schule für die Kinder der Beschäftigten, eine Krankenstation mit einem Krankenwagen steht zur Verfügung. Unerwähnt bleibt, dass die Arbeitslosigkeit in Südafrika bei etwa 40 Prozent liegt. Keinen Job zu haben ist auch dort das Hauptrisiko für Armut. Wer Armut bekämpfen will, muss Arbeit schaffen.

Wenn wir keine Blumen aus Kenia mehr kaufen, dann werden die Falschen getroffen

Die Verhältnisse sollten in jedem Land ohne jede Sozialromantik gesehen werden. Jeder wünscht sich, dass Kinder in Afrika eine schöne und unbeschwerte Jugend verbringen. Leider verkennt diese Betrachtung völlig die Realitäten. Auch in Europa war lange Zeit Kinderarbeit in der Landwirtschaft normal. Oftmals ist die Arbeit in der Landwirtschaft die einzige Chance, Hunger und bedrohlicher Armut zu entkommen. Anders ist das bei ausbeuterischer Kinderarbeit unter gefährlichen Bedingungen etwa in Steinbrüchen.

Auch der Blumenanbau in Kenia wird in europäischen Medien gelegentlich heftig kritisiert. Der Export hat aber einen relativen Wohlstand und tausende von Arbeitsplätzen in der Region Naivasha geschaffen. Es gibt Fairtrade zertifizierte Blumenfarmen, wie die kenianische Blumenfarm Tulaga Flowers am Naivasha-See. Die Blumen werden nach sozialen und ökologischen Standards, wie Mindestlöhne, soziale Grundrechte und Gesundheitsschutz, geerntet. Das Fairtrade-Siegel hilft durch feste Mindestpreise und langfristige Handelsbeziehungen.

Nötig wären dennoch Studien, wie viel Wasser zur Verfügung steht, in welchem Maße Wasser genutzt und verunreinigt wird. Umweltschutz hat aber in Kenia keine Priorität. Auch könnte sich die kenianische Regierung vor Widerstand in der Bevölkerung fürchten. Afrikaner arbeiten oft hart, und ihr Leben ist häufig nicht planbar. Sie sind auf solche Jobs angewiesen, wenn sie überleben wollen. Wenn wir keine Blumen aus Kenia mehr kaufen, dann werden die Falschen getroffen.
„Investoren tun Schlechtes und beuten die Armen aus.“

Wer investiert 25 Milliarden Dollar in ein Land wie Guinea, wenn nicht private Unternehmen? Die Rohstoffe im Boden nützen nichts, wenn sie nicht gefördert werden. Diese Investoren bauen die dafür nötige Infrastruktur: Minen, Eisenbahnen, Häfen, Unterkünfte für die Arbeiter und so fort. Dazu braucht es finanzielle Mittel, die nötige Expertise, die Arbeiter müssen ausgebildet werden. Es ist ein Problem, dass Afrika dieses negative Image hat. Wer auf diesem Kontinent investiert, tut Schlechtes, beutet die Armen aus. So lautet das Vorurteil, und das ist eine gute Story für manche NGOs. Viele investieren dort aus diesem Grund nicht. Die meisten Nichtregierungsorganisationen sehen diese Zusammenhänge nicht oder wollen sie nicht sehen.

Investitionen werden immer verstanden als „foreign direct investment“. Warum eigentlich?

Ausländische Investoren geben den Leuten vor Ort Arbeit, zahlen Löhne, Abgaben und Steuern, bauen Schulen, Krankenstationen, Straßen und andere wesentliche Infrastrukturen. Afrikanische Regierungen und Behörden wissen, dass die Unternehmen im Bergbau für die Entwicklung Afrikas wichtig sind. Die Menschen dort haben besseren Zugang zu Nahrungsmitteln, einen höheren Lebensstandard und ein steigendes Bildungsniveau. Die Alternative wäre, nichts zu tun.

Mich erstaunt die geringe Investitionsneigung reicher Afrikaner und der so genannten „neuen afrikanischen Mittelklasse“ (emerging middle class). Obwohl Wissen und Können, finanzielle Mittel auf nationaler und internationaler Ebene häufig zur Verfügung stehen, werden diese nicht für „produktive“ Investitionen für Industrie oder Landwirtschaft genutzt. Ausnahme: die grassierende Immobilienspekulation in den Städten. Investitionen werden immer verstanden als „foreign direct investment“. Warum eigentlich?

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist.

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Ernst-Fr. Siebert / 15.11.2016

Um dem Elend der in Teilen von Afrika herrscht, ein Ende zu bereiten, sollte man als erstes den (angeblich) “Nichtregierungsorganisationen” die Finanzierung durch die Regierungen entziehen. Dann würden die so schnell, wie möglich etwas erreichen und nicht so lange, wie möglich angeblich “Gutes” tun. ...zum eigenen Nutzen.

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