Arnold Vaatz, Gastautor / 21.10.2016 / 09:32 / Foto: Monster4711 / 11 / Seite ausdrucken

Warum ich wieder kandidiere

Von Arnold Vaatz.

Vor 11 Jahren feierte ich meinen 50. Geburtstag. Mein wunderbar politisch unkorrekter Vater sprach noch den niedervogtländischen Dialekt, der früher in meinem Dorf (Steinsdorf bei Weida in Thüringen), gesprochen wurde und heute von den meisten Bewohnern des Ortes nicht mehr beherrscht wird. Und dieses waren – übersetzt ins Hochdeutsche – seine Worte:

„1990 hatten wir die Wahl. Zwischen Zweistaatlichkeit und Wiedervereinigung. Und das war die Wahl zwischen Gefängnis und Irrenhaus. Und Du mein Junge“, er wies mit der Handfläche auf mich, „Du hast Dich tüchtig ins Zeug gelegt für die zweite Variante. Und das war richtig! Denn in einem Irrenhaus genießt man ganz andere Freiheiten als im Knast".

"Dann aber“, er zuckte hilflos mit den Schultern, „dann hast Du einen kleinen Fehler gemacht. Du bist in die Politik geraten. Ich hatte Dir abgeraten. Aber auf mich hast Du ja nicht gehört. Nun rennst Du jedem Fuhrwerk hinterher, das in die falsche Richtung fährt, und rufst: 'Umkehren, umkehren!‘ bis Dir die Puste ausgeht.“

Ich stand mitten im Wahlkampf und kandidierte für den Bundestag.

„Mach‘s doch wie ich! Ich kann schlecht laufen. Deshalb sitze ich bei schönem Wetter auf meinem Stuhl im Garten – mit Blick über den Zaun auf die Gasse da unten. Eine Sackgasse. Und wenn ein Fuhrwerk dort reinfährt, dann schreie ich mir nicht die Kehle aus und rufe 'umkehren, umkehren!‘. Nein. Ich bleibe schön auf meinem Platz sitzen und warte ab. Ich studiere die Wendemanöver und grüße freundlich mit meinem Gehstock, wenn sie auf dem Rückweg vorbeikommen.“

Mein Vater hatte damals noch fünf Lebensjahre vor sich. Heute, sechs Jahre nach seinem Tod, schlage ich seinen Rat erneut fröhlich in den Wind. Ich kandidiere nochmal für den Bundestag; denn seine Worte erscheinen mir von Jahr zu Jahr klüger. Und von einem Platz im Bundestag aus sieht man halt noch kunstfertigere Wendemanöver als von einem Stuhl im Garten von Steinsdorf aus; und kann mit dem Abstimmungskärtchen grüßen.

Arnold Vaatz, von Beruf Mathematiker, ist in der DDR aufgewachsen. Über das Neue Forum kam er zur Ost-CDU, war acht Jahre MdL im sächsischen Landtag, wurde 1998 in den Bundestag und 2002 zum Stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Bereiche Aufbau OstMenschenrechte und wirtschaftliche Entwicklung gewählt. Im kommenden Jahr will er wieder antreten.

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Leserpost

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E. Fischer / 21.10.2016

Man sollte die Originalzitate zurück ins Niedervogtländische übertragen. Dos hädde Nivo! Gruß E. Fischer

Lars Bäcker / 21.10.2016

Soll heißen, er sitzt im BT, macht nichts, schaut zu, wie sich “die anderen” um Kopf und Kragen reden/fahren und amüsiert sich darüber. Gut versorgt mit Diäten und fürstlichen Pensionen. Wirklich clever.

Kaspar Hecker / 21.10.2016

Was soll mir dieser Text? Der Vater des Autors hat ja recht, aber warum ist dann Herr Vaatz weiterhin bei einer Partei, deren (Über-) Lebensinhalt das Wendemanöver in Permanenz ist? Wenn es nur um den besseren Sitzplatz geht -  für den Steuerzahler ein teurer Spaß. Gibt es dann keine besseren Formen des Broterwerbs? Wer etwas verändern möchte, der wird das sicher nicht innerhalb der CDU schaffen.

Herbert Dietl / 21.10.2016

Herr Vaatz, ich muss noch Einen nachschieben. Habe gerade mal Ihre website besucht “Nach Dresden: Warum die Hemmschwelle sinkt” Nach dieser Lektüre möchte ich mein posting revidieren, und meine Ironie, da ich Ihren Beitrag wohl missinterpretiert habe.  Scheint, Sie sind einer von den “Echten”, also ich drück Ihnen die Daumen, für´s Direktmandat.  Nicht, dass ich die CDU ästimiere, aber im Sinne der politischen Hygiene.

Charlotte Fritsch / 21.10.2016

Sehr geehrter Herr Vaatz, Wendemanöver zu beobachten ist zu wenig. Bitte werden Sie aktiv! Unternehmen Sie endlich etwas gegen die Bundesregierung.

Herbert Dietl / 21.10.2016

Herr Vaatz, dann grüßen Sie mal schön. Hoffentlich werden Sie nicht zum Grüßaugust, davon gibt es in Ihrer Partei schon genug. Also fröhliches Wedeln mit dem Stimmkärtchen, falls die unverbesserlichen Gutgläubigen Sie wieder in den Bundestag wählen. Aber keine Sorge, falls es kein Direktmandat wird, gibt es ja noch die Landesliste.

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