Burkhard Müller-Ullrich / 21.05.2018 / 06:20 / Foto: Villa Giulia / 24 / Seite ausdrucken

Warum ich aus dem deutschen PEN austrat

Ich weiß, niemand interessiert sich dafür, wo ich überall Mitglied bin: bei Miles and More, Payback, der Migros Ostschweiz, Hilton Honors, dem Förderverein Kreuzgasse, dem Action Shooting Club, dem British Airways Executive Club und noch ein paar Dutzend anderen Vereinen und Gesellschaften. Aber bevor ich’s vergesse, möchte ich erklären, warum ich aus dem deutschen PEN ausgetreten bin, und zwar Ende 2017.

Vor etwas mehr als einem Jahr, im April 2017, hatte der PEN, dessen allerwichtigstes Verbandsziel darin besteht, die Meinungsfreiheit und Meinungsvielfalt zu verteidigen, auf seiner Jahrestagung in Dortmund eine Resolution verabschiedet, in der davon die Rede ist, daß die AfD sich gegen den Kernbestand demokratischer und toleranter Grundordnungen richte und Pluralität sowie Meinungsfreiheit gefährde.

Man hört das ja rund um die Uhr in den öffentlich-rechtlichen Medien und liest es in allen großen Zeitungen: die AfD sei, einfach weil sie rechts ist, intolerant und antidemokratisch. Ich habe mich ernsthaft bemüht, im Wahlprogramm der AfD dafür irgendeinen Beleg zu finden. Es gibt ihn nicht. Hingegen konnte man verfolgen, wie kernbestandshaft demokratisch und tolerant die anderen Parteien mit der AfD (und ihren ja nicht ganz wenigen Wählern!) umspringen: man verweigert ihr, den Eröffnungsredner im neuen Bundestag zu stellen, wie es ihr nach der Tradition eigentlich zustünde; niemand möchte neben den AfD-Abgeordneten sitzen; und dann wird Kampagne gemacht, um sie an der Übernahme des Vorsitzes in bestimmten parlamentarischen Ausschüssen zu hindern.

Ganz vorne dran bei der Kampagne in Sachen Kulturausschuss: der deutsche PEN. Am 26. September bekam ich einen „Offenen Brief“ des PEN-Generalsekretärs, in dem sich hysterischer Ton und unverfrorene Verleumdung folgendermaßen amalgamierten: „Mit der AfD wird nun erstmals wieder eine rechtsradikale Partei in den Deutschen Bundestag einziehen, die unverhohlen die Grundsätze unseres Miteinanders in diesem Land gefährdet.“ Es müsse deshalb „verhindert werden, daß die AfD den Vorsitz des Kulturausschusses besetzen kann.“

Das Meutentum der Literaten

Da mir der Kulturausschuss schnurz respektive wumpe (wie man jetzt wohl sagt) ist, weil ich es unendlich satt bin, tagein, tagaus von irgendwelchen Kulturpolitikern die Bedeutung von Kultur erklärt zu bekommen, welche natürlich in der ungeheuer politischen Funktion von Kultur liegen soll, damit diese Politparasiten ihre Staatsveranstaltung namens Kultur schön subventioniert bekommen, habe ich auf diese Schurkerei meiner eigenen Branchenvertreter (jedenfalls hielt ich diese Branche 40 Jahre lang für die meinige) nicht reagiert.

Doch dann kam der November und mit ihm der bundesweite Vorlesetag als „größtes Vorlesefest zwischen der Nordseeküste und den Alpen“ an Kitas und Schulen. Und was machte mein PEN? Er wollte Mandatsträgern der AfD verbieten, Kindern auch aus Büchern vorzulesen. Einfach, weil sie der AfD angehören.

Gewiß kann man die Idee der „Stiftung Lesen“ blöd finden, die darin besteht, Politiker als „Lesebotschafter“ einzusetzen. Ich finde sie extrem blöd. Aber hier ging es nicht darum, CDU- oder SPD-Leuten an den Karren zu fahren, auch Grüne oder FDP-Vertreter durften sich an Schulen und Kitas produzieren, doch der Autorenclub PEN wollte die Erlaubnis für das Lesen und Vorlesen von Büchern vom Parteibuch der Lesenden und Vorlesenden abhängig machen. Und für AfD-Mitglieder sollte es keine Lese-Lizenz geben, „nach Auffassung des deutschen PEN“.

Eigentlich und konsequenterweise müssten auch Autoren, welche AfD gewählt haben, aus dem PEN ausgeschlossen werden. Ist es ihnen überhaupt gestattet, ihre eigenen Werke, solche soll es ja geben und – obwohl es eigentlich nicht sein darf – sollen recht qualitätvolle darunter sein, zu lesen? Und was ist mit PEN-Mitgliedern, die möglicherweise heimlich auch schon AfD-Mitglieder geworden sind? Die Diskussion wird kommen. In ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Sie wird so peinlich und entlarvend für das Meutentum der Literaten sein wie nach 1989, als Ost- und West-PEN ein köstliches Spektakel ihrer verbitterten Bedeutungslosigkeit und hochmoralischen Verkommenheit boten.

Ein Schriftstellerverein, der die Möglichkeit und den Schutz des Andersdenkens auf seine Fahnen geschrieben hat und gleichzeitig Andersdenkende ganz nonchalant und offiziell zum Abschuss freigibt: das ist der deutsche PEN heute. Ich bin dann mal weg.

Foto: Villa Giulia via Wikimedia Commons

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Nikolaus Gatter / 21.05.2018

Dieser Artikel sollte als verpflichtender Warnhinweis - “vor der Unterschrift sorgfältig durchzulesen!” - den Mitgliedsanträgen jedweden Schriftstellerverbands beiliegen.

Gabriele Kremmel / 21.05.2018

Kann man eigentlich tatsächlich so verblendet sein und nicht selbst die Unterschiedslosigkeit zwischen dem Vorwurf an die anderen (hier AfD) und den eigenen Bestrebungen erkennen? Sowas nennt man, glaube ich Projektion.

P.Steigert / 21.05.2018

Warum sollte es in der Kultur anders sein als im Sport?

Leo Hohensee / 21.05.2018

Sehr geehrter Herr Müller-Ullrich, es ist schon ganz erstaunlich an wie vielen Fronten und wie vielfältig gegen Meinungsfreiheit und Kritik am Staat vorgegangen wird. Mir kommt es vor als wären regelrechte Strategien ausgearbeitet worden im Sinn von Zügen wie beim Schach. Man fährt mal mit dem Bauern, mal mit dem Springer oder dem Pferd. Die Königin bleibt im Hintergrund – die Hauptaufgabe ist, sie zu schützen. (wer ist der König ?) Weil auch ich, wie Sie, der Überzeugung bin, dass in diesem Land – und über die Grenzen hinaus – vieles schief läuft, habe ich mich gestern mal wieder nach Hoffnungsträgern umgesehen. Die gibt es den Wolfgang Bosbach ! Auf You Tube habe ich mir noch einmal über 2 Stunden seine Reden und verschiedene Auftritte angesehen. Dieser aufrechte Mensch – für mich ein Hoffnungsträger – hat aufgegeben, er sagt – sinngemäß – es sind so viele meiner Kollegen auf ihrem Weg festgelegt (auf ihren Weg eingeschworen). Ganz egal wie fleißig ich arbeite und sachbezogene Ergebnisse und Erkenntnisse präsentiere, ich richte nichts aus, ich kann nichts ausrichten. Es hat keinen Sinn in meiner Fraktion (gegen die Medien, im Bundestag ?) quer zu argumentieren. Wenn unsere Volksvertreter schon Gegenwehr aufgeben, und Bosbach benennt explizit falsche Entwicklungen wie die Verunglimpfung von Kritikern als Nazi-nahe (meine Formulierung). Ich glaube fast, man sollte mal an eine Flucht aus diesem Land denken!

Karla Kuhn / 21.05.2018

“Die Diskussion wird kommen. In ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Sie wird so peinlich und entlarvend für das Meutentum der Literaten sein wie nach 1989, als Ost- und West-PEN ein köstliches Spektakel ihrer verbitterten Bedeutungslosigkeit und hochmoralischen Verkommenheit boten.”  “hochmoralische Verkommenheit”  ganz wunderbar !! Sie haben die einzig richtige Konsequenz gezogen und auch veröffentlicht. Alle Achtung !!  Die “verbitterte Bedeutungslosigkeit” ist einfach genial. “Der aufrechte Gang”  WO ist er denn geblieben ?? Wird schon wieder gekuscht ?? Nein, von solchen “Literaten” lese ich keine Veröffentlichungen. In der Hitlerzeit wurden Bücher verbrannt, in der DDR kam die “ungebetene” Literatur auf den Index und jetzt wird die DEMOKRATISCH gewählte AfD von diesen Leuten ausgegrenzt ??  Alle diese Unternehmungen der Ausgrenzung, ob von der Politik, vom PEN, der “Asylindustrie”, “Gutmenschen” und wer auch immer, die AfD wird aus allem gestärkt herausgehen, weil viele Menschen in Deutschland sich keinen Maulkorb mehr verpassen lassen wollen. Und das ist gut so !!

Michael Hinz / 21.05.2018

Der ‘PEN’ trägt wie wie viele andere Organisationen (Kirchen, Gewerkschaften und paritätische Wohlstandsvereine) maßgeblich zur Erdoganisierung dieses Landes von links seit den letzten ca. zehn Jahren bei. Ergebnis ist die Aushöhlung des Verfassungsstaates (zahlreiche Verfassungs- u. Rechtsbrüche der Regierung) sowie die Übertölpelung des Parlaments und die Gleichschaltung der Medien. Gerade letztere und der ‘PEN’ agieren hier wie eine politische Polizei, die regelt, wer überhaupt was sagen und mit wem sprechen darf; bzw, wer, wo auftreten und wessen Veranstaltungen etc. besuchen darf. Möge bitte später niemand sagen, man habe nichts gewusst.

K.H. Münter / 21.05.2018

Eine gute Entscheidung zu gehen! Hoffentlich folgen noch weitere nach.

Werner Schmidt / 21.05.2018

Großartiger Beitrag! Konsequente Reaktion! Bleibt nur zu hoffen, dass die rot-grünen SA-Truppen Ihre Privatanschrift nicht kennen. Schade auch, dass Ihnen nun eine Rückkehr in die Systemmedien verbaut ist.

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