In den USA berichten die Radiostationen und Fernsehsender seit dem Wochenende über einen Polit-Skandal. Susan Rice, ehemals Nationale Sicherheitsberaterin des früheren US-Präsidenten Barack Obama und laut Newsweek die "rechte Hand" von Obama, ist in eine Ausspäh-Affäre verwickelt, deren Dimension sich womöglich erst in den nächsten Tagen und Wochen herauskristallisieren wird. In Deutschlands Qualitätsmedien herrscht bis zur Stunde Schweigen im Walde, offenbar weil die Sache so gar nicht ins derzeitige Beuteschema passen will. Schließlich steht nicht Trump, sondern Obama im Feuer.
Nachdem Gunnar Heinsohn gestern auf der Achse das Thema kurz angerissen hatte, berichtet nun zumindest das Schweizer Magazin "20 Minuten". Zum Hintergrund: In Abhör-Erkenntnissen der Geheimdienste, die Personen anderer Nationalitäten und der Sicherheit des Landes gelten, werden die Namen amerikanischer Gesprächspartner normalerweise anonymisiert. Es obliegt nicht dem Weißen Haus, die Dienste zur Offenlegung der Namen aufzufordern. Dieser Artikel von Andrew C. McCarthy aus der "National Review" erklärt sehr anschaulich, dass das Offenlegen ("unmasking") von FBI, CIA und NSA in eigener Verantwortung und ohne Aufforderung vorgenommen wird, wenn ein Sicherheitsinteresse dazu besteht. Die Anweisung von Susan Rice, dies im Zusammenhang mit Trump und seinen Mitarbeitern zu tun, war also enorm ungewöhnlich – um es vorsichtig zu formulieren.
Und es geht nicht nur um Trump. Wer wurde sonst noch alles abgehört und wie lange existiert diese Praxis schon? Wurden amerikanische Bürger auf diese Weise massenhaft ausgespäht, obwohl es dafür gar kein nationales Interesse gab, sondern möglicherweise nur ein parteipolitisches? Jetzt will Senator Rand Paul, republikanischer Senator für Kentucky, Susan Rice unter Eid befragen lassen, ob Präsident Barack Obama ihre Aktivitäten angeordnet hat.
In den USA ist es inzwischen zu einem veritablen Medienkrieg über den Vorgang gekommen. Während die konservativen Journalisten die Sache gar nicht hoch genug hängen können ("zweites Watergate"), üben sich die den Demokraten zuneigenden Medien ums Abwiegeln ("Rechte Fake News"). Aber immerhin, es gibt einen lauten Medienstreit, in dem sich jeder ganz gut informieren kann, wenn er denn will. Genau wie zwei große rivalisierende politische Strömungen und Parteien, die einander rein gar nichts schenken und damit dafür sorgen, dass nichts unter den Teppich gekehrt werden kann.
Dies ist auch die eigentliche – positive – Botschaft der Monate seit dem Amtsantritt von Donald Trump: Die amerikanische Demokratie funktioniert bestens. Die Gewaltenteilung wird geradezu exemplarisch durchexerziert und ein unabhängiges Parlament lässt sich kein X für ein U vormachen. Und auch die rivalisierenden und sich in gepflegtem Hass gegenüber stehenden Medien ermöglichen dem Bürger, einen Sachverhalt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Beide "checks and balances" funktionieren in Deutschland nur noch bedingt.
Dass die führenden deutschen Medien die Ausspäh-Affäre bislang ignorieren, ist erstens peinlich und zweitens journalistisch unprofessionell. Es kann doch wohl nicht sein, dass man sich aus Abneigung gegen Trump eine solche Story entgehen lässt. Insbesondere, wenn man sich daran erinnert, welche Wellen die NSA-Abhöraffäre 2013 verursachte, als offenbar auch Merkels Telefon angezapft worden war. Es ist auch für Deutschland relevant, ob solche Aktivitäten nicht noch viel weitgehender waren als man bislang angenommen hat – und seit wann solche Schnüffeleien in politischen Grauzonen üblich sind. Dabei ist zunächst einmal egal, unter welchem Präsidenten das geschehen ist.