Roger Letsch / 10.11.2016 / 06:25 / 5 / Seite ausdrucken

Wahlforschung: Die Ratlosigkeit der Auguren

Die Gesellschaft in den USA driftet auseinander, so sagt man. Aber was genau „driftet“ da? Ich vermute ja schon länger, es könnte da auch einen „Drift“ zwischen dem geben, was die Menschen denken und dem, was sie sich zu sagen trauen. Der 9. November 2016 sollte deshalb als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem sich alle Wahlforscher und Prognosenschreiber mit samt ihren Umfrageergebnissen aus den Fenstern stürzten – falls sie in der Lage sind, die Fallhöhe richtig einzuschätzen.

Hätte man das Wahlergebnis ahnen können? Vielleicht zumindest in Deutschland. Hatten sich doch die Auguren hierzulande schon mehrfach beim Abschneiden der AfD sehr heftig verschätzt. Dabei hat man sowohl hier als auch in den USA die richtige Erklärung für den „Messfehler“. Wer gibt schon gern mündlich oder sogar vor der Kamera der Meinungsmedien bekannt, jemanden wählen zu wollen, der von eben diesen Medien als dumm, populistisch, gefährlich, rassistisch und unwählbar gebrandmarkt wurde um dann bei jeder Gelegenheit wie ein einfältiger Tanzbär am Nasenring durch die Medienarena gezogen zu werden? Und wer kein Tanzbär sein will, gibt nicht mehr viel auf die Einschätzungen eben dieser Medien, wenn gleichzeitig die Wähler Trumps oder der AfD für dumm, populistisch, gefährlich, rassistisch und unberechenbar erklärt werden. Nun, das „unberechenbar“ stimmte offensichtlich. In der Wahlkabine ist man allein mit sich und seiner Wut und niemand redet belehrend auf einen ein – das hebt den Mut.

Jahrzehntelang haben sich die Wähler daran gewöhnt, dass von den Wahlversprechen selbst der „vernünftigsten“ Kandidaten nach der Wahl oftmals nichts übrig blieb. Diese Art des politischen Betruges ist etabliert und soll für „normal“ gehalten werden. Warum nicht gleich den Lügner wählen, der sich nach der Wahl nicht ändern muss…? Wahlversprechen sind out, nun möchte man es eben mal mit den Wahldrohungen versuchen.

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich Trump nicht gerade sympathisch finde. Andererseits habe ich auch gesagt, dass ich heilfroh bin, mich in dieser Wahl nicht entscheiden zu müssen, da ich mich derzeit nicht einmal bei einer Wahl in Deutschland entscheiden könnte. Weil ich jedoch in politischen Fragen eher zum pessimistischen Realismus neige, kann es für mich in der Politik schon seit einiger Zeit fast nur noch positive Überraschungen geben. Deshalb bin ich sehr gespannt auf das, was jetzt in den USA passieren wird. Als Blogger sowieso!

Die Börsen sind ja heute weltweit bereits ins Minus gerauscht, die Medien und besonders einige der bekannteren Gesichter kauen noch immer mit verheulten Gesichtern an den Besen, die sie zu fressen gedachten, wenn Trump gewönne … es kann ab jetzt eigentlich nur besser werden. Wir haben acht Jahre Obama überstanden, warum sollte die Welt wegen (vorerst) vier Jahren Trump untergehen?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt hier

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Leserpost

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Andreas Rochow / 10.11.2016

Danke für diese vorzügliche Analyse. Die Auftraggeber von Wahlumfragen sollten zugeben, dass sie es besser könnten, wenn sie nur wollten! Politik und regierungsnaher Journalismus scheinen inzwischen aber objektive Umfrageergebnisse geradezu zu befürchten. Eine wissenschaftliche Demoskopie, die sich für ihre grandiosen Fehlleistungen nach Belieben mit der Unehrlichkeit der Befragten herausredet, hat abgedankt. Ihre nach linksgrün tendierenden Auftraggeber haben die falschen, nicht den Wünschen entsprechenden Ergebnisse immer wieder gern zu non-faktische Deutungen für propagandistische Zwecke herangezogen. Deshalb wird dieser Mechanismus mit immer mehr Geld weiter am Laufen gehalten. Genauer scheinen es die Regierenden und ihre Journaille gar nicht wissen zu wollen. Erstaunlich, dass einige Enttäuschte nach Trumps Wahlsieg unverdrossen an ihren Fehldiagnosen über die Stimmung im amerikanischen Volk festhalten wollen.

Karla Kuhn / 10.11.2016

… es kann ab jetzt eigentlich nur besser werden. Wir haben acht Jahre Obama überstanden, warum sollte die Welt wegen (vorerst) vier Jahren Trump untergehen? Genau so ist es.  Auch wenn viele die Erde gerne wieder zur Scheibe machen würden, sie geht wegen uns Hanseln bestimmt nicht unter. Das was jetzt abgeht, ist eine entsetzliche Posse. Da kommt der richtige Charakter vieler Politiker und Medienmachern zum Vorschein.  Eigentlich haben sie sich schon bei uns, dem Volk und der AfD um Kopf und Kragen geredet aber bei Präsident Trump überschlagen sie sich geradezu, es ist entwürdigend und beschämend. Nicht zu fassen. Noch dazu, weil die “Kaste” Typen wie Erdogan umschmeicheln. Den lupenreinen Demokraten.

Günter Lüdeking / 10.11.2016

Herr Letsch,Danke! Acht Jahre Obama überstanden,Merkel leider noch nicht.Wann konnte je ein Politiker berechnet werden? Frau v.d.L ist in Schockstarre gefallen,nur leider nicht dauerhaft. Unsere sogenannten Experten und Schlaumachmedien haben ihre üblichen Lachnummern geliefert ,nichts dazu gelernt und sich mal wieder hochgradig blamiert.Schuld an dem Ausgang der Wahl sind mal wieder u.a.die ungebildeten Schichten…... Frau A.M. möchte Herrn Trump erklären wie Demokratie geht und wenn er dann nicht richtig spurt wird sie böse aus ihrem Hosenanzug schauen.Ich denke Trump hat verstanden und wird auf Linie gehen. Kann die Äußerungen von Frau M .nicht ernst nehmen.Jetzt noch schnell ,eine Blockflöte und Notenblätter mit Weihnachtsliedern besorgen.

Andrea Walter / 10.11.2016

Wie verzerrt die Medien berichten, sah man gestern. Es wurden diverse “einfache Menschen” auf der Straße in den USA gefragt, was sie von der Wahl hielten. Jeder Befragte war entsetzt über Trump. Das kann ja nicht stimmen, irgendwer muss Trump ja gewählt haben. Aber die kamen erst gar nicht zu Wort. Das fand ich schon sehr merkwürdig. Wäre irgendwie ehrlicher gewesen, beide Stimmen/Seiten zu zeigen.  Befürworter und Gegner. Bei dieser Einseitigkeit der Berichterstattung ist es nicht verwunderlich, wenn keiner mehr bei Umfragen ehrlich antwortet.

Sonja Brand / 10.11.2016

Ein Großteil der Medien wird von vielen nur noch als Propaganda der Politikelite wahrgenommen. Kein Wunder also, dass die Prognosen meistens daneben liegen. Die Frage ist doch, ist die Politik wirklich schlauer als ein Großteil der Bevölkerung? Woran sollte das liegen? Verschweigt die Politik der Bevölkerung einen Großteil an Fakten, die die Meinung entscheidend beeinflussen würden? Aber nur ein Kommunikationsproblem dafür verantwortlich zu machen, halte ich für zu einfach gestrickt. Nähe zu den Bedürfnissen und Ängsten der Bevölkerung und ein entsprechendes Handeln danach fehlt weitestgehend - Lippenbekenntnisse werden schnell entlarvt. Und die jahrelangen Wahlkampflügen befördern das Mißtrauen, dass “die da oben” wirklich den Überblick hätten und zum Wohle des eigenen Volkes agieren.

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