Rainer Bonhorst / 02.04.2010 / 10:17 / 0 / Seite ausdrucken

Vorauseilende Islamophilie

Lassen wir mal beiseite, ob wir türkische Schulen brauchen oder wollen oder nicht. Lassen wir auch beiseite, ob es nun doch die eine oder andere türkische Schule in Deutschland geben wird, weil die Bundeskanzlerin mit einer Friedenstaube in Ankara angetreten ist. Widmen wir uns lieber der Frage, warum Angela Merkels spontane Ablehnung türkischer Schulen in Deutschland bei Recep Erdogan als “Hass auf die Türkei” ankam.

Hass! Wie kann ein kleines Nein ein so großes Wort hervorrufen? Ganz einfach: Es ist der gleiche Vorgang, der zum inflationären, ja frivolen Gebrauch des Begriffs Islamophobie geführt hat. (Die Turkophobie oder der Türkenhass ist ja eine Untergruppe oder Sonderform der Islamophobie.) Es braucht nicht viel, den Titel der Islamophobie zu bekommen. Er wird von den Moslems wenigstbietend verschleudert. Ein bisschen Kritik am Islam, und sei sie noch so angebracht, wird im Handumdrehen zum Symptom einer bösen Islamo- oder Turkophobie. Und entsprechend wird, wer wagt, nein zu sagen, im Handumdrehen zum großen Hassenden.

Man könnte das als morgenländisch-poetischen Umgang mit der Sprache abtun, ließen wir uns in Europa diese Methode nicht aufschwätzen. Wir haben sie uns längst zu eigen gemacht.

Die Folgen zeigen sich besonders deutlich im Umkehrschluss. Wie werde ich ein Freund des Islam, wie werde ich islamophil? Indem ich zu allem ja und amen sage. Liebe, so gesehen, bedeutet, die eigenen Sitten, Gebräuche und Grundsätze, also das eigene Ich, in den Hintergrund zu schieben, um dem geliebten Freund zu Diensten zu sein.

Zwei schöne Beispiele solch selbstloser, ja selbstaufopfernden Liebesbeweise möchte ich aus England bringen.

Das erste Beispiel handelt von einem Konflikt zwischen einer Krankenschwester und ihrem Arbeitgeber, dem staatsnahen National Health Service. Dieser NHS hat der Krankenschwester verboten, bei der Arbeit eine Halskette mit -  dezentem - Kreuz zu tragen. Der gleiche Arbeitgeber akzeptiert aber freudig, dass moslemische Krankenschwestern ihre Arbeit mit Kopftuch verrichten. Die christliche Kreuzträgerin wurde von ihrer bisherigen “Tätigkeit am Menschen” entfernt und in ein menschenfernes berufliches Abseits befördert. Die moslemischen Kopftuchträgerinnen blieben unbehelligt. Dieser aktuelle Fall einer vorauseilenden Islamophilie und einer damit einhergehenden Verleugnung eigener Tradition wurde von führenden Geistlichen im “Telegraph” beklagt. Demnächst kommt er vor ein weltliches Gericht.

Mein zweites Beispiel vorauseilender Islamophilie auf Kosten eigener Tradition handelt von der Furcht, nicht “feinfühlig” zu sein oder gar als rassistisch zu gelten. So berichtete kürzlich die “Daily Mail” von einem neuen Verhaltenskodex der Polizei in der Grafschaft Kent. Der Kodex verpflichtet die Beamten unter anderem, ihre Kundschaft nicht mehr nach ihrem “christian name” zu fragen, obgleich dies hierzulande der übliche Begriff für einen Vornahmen ist. Jetzt soll es nur noch neutral den “first name” geben. Auch die im Königreich weit verbreitete Sitte, Frauen (und Männer) mit “love” oder “darling” anzureden, muss die Polizei in Kent ablegen und durch weniger menschliche unpersönliche Begriffe ersetzen. Eine Muslima, so wird vermutet, will kein “darling” sein und ein Moslem kann keinen “christian name” haben. Daraus folgt nach dem Gesetz der Selbstaufgabe messerscharf, dass es polizeilicherseits nun gar keinen “christian name” mehr geben kann, und dass - jedenfalls in Kent - keine Engländerin mehr ein “darling” sein darf. Die bisherigen “darlings” wurden natürlich nicht gefragt, was sie von diesem Liebesentzug halten. 

Ganz und gar in den Bereich der Satire gehört die Geschichte von dem Starwars-Fan, der einer Gruppe angehört, die ihre Film-Begeisterung zur Religion erhoben hat. Sie verehren die Jedi, tragen wie diese Filmgestalten weite Kapuzen, und sagen zueinander: “May the force be with you.” Ein solcher Jedi-Jünger wurde kürzlich eines Kaufhauses verwiesen, weil er seine Kapuze, seinen “hood” nicht abnehmen wollte. Die Verkäufer verwiesen auf ein allgemeines “Hood-Verbot”, als Notmaßnahme gegen so verhüllte Hooligans und Ladendiebe. Der Jedi-Jünger erklärte, es sei seine religiöse Pflicht, die Kapuze zu tragen. Das Kaufhauspersonal, offenbar noch nicht ganz vom Elexier des Absurden durchdrungen, warf ihn kurzerhand aus dem Laden. Dann aber kam das wunderbare Nachspiel, inszeniert in der höheren und politisch bewussteren Geschäftsetage: Die Geschäftsführung der Kaufhauskette entschuldigte sich bei dem Hinausgeworfenen schriftlich und in aller Form. Sie bedauerte, dass die “religiösen Gefühle” des Jedi verletzt wurden und versprach Besserung. Damit war der Weg von der einfachen Selbstverleugnung hin zur kompletten Narretei vollzogen.

Den entgegengesetzten Weg schlägt nun Belgien ein. Selbst auf die Gefahr hin, als Hassende und von der Islamophobie Befallene zu gelten, hat das dortige Parlament beschlossen, die moslemischen Ganzkörperzelte Burka und Nikab per Gesetz aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Könnte dies der Anfang vom Ende dieses entwürdigenden und frauenverachtenden Textilgefängnisses auf Europas Straßen sein? Frankreich hat ja auch schon entsprechende, wenn auch weniger entschlossene Schritte unternommen. Oder wird die gesamte belgische Politik, einschließlich der Grünen, die mit von der Partie sind, als rechtspopulistische Islam-Hasser verdammt?  Droht Europa eine Spaltung in Burkaphobe und Nikabphile?

Ich möchte heute schon Partei ergreifen und den Belgiern zurufen: May the force be with you.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 12.03.2024 / 17:00 / 9

Die Kate-Krise oder viel Lärm um nichts?

Ein Familienfoto der Royals ist schon kurz nach Erscheinen als ungelenke Bildmanipulation entlarvt worden. Medialer Wirbel dank Photoshop! Ist Englands königliche Familie eine Fälscherbande? Wenn ja, dann keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 08.03.2024 / 12:00 / 19

Bye bye Nikki, hello Oldies

In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.02.2024 / 14:00 / 26

Kamala gegen Nikki – ein Traum

Statt der beiden betagten Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump wünsche ich mir eine ganz andere Konstellation im Kampf um das Amt des US-Präsidenten. Man…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.02.2024 / 12:00 / 35

Giorgia Meloni als Mamma Europa?

Georgia Meloni beginnt in Europa eine wichtige Rolle zu spielen. Die Politik hält sich mal wieder nicht an die ideologischen Vorgaben deutscher Medien.    Ja, darf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 04.02.2024 / 14:00 / 33

Gedanken beim Demo-Gucken

Im Grunde haben wir ja Glück, dass in Deutschland die Verhältnisse so klar sind. Wir haben keine dunkelhäutigen Politiker in Berlin, die die Frechheit besitzen…/ mehr

Rainer Bonhorst / 15.01.2024 / 11:00 / 12

Zwei Krönungen, eine mit, eine ohne

Die Krönungszeremonie von Kopenhagen ist deutlich weniger pompös ausgefallen als solche, die wir aus London gewohnt sind. Als ehemaliger England-Korrespondent wird man unausweichlich zum Beobachter…/ mehr

Rainer Bonhorst / 06.12.2023 / 12:00 / 45

Eine konservative Frau auch in Amerika?

Könnte sich die ehemalige amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley bei den Republikanern durchsetzen und Biden gefährlich werden? Das Zeug dazu hat sie. In den westlichen Demokratien…/ mehr

Rainer Bonhorst / 01.12.2023 / 06:15 / 75

Kommt jetzt die Genderwende?

Während Heizungswende, Energiewende und Ernährungswende auf Widerstand stoßen, bahnt sich eine echte Wende an: Die unselige Genderei scheint ihren Höhepunkt überschritten zu haben, immer mehr…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com