Von Susanne Baumstark
Im Bundestag ist man über Parteigrenzen hinweg nett zueinander, man kennt sich ja auch schon so lange. Der Kanzleramtsminister twittert nach dem Drogenfund bei Volker Beck und dessen Rückzug aus politischen Ämtern: "In der Drogenpolitik bin ich anderer Meinung als die meisten Grünen. Aber Respekt für Volker Beck für die schnelle und klare Reaktion." Und der Bundesinnenminister findet Vorverurteilungen fehl am Platze: "Ganz grundsätzlich gilt, dass jeder darauf achten muss, ob er die hohen moralischen Maßstäbe selbst erfüllt, die er an andere stellt." Das Weitere lasse sich erst nach Abschluss der Ermittlungen bewerten.
Nur: wie steht es mit den Ermittlungen? Die setzen Becks Aufhebung der Immunität voraus. Das erforderliche Verfahren dafür hatte der Bundestagspräsident allerdings "auf Eis gelegt". Denn die Berliner Staatsanwaltschaft habe mit ihrem Antrag nicht die formalen Anforderungen erfüllt. Das Schreiben informiere nur über "das Anlegen eines Prüfvorgangs" wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Das reiche nicht aus, um ein Immunitätsverfahren einzuleiten. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hätte explizit mitgeteilt werden müssen.
Im selben Maße, wie man die Gründlichkeit des Bundestagspräsidenten schätzen mag, darf man darüber staunen, dass die Staatsanwaltschaft von diesem Formfehler offenbar nur über die Presse erfuhr. Sie "habe dem Bundestag nun ausdrücklich mitgeteilt, dass sie 'die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens' beabsichtigt, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, am Freitag. Er bezog sich auf Presseberichte, denen zufolge der Bundestag ein erstes Schreiben als fehlerhaft bewertet hatte." So der WDR. Zufälligerweise ist auch die Gründlichkeit der Bundestagsverwaltung eben erst, kurz vor dem Wahlsonntag, zur vollen Entfaltung gereift. Denn der erste Antrag der Staatsanwaltschaft habe in Form und Inhalt der "unbeanstandet gebliebenen Praxis der letzten Jahre" entsprochen.
Der Focus jedenfalls ließ sich deshalb nicht von der Arbeit abhalten und spürte den mutmaßlichen Dealer des Politikers auf. "Der ist kein Unbekannter und vor allem in den USA landesweit bekannt", weiß der Berliner Kurier. In New York betrieb er "einen schwunghaften Drogenhandel". Nach einer fünfjährigen Haftstrafe kam er zurück nach Berlin und "begann nach Überzeugung der Ermittler erneut mit Meth zu dealen". Seine Wohnung wurde deswegen überwacht. "Nachdem die Fahnder das Meth bei Beck gefunden hatten, soll dieser laut Focus spontan gesagt haben, das Rauschgift sei nicht für ihn selbst, sondern für jemand anderen." So was nun kann manch einer gerade gar nicht gebrauchen.
Susanne Baumstark, Jahrgang 1967, ist freie Redakteurin und Diplom-Sozialpädagogin. Ihren Blog luftwurzel.net finden Sie hier.