Thomas Rietzschel / 09.09.2017 / 06:15 / Foto: Angels Fuste / 18 / Seite ausdrucken

Von der formierten zur uniformierten Gesellschaft

Nur 15 Tage noch bis zur Wahl des nächsten, des 19. Deutschen Bundestages. Die Zeit verfliegt, während das Land in einem politischen Verkehrsstau feststeckt, wie es ihn nie zuvor gegeben hat. Keine der großen oder sich größer dünkenden Parteien, die nicht auf die linke, die hoffnungslos überlastete Spur drängeln würde. Wer dagegen nach rechts abzubiegen wagt, muss froh sein, wenn er als verwirrter Geisterfahrer davonkommt und nicht gleich als politischer Verkehrsrowdy zur Schnecke gemacht wird. „Zeigen wir der AfD, dass wir geschlossen sind“, forderte die „Grüne“ Katrin Göring-Eckardt (*) in der letzten Sitzung des alten Bundestags. Lautstarken Beifall bekam sie dafür von allen Seiten des Hohen Hauses.

Dabei ist es keineswegs so, dass schon alle Vertreter des bürgerlichen Lagers bereit wären, sich den linken Schuh anzuziehen. Nur in den Verdacht, ein „Rechter“ zu sein, möchte keiner geraten. Lieber heult man mit den Wölfen des medialen Mainstreams. Während weiterhin peinlich darauf geachtet wird, den Unterschied zwischen der anständigen Linken und dem Linksextremismus hervorzuheben, ist es längst Usus geworden, die Rechte mit dem Rechtsextremismus gleichzusetzen. Allenthalben ist von „rechter Gewalt“, der „Gefahr von rechts“ oder von „rechtem Populismus“ die Rede.

Die Rechten, scheint es, sind sich im Zuge der historischen Verblödung selbst peinlich geworden. Kein Gedanke mehr daran, wie sie die bürgerliche Gesellschaft prägten, indem sie eine freiheitliche Gesinnung hochhielten, zu der sich die Linken erst langsam durchringen mussten und mit der viele von ihnen bis heute fremdeln, wenn es um die Akzeptanz politisch abweichender Meinungen geht.

Die Sozialisten und die Kommunisten zumal haben immer gewusst, was sie wollten. Großen Teilen der christlichen wie der freiheitlichen Demokraten ist das mittlerweile entfallen. Und sie täten gut daran, die Nase wieder einmal ins Geschichtsbuch zu stecken, bevor sie sich von den linken Ideologen ins Bockshorn jagen lassen. Statt dessen glauben sie, sich parteilich über die Runden zu retten, indem sie auf die Schleimspur ihrer politischen Kontrahenten kriechen, in der Energie- sowie der Flüchtlingspolitik, nicht zu reden vom Aufbau eines vormundschaftlichen Staatswesens, das die Freiheit des Bürgers mit sozialpolitischen Vorwand zunehmend einschränkt.

Die CDU: Ein Verein, den jeder Linke mit gutem Gewissen wählen kann

Geradezu absurd muss es anmuten, wenn das bürgerliche Lager der amtierenden Kanzlerin nachrühmt, es sei ihr gelungen, die CDU, der sie vorsitzt, von rechts in die Mitte der Gesellschaft zu führen, aus der Partei einen Verein zu machen, den auch jeder Linke mit gutem Gewissen wählen kann. Dass ihr das gelungen ist, steht außer Frage. Auf der Hand liegt aber ebenso, dass sie damit ihr Scherflein dazu beigetragen hat, die Rechte pauschal als eine politische Bedrohung zu diskreditieren. Das Wohlgefallen, mit dem SPD, Grüne und die Nachkommen der SED diese Entwicklung beobachten, ist ihnen nicht anzukreiden. Sie bleiben sich damit nur treu.

Der Vorwurf der Gesinnungslosigkeit trifft die anderen, da sie sich von der Gier nach der Macht zum Verrat an der eigenen Geschichte haben verführen lassen. Wofür, fragt man sich, steht die Rechte eigentlich noch, wenn sie als solche nicht länger erkannt werden will? Halten sich die Leisetreter selbst bereits für Rechtsradikale, die auffliegen könnten? Sind sie schon dabei, von ihren eigenen Vorfahren abzurücken, von Adenauer, Erhard oder Kohl, dem Kanzler der Einheit?

Wer nicht mehr weiß oder nicht mehr wissen will, was die Worte bedeuten, läuft allemal Gefahr, in die Falle seines dummen Geschwätzes zu tappen, den Ideologen auf den Leim zu gehen. Diejenigen, die den Pluralismus verteidigen sollten, werden zu Handlangern derer, die ihm seit jeher misstrauten, weil er sich nicht mit ihren autokratischen Herrschaftsansprüchen verträgt. Auf dem Spiel steht das Unterpfand der Freiheit in der bürgerlichen Gesellschaft: die Demokratie. Nach ihren Verkehrsregeln war es bisher noch jedem überlassen, welche Richtung er einschlagen wollte - ins linke oder ins rechte Lager. Und nur solange dies garantiert ist, kann der politische Verkehr in der Demokratie auch geordnet ablaufen, nur solange gibt es eine Mittelspur, auf der alle gleichermaßen vorankommen können, ohne ihr Ziel aus dem Auge zu verlieren.

Eine sozialistische Demokratie nach ostdeutschem Vorbild

Erst wenn alle nach der selben Seite, nämlich nach links einbiegen wollen, weil sie fürchten, als Falschfahrer angezeigt zu werden, sobald sie den Blinker rechts setzen, erst dann kommt es zum politischen Stau, zu einem Gedrängel, das den gesellschaftlichen Stillstand nach sich zieht, zu Auffahrunfällen und Überholmanövern, die die Rettungsgasse blockieren.

Wo zwischen „guten Linken“ und „bösen Rechten“ unterschieden wird, ist die Wahlfreiheit des Bürgers von vornherein moralisierend eingeschränkt. Mehr oder weniger freiwillig bilden die Parteien einen politischen Block, der um seiner selbst willen existiert. Die Demokratie ergibt sich aber erst aus dem souveränen Neben- und Gegeneinander selbstbewusster Parteien, linker, liberaler und rechter. Wird hingegen ein ganzer Flügel propagandistisch ausgegrenzt, indem alle - auch die traditionell rechts Angesiedelten - sich im „Kampf gegen Rechts“ verbünden, ist mit der Demokratie kein Staat mehr zu machen. Sie mutiert unversehens zu der „sozialistischen Demokratie“ nach ostdeutschem Vorbild.

Aus der „formierten Gesellschaft“, in der nach Ludwig Erhards Vorstellung jeder aus freien Stück vom Bewusstsein „der schicksalhaften Verbundenheit aller mit allen“ getragen sein sollte, wird die uniformierte Gesellschaft, angeführt von einem Verbund freiwillig gleichgeschalteter Parteien. Einer hält die Hand über den anderen, damit wir weitere vier Jahre im Stau der GroKo feststecken, wohl versorgt und eingelullt vom Eiapopeia der guten Linken. Allerdings wissen wir auch von Heinrich Heime, dass dem Volk, „dem großen Lümmel“, nie ganz zu trauen ist. Am 24. September wissen wir mehr.

(*) Katrin Göring-Eckardt am 5.9. im Bundestag: Lassen Sie uns nicht von Rechtsextremen in unserer Mitte beirren und zeigen wir der AfD, dass wir geschlossen sind gegen Hass, gegen Hetze, gegen Fake News, gegen Spaltung, gegen Rassismus bis in unsere eigenen Reihen, machen wir das gemeinsam für die Demokratie, meine Damen und Herren!

Foto: Angels Fuste CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Wolfgang Johansen / 09.09.2017

Wo endet die Demonstration gegen Rechts, die heute durch Hamburg zieht? Bei einer Veranstaltung vor der “Roten Flora”! Man versammelt sich also vor dem Hauptquartier der linksextremistischen G20-Chaoten, um gegen die Rechtsextremen zu demonstrieren und um damit von eigenen Schandtaten abzulenken!

Leo Hohensee / 09.09.2017

Genau das ist zum Haare-raufen. Unisono erklären unsere Politiker unsere Demokratie um zu einer demokratischen Republik nach dem Vorbild der DDR. Der “Staatsrat” bestimmt die Linie und Kritiker werden ausgespäht, verfolgt, verhöhnt und zu Feinden oder Extremisten erklärt. Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Bewegungsfreiheit werden nach der “Neuen Definition von Demokratie” beschränkt. Menschen, die Einschränkungen solcher Freiheiten anprangern, werden verächtlich gemacht und etikettiert. Göring Eckardts Äußerungen im Bundestag waren eindeutig demokratiefeindlich. Und das Parlament applaudiert (der Kongress tanzt). Nah Malzeit - armes Deutschland. Beste Grüße L.H.

Wilfried Cremer / 09.09.2017

Der Blockparteienzwangsfunk bildet die Kommandobrücke. Wer nicht pariert, der fliegt vom Hof, und wer das Waschen der Gehirne nicht bezahlt, erlebt die volle Wucht der Strafjustiz.

Thomas Nuszkowski / 09.09.2017

Nur 15 Tage noch bis zur Wahl der 2. Deutschen Volkskammer. Auf einer dreispurigen Autobahn nur eine Spur zu nutzen wäre reichlich dämlich. Deswegen wird das auch nicht gemacht. Nun müssen sich nur noch alle ängstlichen von der linken Spur lösen und den Mut aufbringen, auch die anderen zwei Spuren zu nutzen. Dann fließt der Verkehr gleich viel besser und man fährt entspannter. Das kann jeder Autofahrer noch in den folgenden 15 Tagen auf einer beliebigen dreispurigen Autobahn nachprüfen.

Lutz Jordan / 09.09.2017

Ja, und dreimal ja! Wir dürfen uns nicht von selbstgerechte Linken, deren unqualifiziertes Sprachverbessertum und Symbolismus wie “Rock gegen Rechts” uns täglich um die Ohren rauscht, gleichschalten lassen. Lassen wir konservatives Gedankengut in unserer demokratischen Mitte zu und hören wir mal auf Leute, die nicht nur Steine schmeißen und Prüfungen verweigern können, sondern durch ihren persönlichen Lebenslauf zeigen, dass sie erfolgreich arbeiten können und unseren traurigen Laden analysieren und ihm andere, vielleicht auch bessere Wege aufzeichnen können. Diesen linken Blockparteien “Modell Ostzone” gehört auch das Meinungsmonopol entzogen und wir müssen das Denkenlernen wieder ernst nehmen.

Andreas Rochow / 09.09.2017

Wenn die Propagandakoalition der aufgeregten Linksopooulisten sich da mal nicht täuscht. Sie kann sich in ihrer Blase nicht vorstellen, dass Wählermehrheiten nicht freiwillig im totalitären Verkehrsstau verharren wollen. Ich habe den Glauben an eine empfindliche Wahlschlappe für die vereinten Einenger der Meinungsfreiheit noch nicht aufgegeben. In einer auf einen linken Totalitarismus zusteuernden geistigen-medialen Atmosphäre darf kein Meinungsforschungsinstitut erwarten, noch die unerwünschte Wahrheit zu erfahren.

Wolfgang Weber / 09.09.2017

Sehr guter Artikel, der die politische Realität gut beschreibt. Bin ich ein besserer Demokrat, wenn ich die linksliberalen bis linksradikalen Parteien deren Ziel die sozialistische Einheitspartei ist oder das Gegenstück die AfD wähle? Warum wird auch auf den alternativen Medien wie hier, Cicero und Tichy, die AfD meistens negativ bewertet? Ich habe bei Cicero und hier die Erfahrung gemacht, das AfD freundliche Kommentare nicht veröffentlicht werden.

Ralf Altmeister / 09.09.2017

Brilliant, einfach nur brilliant Ihr Artikel. Man erkennt einen unhaltbaren gesellschaftlichen Zustand eines Landes daran, dass keiner der im Bundestag vertretenen Parteien in der Lage ist oder nicht will, eine Analyse des Ist- Zustandes zu erstellen bzw. die Lage der Nation zu analysieren. Wer das nicht kann, kann auch keine tauglichen und plausiblen Konzepte für die Zukunft liefern. Dies wird im Wahlkampf überdeutlich. Ich hoffe auf eine starke rechte Partei ohne rechtsextreme Positionen im nächsten Bundestag. Mir schwebt dabei eine Konstellation vor, wie wir sie in Österreich sehen. Dort hat unter dem Druck der FPÖ, die ÖVP (Schwesterpartei der CDU) eine Wende hin zur Realpolitik und mit Sebastian Kurz eine charismatischen Politiker hervorgebracht und in weiten Teilen der Migration und EU- Politik die Positionen der FPÖ übernommen,dabei aber die rechtsextremen Ausfaserungen vermieden. Gauland sagte mal in einer Talkschow zu einem CDU- Mann sinngemäß: “Uns (AfD) gibt es nur, weil ihr versagt habt”. Das Beste wäre, dieses Versagen zu revidieren.

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