Paul Nellen / 05.01.2016 / 21:01 / 2 / Seite ausdrucken

Vom Bahnhof auf die Kanzel

Fast so unerträglich wie die sexuellen Übergriffe in Köln, Hamburg, Stuttgart am Silvesterabend und beinahe täglich in vielen anderen Teilen der Republik, wo unsere “geschenkten Menschen” leben (Kathrin Göring-Eckardt), sind die prompten Kanzelpredigten unserer politischen SittenkommentatorInnen. Vom Bahnhofsvorplatz in den hohen Dom sind es bekanntlich nur ein paar Schritte, nicht nur in Köln.

Das ist an schmieriger Heuchelei kaum zu überbieten. Es gibt sich den Anschein einer hohen, menschenverbundenen und über den Parteien stehenden Moral: “Man dürfe aber nicht versuchen, die Vorfälle zu missbrauchen, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.” (Claudia Roth und andere) Natürlich nicht. Mißbrauch geht gar nicht.

Man darf dann aber das nächste Mal, wenn wieder eine Horde Nazis ein Flüchtlingsheim überfallen hat, von der Dressurelite erwarten, dass sie gleichfalls davor warnt, “die Vorfälle zu missbrauchen, um Stimmung gegen Rechte zu machen”. Nicht, weil ich für Rechte Sympathien hege. Das Gleiche gilt hier nämlich auch für Linke, wenn diese etwa bei Demos Schneisen der Gewalt durch Städte gelegt haben.

Aber wer sich, wie hier Frau Roth (andere werden folgen), unter ein allgemeines Moralapostolat stellt, darf sich nicht immer nur dann zu dessen Ausübung aufgerufen fühlen, wenn eine besondere, ihm am Herzen liegende Agenda betroffen ist. Der ist nämlich am Ende und in Wirklichkeit derjenige, der, mit Steuergeldern üppig alimentiert, die jeweiligen “Vorfälle” nur mißbraucht, um seinerseits Stimmung zu verbreiten. Nicht zuletzt für die eigene Person und das eigene politische Anliegen. “Moralische Empörung ist eine Technik, die angewandt wird, einen Idioten mit Würde auszustatten”, schrieb Marshall McLuhan 1967 mal.

Kann gut sein, dass er damit auch Politiker und Politikerinnen gemeint hat.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Herwig Mankovsky / 06.01.2016

Eine Firma, die nur fehlerhafte Produkte herstellt und die Kunden ermahnt, dass deren Kritik oder Abwendung nur der Konkurrenz helfen würde, könnte die damit Erfolg haben? Warum bis jetzt aber in der Politik?

Thomas Drachsler / 05.01.2016

Sehr geehrter Herr Nellen, wenn Sie das “unerträglich” finden (ein Deppenwort, denn wenn man etwas nicht mehr ertragen kann, dann stirbt man - so der hl. Helmut Schmidt -), was gedenken Sie als Mann dagegen zu tun ? Mit freundlichen Grüßen

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Paul Nellen / 09.07.2020 / 10:00 / 98

Filmförderung: Gegen Zensur hilft nur Selbstzensur

Die Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein gibt soeben bekannt: "Ab sofort sind Antragsteller*innen dazu verpflichtet, einen Fragenkatalog zur Diversität ihres geplanten Projektes zu beantworten. So sollen sie zur bewussten…/ mehr

Paul Nellen / 14.02.2020 / 15:00 / 16

Anmerkungen eines Presstituierten

Unser junger „Verein Säkularer Islam Hamburg e.V.", in dessen Vorstand ich mit Necla Kelek und Hamideh Kazemi sitze, befindet sich wenige Tage später schon im investigativen Fadenkreuz der Shiiten-Islamistenbrüder Özoguz vom shiitischen…/ mehr

Paul Nellen / 15.11.2019 / 13:00 / 25

Neuer OB in Hannover: Was ist ein “liberaler Muslim”?

Ein Grüner mit türkischem "Migrationshintergrund" übernimmt erstmals einen Oberbürgermeisterposten in einer deutschen Großstadt, der viertgrößten im Lande. Hannover hört jetzt die nächsten Jahre auf Belit…/ mehr

Paul Nellen / 02.09.2019 / 13:29 / 15

Kooperation mit orthodoxem Islam im Sinne des Friedens?

Das größte Hindernis für ein Umsteuern der deutschen Politik der Umarmung der multiplen Kohorten des orthodoxen Verbandsislam und für ein Ende des bedenkenlosen politischen Eingehens…/ mehr

Paul Nellen / 31.08.2019 / 16:30 / 19

Warum das Kinderkopftuch nicht an unsere Schulen gehört

In der aktuellen Debatte um das Kopftuch an unseren Schulen für Schülerinnen bis zu ihrem 14 Lebensjahr oder darüber hinaus sollten ein paar einfache Wahrheiten…/ mehr

Paul Nellen / 25.07.2019 / 14:30 / 50

Was wollen, Walid?

Ein bekannter afghanischstämmiger Berliner Film- und Fernsehproduzent veröffentlichte dieser Tage im Tagesspiegel einen beschwörenden Aufruf an die „Muslime, sich zu wehren”.   Er beklagt, dass…/ mehr

Paul Nellen / 28.06.2019 / 12:00 / 28

„Manche haben nicht das Recht, rechtzuhaben”

Eine Schlagzeile von neulich: „Rupert Scholz wirft Bundesregierung andauernden Verfassungsbruch vor". Soweit ist die Erosion der Merkel-Macht mittlerweile schon gediehen, dass ein Staatsrechtler und ehemaliger…/ mehr

Paul Nellen / 31.05.2019 / 15:00 / 3

Vom Outlaw zum Abteilungsleiter – und wieder zurück?

Arye Sharuz Shalicar,  früher Streetfighter und Graffiti-Tagger im Wedding, hat mit 41 Jahren schon eine drehbuchreife Lebensgeschichte vorzuweisen. Wer Arye noch nicht kennt – und die…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com