Droht in der Zentralafrikanischen Republik Genozid, wie Frankreichs Außenminister Laurent Fabius fürchtet und deshalb Truppen schickt? Durchaus, weil die Gegner längst vergewaltigen, vertreiben und umbringen. Das erfüllt den Artikel 2 der Völkermordkonvention von 1948. Er bedroht jeden mit Strafe, der „Mitglieder der Gruppe tötet“, „Mitgliedern der Gruppe schwere körperliche oder seelische Schäden zufügt“ oder „die Gruppe unter Lebensbedingungen stellt, die geeignet sind, deren körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen.“
Befinden sich muslimische Séléka und christliche “Anti-Balaka” in einem „religiös motivierten Bürgerkrieg“ (SPIEGEL online, 06-12-2013), wie viele Beobachter glauben?
Eher nein, denn die Religionen gibt es ja auch schon vor dem Töten und sie sollten auch nach seinem Abflauen das Land prägen, das fast zweimal so groß ist wie die Bundesrepublik. Es gilt mithin, Religion als Vorwand für das Töten zu unterscheiden von Religion als einem wirklichen Grund dafür.
Gibt es andere Auffälligkeiten, die für das Verständnis des Konfliktes aufschlussreich sein könnten? Gibt es Leute, die Vorwände benötigen? Sehr wohl! Hat man in der Zentralafrikanischen Republik im Jahre 1970 erst 140.000 junge Männer im besten Kampfalter von 20 bis 29 Jahren, so sind es heute mit 420.000 schon dreimal so viele. Knapp 600.000 sollen im Jahre 2030 in Positionen drängen.
Da aussichtsreiche Karrieren für die zornigen Jünglinge jedweden Glaubens schon jetzt kaum vorhanden sind und auch in Zukunft nur über internationale Konkurrenzfähigkeit erlangt werden können, die diesem Land niemand zutraut, wird um die wenigen Pfründen geschossen. Dabei ist jedes Glaubhaftmachen der Grausamkeiten willkommen. Empörung über die vermeintliche Entehrung durch andere Stämme oder der Kampf gegen die Sündhaftigkeit der bloß Frommen durch die beinahe schon Heiligen liefern Klassiker im Repertoire der Rechtfertigung von Massakern. Frankreichs rare Krieger brauchen mithin viel Glück für ihre noble Mission. Wo sie antreten, stehen schließlich tausendmal mehr Menschen im Kampf um eine Zukunft als auf den Schiffen vor Lampedusa.