Katharina Szabo / 11.01.2014 / 01:26 / 5 / Seite ausdrucken

Viel Lärm um nichts

Wie sehr sich Politik und Medien in ihrer Wahrnehmung der Welt inzwischen von der Realität abgekoppelt haben, führt uns dieser Tage eine Meldung vor Augen, die eigentlich wenig interessant ist. Dennoch schafft sie es, zum Skandal aufgebauscht zu werden und sogar die Regierung auf den Plan treten zu lassen.

Thomas Hitzlsperger, ehemaliger Fußballprofi und Bundesligaspieler, hat sich öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt. Na und, werden sich nun die meisten von uns gedacht haben um sich wieder ihren wirklichen Problemen in der echten Welt zuzuwenden. Thema erledigt? Keineswegs:  „Viel Diskussion und Debatten“ hätte diese Nachricht ausgelöst, behauptete am Donnerstag etwa N24 und schob die besorgte Frage hinterher: „Was sagt es eigentlich über unsere Gesellschaft aus, dass wir reagieren wie wir reagieren?“

Tatsächlich reagieren wir gar nicht. Was sagt das also über unsere Gesellschaft aus? Dass Homosexualität in der wirklichen Welt nichts Spektakuläres ist? Dass wir, sofern wir keinerlei Kontakte zu arabischen Großfamilien, rechtsextremen Autonomen und islamischen Fundamentalisten pflegen, kein Problem mit Homosexuellen haben? Dass Homosexualität im heutigen Deutschland niemanden mehr vom Hocker haut? Eine Debatte lebt bekanntlich von Pro und Kontra. Führten Menschen nun tatsächlich Diskussionen über das Für und Wider der Homosexualität? Wurden Vorschläge gemacht, Hitzlsperger des Landes zu verweisen? Guido Maria Kretschmer die Moderation von Shopping Queen zu entziehen? Klaus Wowereit abzusetzen? Guido Westerwelle nach Russland zu verbannen? Natürlich nicht.

In der echten Welt, im wirklichen Leben, sind Homosexuelle längst akzeptierter Teil der Gesellschaft. Wir haben schwule Kollegen und Freunde, werden von Homosexuellen regiert, gehen zu homosexuellen Ärzten, Steuerberatern, Rechtsanwälten und natürlich Friseuren. Und das seit Jahrzehnten. Einen schwulen Fußballer werden wir sicherlich verkraften. Dass wissen aber nur wir. In Regierungskreisen scheinen Schwule hingegen noch eine Sensation zu sein.

Sofort nach Bekanntgabe der sexuellen Orientierung Hitzlspergers sah sich die Bundesregierung daher zu sofortigem Handeln veranlasst und schickte alarmiert Steffen Seibert an die Front. „Wir leben in einem Land“, ermahnte der Regierungssprecher am Mittwoch das Volk, „in dem niemand Angst haben sollte, seine Sexualität zu bekennen nur aus Angst vor Intoleranz.”  Rechnete man etwa mit homophoben Aufmärschen, die das Land ins Chaos stürzen würden? Oder hält man uns schlicht für einen Haufen kindischer Idioten, denen man bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Grundregeln menschlichen Anstandes einbläuen muss?

Auch das ZDF scheint uns nicht über den Weg zu trauen und ließ ebenfalls gleich am Mittwoch Klaus Kleber auf uns los: „Es wird Zeit“, forderte er gleich zu Beginn des Heute Journals, „ dass sich die Gesellschaft endlich als immer noch befangen outet!“ In vielen von uns schlummerten Ressentiments und Vorurteile gegen Homosexuelle, wusste er und legte deutlich nach: „Was bedeutet es wohl, dass sich Thomas Hitzlsperger erst nach dem Ende seiner aktiven Karriere geoutet hat!“

Hitzlsperger selbst hat die Frage damit beantwortet, dass es einen Entwicklungsprozess gegeben habe und ihm seine Homosexualität erst spät bewusst geworden sei. Das macht Sinn. Immerhin hatte er acht Jahre lang in einer heterosexuellen Beziehung gelebt. Das Verbreiten von Fakten ist aber nicht die Aufgabe einer Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wen interessiert schon der Umstand, dass Hitzlsperger tatsächlich nie behauptet hat, Angst vor einer durch und durch homophoben Gesellschaft zu haben? Wieso sollte es von Belang sein, dass Hitzlsperger geäußert hatte, selber über Schwulenwitze lachen zu können, sofern sie gut seien? Was nützt Klaus Kleber denn ein entspannter Homosexueller, der mit sich und der Welt im Reinen ist? Konsequenterweise ließ er also Hitzlspergers Stellungnahme zu seinem späten Outing unter den Tisch fallen und fuhr stattdessen mit seiner Anklage fort: „Wie viele Menschen in Deutschland gibt es denn,“ klagte Kleber, „die sagen‚ ich habe nichts gegen Homosexuelle, bin aber froh, dass mein Sohn nicht schwul ist!“

Kaum welche, möchte man vermuten. Die wenigsten von uns haben in der wirklichen Welt einen echten Menschen diesen Satz sagen hören. Wird ein Kind geboren, sind die Eltern erst mal froh, wenn es gesund ist. Dann fangen sie damit an, es zu lieben wie es ist. Tägliche, an das Schicksal adressierte Danksagungen von Eltern heterosexueller Kinder kommen in der Realität so gut wie nie vor. Man ist in der Regel mit anderen Problemen beschäftigt. Mitunter auch damit, dem Nachwuchs beizubringen, mit Spott und Hohn von Klassenkameraden umzugehen. Davor sind bekanntlich die Wenigsten gefeit.

Klaus Kleber schließt seinen Vortrag mit gewohnt ernstem Blick und einem resignierten Seufzer:  „Von Gleichheit keine Spur.“

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Klaus Krafft / 13.01.2014

Oh Karsten! Das war ein Schuß in den Ofen.

Christopher Reiss / 11.01.2014

Das Interessante an der Geschichte ist nicht das “Nichts”, sondern der daraus resultierende “Lärm”. Und dieser “Lärm” äußert sich gerne in Sätzen, anhand derer man Homophobe so sicher erkennen kann wie Alkoholiker an ihrer Fahne: “Outing kommt viel zu spät” , “das hätte er während seiner Karriere machen müssen” .... Das Bedürfnis “Toleranz” zu zeigen ist bei diesen Leuten dermassen ausgeprägt, daß Begriffe wie Privatssphäre oder Intimität keine Gültigkeit mehr besitzen. Denn schliesslich will man jedem in seiner Umgebung seine “Nicht”-Homophobie beweisen, und da kann ein “Outing” gar nicht schnell genug von statten gehen. Der derzeit durchs Land hallende “Lärm” ist eine Kombination aus Homophobie(die sich idR vor allem gegen Männer richtet), Pseudo-Toleranz(Bundesregierung) und der bei solchen “Schlüssellochthemen” handelsübliche Voyeurismus. Wenn man über diese Dinge reden würde, hätte sich das “Nichts” vielleicht sogar gelohnt.

Fiona Allen / 11.01.2014

Frau Szabo, sie sagen: “Tatsächlich reagieren wir gar nicht. Was sagt das also über unsere Gesellschaft aus? Dass Homosexualität in der wirklichen Welt nichts Spektakuläres ist?” Aber so ist es ja nicht. Wie immer hilft Wikipedia: “. . . in einer repräsentativen Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2000 (schätzten) sich etwa nur 1,3 bzw. 0,6 Prozent der in Deutschland lebenden Befragten als schwul bzw. lesbisch sowie 2,8 bzw. 2,5 Prozent als bisexuell ein.” Da lassen sich die Deutschen also von 0,6 bis 2,5 ihrer Bavölkerung wie ein Tanzbär am Nasenring vorführen. Denn leider ist es so, dass die sexuelle Orientierung sehr wohl eine Rolle spielt und uns das auch tagtäglich hingerieben wird. Angefangen bei na sagen wir mal “unanständigen” Zurschaustellungen wie dem CSD und den anderen Schwulenparaden, bis hin zum “schwullesbischen” Altersheim. (Man möge sich doch einmal vorstellen, was passiert, wenn jemand versuchen würde ein “heterosexuelles” Altershein zu eröffnen.) Wenn die sexuelle Orientierung eines Ex-Fußballspielers Schlazzeilen macht, wenn schrill wieder und wieder “gleiche Rechte”, wie Ehe, Familie,  Adoption gefordert, und—Salamitaktik—auch gewährt werden. Was kommt als nächstes im Namen der Gleichberechtigung? Führerschein für Blinde?

Dorothea Pietrek / 11.01.2014

Liebe Katharina Szabo, Danke für diesen Artikel. Es ist immer eine Freude, kluge Worte und Geisteswitz geschenkt zu bekommen. Einen herzlichen Gruß Dorothea Pietrek

Karsten Troyke / 11.01.2014

Ja, genau! Einfach die Probleme ignorieren, alles in Ordnung, ist alles nur Lärm um nichts. Für wen was ein Problem ist, bestimmen wir…. Hab Dich nichts so. Belästige uns nicht mit Deinen Befindlichkeiten. Sei einfach nicht da. Du bist schließlich nicht der Mittelpunkt der Welt. Gott, ja, wenn man auffällt, wird man halt mal zusammengeschlagen, selbst schuld. Es gibt echte Probleme. Deine sind keine. Reiß dich zusammen und Hände an die Hosennaht.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Katharina Szabo / 03.12.2018 / 10:00 / 24

Kitabroschüren: Zöpfe unterm Kopftuch

Kinder aus islamischen Haushalten kann man in der Regel sehr einfach erkennen. Die Mädchen tragen bereits im Kitaalter Niqab, Hijab oder Kopftuch, sind auch bei sommerlicher Hitze…/ mehr

Katharina Szabo / 21.05.2018 / 17:00 / 6

Männer und Jungs zuerst

Wandert man in ein anderes Land aus, in der Absicht, sein Leben fortan dort zu verbringen, ist es vernünftig, sich mit den Gepflogenheiten der neuen…/ mehr

Katharina Szabo / 06.04.2018 / 14:00 / 10

Vermahnt ihn, meidet ihn im Ehebett und schlagt ihn!

In der Frage, ob die im fundamentalen Islam vorgeschriebene Verhüllung der Frau unter Burka, Niqab oder Kopftuch nun gut oder schlecht sei, ist Deutschland gespalten.…/ mehr

Katharina Szabo / 15.01.2018 / 06:29 / 13

GroKo importiert Sozialhilfe-Großstadt – jedes Jahr

Einer der „großen Brocken“, der nun in den Sondierungsgesprächen der alten wie neuen Regierung aus dem Weg geräumt wurde, war die Frage der Migration nach…/ mehr

Katharina Szabo / 23.12.2017 / 06:25 / 21

Dr. Brüderle oder: Wie ich lernte, die Burka zu lieben

Von Katharina Szabo Beschäftigt man sich mit der Geschichte der Frauenrechte des späten 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts in Deutschland, so kommt man nicht um ein…/ mehr

Katharina Szabo / 10.10.2017 / 16:06 / 11

Schrödingers Katze ist schlauer als Frau Peter

Der österreichische Physiker Erwin Schrödinger formulierte im Jahr 1935 ein Gedankenexperiment, um zu veranschaulichen, dass die Regeln der Quantenmechanik zu paradoxen Ergebnissen führen, würde man…/ mehr

Katharina Szabo / 21.08.2017 / 13:07 / 15

In drei Schritten zur Gleichgültigkeit

Das Drama eines islamistischen Terroranschlags in Europa hat immer drei Akte. Im ersten Akt fahren Muslime - in der Regel Einwanderer aus islamischen Ländern oder, wie im…/ mehr

Katharina Szabo / 26.05.2017 / 16:45 / 20

Von Muslimen lernen heisst, Toleranz lernen!

Eine Chance für Deutschland, für  Christen und alle anderen, so sieht es Bundesfinanzminister Schäuble, liege in der zunehmenden Einwanderung von Muslimen. Während eine Einwanderung von Hindus,…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com