Moritz Mücke, Gastautor / 19.10.2017 / 12:00 / Foto: Jonathunder / 2 / Seite ausdrucken

Vertrauen ist gut, Bitcoin ist besser

Von Moritz Mücke

Ich beginne mit einem Eingeständnis: Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal über Bitcoin las, ignorierte ich die Kryptowährung. Sie erinnerte mich irgendwie an PayPal und schien nichts wirklich Neues mit sich zu bringen. Möglicherweise könnte man sie benutzen, um unsere Zentralbanken mit Konkurrenzdruck ehrlich zu halten, aber eine Revolution hatte nicht stattgefunden. Im Internet wird ständig etwas „gehackt“, warum sollte man ausgerechnet das eigene Geld in diese Sphäre verlagern?

Heute weiß ich es besser. Denn ich habe mich endlich hinreichend informiert über die Datenbank-Technologie, auf der Bitcoin und andere Kryptowährungen basieren. Der Motor unter der Haube heißt Blockchain, also Blockkette, und ist ein Stück Software, das es möglich macht, ein dezentrales Informationssystem zum Laufen zu bringen, das zu manipulieren quasi unmöglich ist. Das geschieht dadurch, dass jeder neue Block von Information – etwa „Petra überweist 20 Bitcoin an Paul“ – mit einer Prüfsumme verschlüsselt wird, die wiederum im nachfolgenden Block referenziert und verifiziert wird.

Die Verschlüsselung ist quasi unknackbar, da jeder Benutzer über eine Kopie der gesamten Blockkette verfügt. Bei Bitcoin handelt es sich also um eine Art verteiltes Kassenbuch, das schlicht keine Angriffspunkte für Betrug bietet. Dabei gibt es den Anreiz für alle, die Computer-Power für die Verrechnung der Blockkette bereitstellen, dadurch selber Bitcoins zu verdienen. Das bedeutet zwar Inflation, aber ist für jeden Nutzer nachvollziehbar und voraussehbar.

Das bedeutet nicht, dass Sie Bitcoin vertrauen können. Um genau zu sein, bedeutet es, dass Sie Bitcoin nicht vertrauen müssen. Mit der Dezentralisierung der Information entzieht sich die Blockkette der Notwendigkeit der Überprüfung, weil jeder Nutzer permanent zu der Verifikation aller Transaktionen beiträgt. Als ich dies verstanden hatte, sicherte ich mir meine ersten Bitcoin-Anteile. Die Zukunft ist eben auch nicht mehr das, was sie mal war.

Stammesgesellschaften mit Technologie umgehen

Noch größer allerdings ist das Potential der Blockchain-Technologie für die globale Politik, und hier im Besonderen für die ärmeren Länder der Welt. Der Grund ist die oft verschwiegene Tatsache, dass die fundamentale Ressource einer jeden Gesellschaft Vertrauen ist. Es ist unerheblich, welche materiellen Schätze eine Nation birgt: Ohne Vertrauen gibt es Korruption, Nepotismus, Tribalismus. In solchen Ländern bevorzugt das Individuum immer den Clan gegenüber der Nation. Dieses Muster ist besonders in „multikulturellen“ Gesellschaften anzutreffen.

Sogar die scharflinke "New York Times" sah sich unlängst gezwungen, zuzugeben, dass eine multikulturelle Gesellschaft weniger Vertrauen erzeugt als eine eher homogene. Dazu gehört übrigens auch das Phänomen der Blutsverwandtschaft, das gewisse, gesellschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. (Hier sehen sie eine Karte von der Verbreitung der Blutsverwandtschaft. Und hier können Sie lesen, warum das eventuell problematische Konsequenzen haben kann. Das Fallbeispiel Deutschland hat ausgerechnet die "taz" mutig eruiert.)

Ich lebe lieber in einer Gesellschaft mit gegenseitigem Vertrauen als in einer korrupten Stammesgesellschaft. Aber einen Bürger eines armen, afrikanischen, multikulturelleren Landes wird dies kaum trösten. Vielmehr ist es nötig, die akuten Herausforderungen der Stammesgesellschaften entweder zu lösen oder zu umgehen. Letzteres kann durch die Blockchain erreicht werden.

Da die Blockchain eine quasi unknackbare Datenbank ist, eignet sie sich hervorragend für die Sicherung sensibler Daten. In Afrika könnte dadurch etwa ein Katasteramt beziehungsweise Grundbuch für das Eigentum von Landanteilen entstehen, ohne Rücksicht nehmen zu müssen auf tribalistische Konflikte. Der Clou an der Blockchain ist nicht, dass sie Vertrauen schafft, sondern, dass sie Vertrauen überflüssig macht. Wenn ein Vorgang, der auf Informationen reduziert werden kann, in die Blockchain integriert wird, ist plötzlich keine - selber für Korruption anfällige - Autorität oder Instanz mehr nötig. Die dezentralisierte Blockkette übernimmt schlicht die Verifizierung der Information und macht Vertrauen somit überflüssig.

Deshalb können wir Hoffnung schöpfen für die wahrlich verarmten Regionen dieser Erde. Wenn sie die Blockchain nutzen, um Vertrauen zu umgehen, dann werden sich ihre strukturellen Schwächen in Luft auflösen. Freilich, die Voraussetzung dafür ist nur gegeben, wenn sich nationale bzw. internationale Institutionen aus der neuen Geldverwendung heraushalten. Bitcoin ist ein Versprechen. Lasst es uns halten und den Ärmsten eine Chance geben!

Moritz Mücke studiert Politik an der Graduiertenschule des Hillsdale College in Michigan. 2015 ist er ein Publius Fellow am Claremont Institute.

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Leserpost

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Thomas Supinski / 20.10.2017

Danke für den Text. Das Thema is echt kompliziert. Aber Du bringst es aufn Punkt! BITTE weiter so, kollege

Karla Kuhn / 19.10.2017

Klingt ganz gut aber ob die Despoten, die die Länder regieren das auch so sehen ? Keine Korruption mehr ? Außerdem müßten dann diese Ländern, von denen die meisten gar nicht arm sind, weil sie wertvolle Bodenschätze haben, die nur der Bevölkerung nicht zugute kommen, bis in den hintersten Winkel digitalisiert werden. Teile der Bevölkerung sind Analphabeten. Das ist für mich Utopie. Ich selber bin auch nicht begeistert, nur bares ist wahres. Da bin ich altmodisch. Wenn es zu einem Gau oder zu einer Revolution kommt, ist das digitale Geld futsch.

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