Antje Sievers / 08.10.2014 / 23:36 / 3 / Seite ausdrucken

Urlaubsgrüße aus dem Backofen

Ein Naturbad in Galiläa, nahe an den Gilboa-Bergen, von deren kühlen Gipfeln man einen Blick auf Jenin in der Westbank werfen kann, heißt Gan Haschloscha. Dank warmer Quellen lässt sich hier in herrlicher Umgebung rund ums Jahr baden. Heute sind 33°, aber trotzdem sind nicht gera-de viele im Wasser. Die arabischen Familien aus den umliegenden Dörfern lagern stattdessen am Rande und grillen. Es sind die Tage des islamischen Opferfestes. Die Männer tragen kurze Hosen und Feinrippunterhemden und lassen sich’s wohl sein; die Frauen sind, bis auf ein paar Ausnah-men, von Kopf bis Fuß verhüllt. Zwei Frauen sind sogar im Wasser, in Ganzkörperbadeanzügen, über denen zusätzlich noch ein Hemd getragen wird. Umso mehr Aufmerksamkeit erregen Touristinnen im Bikini. Junge Araber pirschen sich in ihre Nähe und können es nicht fassen. Ein paar der verhüllten Frauen tunken die Fußsohlen ins Wasser, dann schleichen sie zurück in den Schatten und grillen weiter. Jeder Spinner, der meint, Ganzkörperverhüllung wäre statt einer massiven Menschenrechtsverletzung eine wundervolle kulturelle Bereicherung, sollte auch mal die Erfah-rung machen, bei diesen Temperaturen von den Augenbrauen bis zum großen Zeh in billige Kunstfaser gehüllt und mit absolutem Badeverbot belegt zu sein. Vielleicht würde das helfen.

Die Checkpointszene aus dem Film „Paradise Now“ kommt mir in den Sinn, wo eine Palästinen-serin vor dem israelischen Soldaten steht:
In Jeans und weit offener Bluse, mit offenem Haar, stolz, jung und schön, während der Soldat aussieht wie Hassan Nasrallah ohne Turban. Er spricht nicht einmal mit ihr, sondern winkt sie nur mit Schimpansenartiger Gestik durch den Checkpoint. Eine fatale Verdrehung der Wirklich-keit.
Es spricht vieles dafür, im Herbst nach Israel zu fahren, Es ist zwar immer noch heiß, aber erträg-lich heiß. Abends kühlt es angenehm ab. Der Sommerhitze kann man dagegen überhaupt nicht entrinnen. Sie steht wie eine Wand zwischen den Häusern. Wenn man die Haustür öffnet, ist es als risse man den Backofen auf. Die Fenster braucht man gar nicht erst zu öffnen. Frische Luft kommt sowieso nicht herein. Allenfalls Kakerlaken oder embryonenhafte rosafarbene Geckos, die dann wie auf Speed die Wände hoch und runter rasen. Und seit ich mal mitten in der Nacht von einer Kakerlake geweckt wurde, die auf meinem Bauch Power-Walking machte, bin ich schwerstens traumatisiert. Die Fenster bleiben also lieber zu.

Außerdem gibt es im Herbst jede Menge Feiertage, die in Tel Aviv für ungewöhnliche Ruhe sor-ge: Rosch Haschana, Jom Kippur und Sukkoth. Jom Kippur ist der höchste jüdische Feiertag. Fromme Juden fasten nach Sonnenuntergang fünfundzwanzig Stunden lang und in den Synago-gen herrscht Hochbetrieb. Auch in Tel Aviv sieht man Scharen von weißgekleideten Gläubigen den Synagogen zustreben. Doch für die meisten ist Jom Kippur in erster Linie der große Nichts-geht-mehr-Tag. Alle Geschäfte sind zu, Radio und Fernsehsender eingestellt, der Flughafen ge-schlossen. Ab 16:00 Uhr fährt kein einziges Auto mehr auf den Strassen.

Und nach Sonnenunter-gang geht es rund: Alle sind dann unterwegs, Mütter, Väter und die vielen hübschen Kinder. Auf jedem nur denkba-ren Untersatz mit Rädern: Fahrräder, Roller, Rollerblades, Skateboards, Dreiräder, Laufräder, egal was. Die Kinder sind schier außer sich vor Vergnügen. Sie rasen wie verrückt die abschüssi-gen Straßen herunter und brüllen sich gegenseitig zu: Jom Kippur! Jom Kippur! Und so geht das Geklingel, Gerase und Gejachter bis tief in die Nacht hinein, denn schließlich wird es wieder ein ganzes Jahr dauern, bis so was Schönes geboten wird. Straßenkreuzungen, die in Tel Aviv zu jeder Tages- und Nachtzeit ohne Ampel völlig unpassierbar sind, sind anderntags über und über mit bunter Kreide bemalt. Und die Luftbelastung ist prompt um über neunundneunzig Prozent gesunken …

Auffallend ist in Israel, mit welchem Stolz, welcher Seelenruhe und wie viel Freude die Väter immer mit ihren vielen Kindern umgehen. Sich um den Nachwuchs zu kümmern, ist für sie etwas Selbstverständliches. Schade, dass man hier und heute keinen dieser deutschen Männerversteher hier hat, die behaupten, Männer würden durch solche Tätigkeiten in ihrer Würde verletzt und ihrer Männlichkeit beraubt.

Los, würde ich sagen, geh mal hin zu dem muskelbepackten Traum von einem Mann dort, der gerade mit stolzgeschwellter Brust seine reizende Tochter auf dem rosa Dreirad ausführt. Gehe hin und sage ihm, dass er kein richtiger Mann ist, wenn du dich traust. Er wurde drei Jahre in den IDF ausgebildet. In einer halben Minute würde er mit dir den Boden aufwischen, mein Freund.

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Leserpost

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Bastian Leibold / 09.10.2014

Schon antike Autoren wie Claudius Ptolemäus haben aus Nordafrika und dem Nahen Osten von der Aggressivität der Bewohner, vom starken Sexualtrieb der Männer und der Verschleierung und Wegsperrung der Frauen berichtet - lange vor dem Islam.

Carsten Riedel / 09.10.2014

Genau das sind die Gründe, im nächsten März wieder für eine Woche nach Tel Aviv zu fliegen, morgens auf dem Flachdach eines kleinen Familienhotels die Aussicht auf das Mittelmeer zu genießen -  nur ab und zu surrt ein Hubschrauber durch das Bild (ja, die israelischen Militärhubschrauber fliegen tatsächlich!) - und sich abends in den Trubel der jungen Stadt zu stürzen. Wenn es noch eines Anstoßes bedurfte, eine Patenschaft zu übernehmen, dann sind es solche Beiträge. Nächste Woche, fest versprochen! Carsten Riedel

Karl Mistelberger / 09.10.2014

Sonnenunter-gang ge-schlossen. gera-de usf. Vielleicht können Sie die Einstellungen Ihres Textprogramms ändern, um die lästigen Binnen-Bindestriche zu vermeiden. Herr Miersch hat es bei einem seiner Artikel bereits getan. Mit freundlichen Grüßen Karl Mistelberger

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