Dirk Maxeiner / 07.08.2011 / 16:51 / 0 / Seite ausdrucken

Unter Leugnern

In grauer Vorzeit, also vor etwa 20 Jahren, wusste der gemeine Bürger noch ziemlich genau was das Wort „leugnen“ bedeutet. Im Fernseh-Krimi leugnete der Verbrecher, dass er an einem Bankraub beteiligt gewesen sei oder einen Mord begangen habe. Meistens leugnete der Kriminelle „hartnäckig.“ So wie auch jene Spezies, die behauptete der Holocaust habe niemals stattgefunden. Es gibt solche Typen bis heute, zu den prominenteren zählen der britischen Bischof Richard Williamson und der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad.

In jüngster Zeit ist nun eine ganz neue Art von Leugnern hinzugekommen, beispielsweise der „Klima-Leugner“. Unter bewusster Anspielung auf die Holocaust-Leugnung sollen politische Gegner und Andersdenkende mit diesem Etikett stigmatisiert und eine offene Debatte verhindert werden.  Wer leise Zweifel an diesem oder jenem Aspekt der These von der katastrophalen globalen Erwärmung hegt, befindet sich ruckzuck in Gesellschaft der Angeklagten der Nürnberger-Prozesse, von Bischof Williamson und Ahmadinedschad. Ganz so, als könne man die Leugung eines Verbrechens, das in der Vergangenheit stattgefunden hat, mit Zweifeln an einer für die Zukunft befürchteten Katastrophe vergleichen.

Aber man kann natürlich, wenn man sich anstrengt. Die Verfechter der These von der Klimakatastrophe haben jedenfalls sorgsam an der Durchsetzung des Begriffes „Klima-Leugner“ gearbeitet. Dafür musste man das Vorhandensein der modernen Industrie-Gesellschaften erst einmal mit dem Holocaust gleichsetzen. Für den Klimaschutz-Apologeten Al Gore ist „die Evidenz einer ökologischen Kristallnacht so klar wie das Klirren der zerberstenden Scheiben im Berlin.“ Für den bekannten amerikanischen Klimaforscher James Hansen stellt sich mit Blick auf kalbende Gletscher die Frage: „Können diese krachenden Eismassen als eine Kristallnacht dienen, die uns aufweckt?“ Angesichts eines mit Kohle beladenen Güterzuges fühlte er sich zu der Bemerkung veranlasst: „Wenn wir es nicht schaffen den Bau neuer Kohlekraftwerke zu verhindern, dann sind dies Todeszüge - nicht weniger grausam als die Waggons, die ins Krematorium fuhren.“  Für letztere Bemerkung hat er sich dann wenigstens entschuldigt.

Das fiel ihm leicht, die Fans hatten ja bereits verstanden. Die amerikanische Zeitschrift „Grist“ forderte für „Leugner“ Verfahren „im Stil der Nürnberger Prozesse“. Und der britische Umweltaktivist George Monibot machte den weiterführenden Vorschlag: „Jedesmal, wenn jemand infolge einer Überschwemmung in Bangladesh ertrinkt, sollte man einen Angestellten einer Fluggesellschaft aus seinem Büro zerren und ertränken.“ Nun droht das Interesse an der globalen Erwärmung etwas abzukühlen (was auch daran liegen mag, dass die globale Temperatur seit zehn Jahren auf einem - zugegebenermaßen hohen - Niveau verharrt und nicht weiter steigt). Der hartnäckigste Klima-Leugner ist - und das war nicht vorgesehen - das Klima selbst.

Doch es gibt ja noch andere streitbare Themen, in denen die Rolle des „Leugners“ unbedingt besetzt werden muss. Beispielsweise die Debatte über den Islam, den Islamismus und die damit verbundenen Begleiterscheinungen. Autoren wie Thilo Sarrazin trafen die lange beschworene Multikulti-Idylle ins Mark. Diejenigen, die dieses potemkinsche Dorf gerne weiter aufrechterhalten hätten, reagierten entsprechend verärgert. Aber es gelang ihnen nicht, ihre Kontrahenten so richtig ins moralische Abseits zu stellen. Diese Gelegenheit sieht man aber offensichtlich mit dem Attentat von Norwegen gekommen. Die grüne Claudia Roth spricht im Zusammenhang mit islamkritischen Stimmen von einer „Leugnung der Realität des Islam“. Das Magazin Der Spiegel, wortschöpferisch schon immer auf der Höhe der Zeit, bemühte prompt das Zauberwort: „Islam-Leugner“. Merke: Der Islam-Leugner sitzt zusammen mit dem Massenmörder von Norwegen auf der Anklagebank. Dort könnte es eng werden, schließlich muss auch jene Mehrheit der Schweizer da Platz nehmen, die sich gegen den Bau von Minaretten aussprach.

Es wimmelt derzeit nur so von Leugnern. Nach den Klima-Leugnern und den Islam-Leugnern folgen demnächst wohl die „Euro-Leugner“. Das sind dann jene Zeitgenossen, die die segenreiche Wirkung der europäischen Währung auf ihr Erspartes in Frage stellen. Die Schweizer waren ja schon immer Euro-Leugner, die Deutschen auch, nur hat man sie vorsichtshalber nicht gefragt. Auch beim Euro geht es darum, seine Existenz als etwas Unabweisbares und Alternativloses darzustellen. Soll das eigene Weltbild durchgesetzt werden, muss es zunächst einmal als allgemein anerkannte Wahrheit etabliert werden. Und wer anders denkt - auf neudeutsch leugnet - ist dann ein ganz Böser.

Es gibt sogar schon mehrfach Leugner, also Personen die etwa das Klima und den Islam leugnen, die bekommen zweimal lebenslänglich in der Hölle. Die Strafe ist allerdings nichts Neues. Historisch wird leugnen ja auch auf religiöse Wahrheiten bezogen, etwa die Unsterblichkeit der Seele, das Dasein Gottes oder die Gottheit Christi. Und an deren Stelle treten nun Dinge wie die Dreifaltigkeit des Klimas, die Unantastbarkeit des Islam und die Heiligkeit des Euro. Wer keine Einsicht in das Unabweisbare zeigt, ist ein Leugner und stellt sich außerhalb der Gesellschaft. Problematisch wird die Sache allerdings, wenn eine Mehrheit der Bürger außerhalb der Gesellschaft steht, wie etwa beim Minarett-Entscheid. Da stand ja eigentlich nur der medial-politische Komplex innerhalb der Gesellschaft. In solchen Fällen schlägt stets die Stunde jener, die vorgeben, die Menschen vor sich selbst beschützen zu müssen. Man könnte sie auch Demokratie-Leugner nennen.

Erstmals erschienen in der Basler-Zeitung vom 5.07.2011

 

 

 

 

 

 

 

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