Walter Krämer / 31.05.2017 / 17:00 / Foto: Vmenkov / 5 / Seite ausdrucken

Unstatistik des Monats: Trend nach Wunsch bei Pflanzengift

Die Unstatistik Mai ist eine in vielen Medien wiedergegebene Warnung vor steigender Nutzung von Pflanzengift in der deutschen Landwirtschaft. So titelte die Berliner Zeitung am 12. Mai „Über 34 000 Tonnen – Bauern spritzen immer mehr Pflanzengift“. In Wahrheit gibt es aber keinen Nachweis, dass die Nutzung ansteigt.

Die Zeitreihe der jährlich in Deutschland verkauften Pflanzengifte schwankt nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – vor allem witterungs- und preisbedingt – zwischen 30.000 und 35.000 Tonnen. So erhält man beim Vergleich der Jahre 2009 (30.162 Tonnen) und 2015 (34.752 Tonnen) einen positiven Trend. Vergleicht man hingegen die Jahre 2008 (34.664 Tonnen) und 2014 (34.514 Tonnen), erhält man einen leicht negativen Trend. Und der würde mit den neuen Zahlen aus 2016 – noch nicht in den obigen Meldungen enthalten - sogar noch stärker, da sich nach Angaben des Industrieverbands Agrar e.V. (IVA) der Absatz im Jahr 2016 stark rückläufig entwickelt hat. Offizielle Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit für das Jahr 2016 liegen bisher nicht vor.

Jede Zeitreihe, die zufällig um eine Konstante herum schwankt, hat, wenn man in einem Tal anfängt und auf einem Berg aufhört, einen positiven Trend. Und umgekehrt erzeugt man einen negativen Trend beim Start auf einem Berg und Ziel in einem Tal. Wie man an der unten stehenden Abbildung leicht erkennen kann, kann man damit sehr unterschiedliche Aussagen erzeugen, je nachdem welches Jahr man zum Vergleich heranzieht.

Die gleiche Methode – ein Tal auszuwählen und oben am Berg aufzuhören – wird auch gerne von Investmentfirmen verwendet, die bei potenziellen Kunden den Eindruck erwecken möchten, dass der Wert ihres Produkts stets nach oben geht. Die Moral der Geschichte ist: Lassen Sie sich immer die ganze Kurve zeigen.

Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de .

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Leserpost

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Lothar Hannappel / 01.06.2017

Die Deutsche Landwirtschaft ist gut aufgestellt. Sie kann unser Land ernähren, ja sogar exportiern. Auch dank Glyphosat und Dünger, wie in fast allen Ländern dieser Erde. Dank Pflanzenschutz und Dünger haben wir Wohlstand und keine Not. Ähnlich wie bei der Energiesichherheit. Auch hier will man nun wohl die Axt anlegen.

Stefanie Zeidler / 01.06.2017

Die Angabe von “Tonnen Wirkstoff” ist an sich schon irreführend: generell kann man sagen, daß die Aufwandmenge bei Herbiziden höher ist, als bei Fungiziden oder Insektiziden. Ein Jahr mit höherem Pflanzenschutzmitteleinsatz kann einfach eins mit hohem Unkrautdruck gewesen sein. Ein sinkender Wirkstoffeinsatz kann auch bedeuten, daß die Gifte potenter geworden sind, in geringerer Konzentration wirken. Nicht zuletzt sagt die Wirkstoffmenge nichts aus über die Schädlichkeit für die Umwelt: Ein Mittel kann in höherer Dosis verwendet werden, sich aber besser abbauen und daher eine geringere Persistenz im Boden oder Grundwasser haben. Eine Statistik, die alles in einen Topf wirft kann naturgemäß nocht sehr aussagekräftig sein.

Horst Girmann / 31.05.2017

Verkehrsstatistiken: Da möchte mal “die ganze Kurve” sehen, da, behaupte ich ganz frech, wird seit Jahren gelogen, was der Asphalt hergibt.

C. Fertig / 31.05.2017

Hallo Herr Walter Der Schaden der mit Nutzung solcher Gifte einhergeht ist auf jedenfall enorm, es werden ja nicht nur die Schadinsekten weggespritzt sondern so ziemlich alles an Insekten und dann wundern sich alle warum es so wenig von Vogel XYZ gibt. Gerade auch die Bestäuberinsekten verrecken scharenweise. Ich habe auch schon gesehen das Bauern selbst wärend der Blüte des Rapses das Feld spritzen, das Ergebnis war der Tod aller Bienenvölker im benachbarten Bienenstand meines Vaters. Dank Intensivierung der Landwirdschaft, Monokulturen (besonders auch von Energiepflanzen), fehlender oder geänderter Fruchtfolgen, Einsatz von Saatgut welches nur mit massiven Einsatz von Dünger und “Pflanzenschutzmitteln” hohe Erträge bringen wird auch das Artensterben intensiviert. Was die Statistik da nun aussagt oder nicht, der Einsatz jedes Liters dieser Gifte ist ein Liter zuviel und sollte an strenge Auflagen und intensive Schulungen der nutzenden Landwirte gebunden sein und vor allen Dingen auch überprüft und Verfehlungen sanktioniert werden. Gruß C. Fertig

Frank Müller / 31.05.2017

Laut dem Umweltbundesamt: “Der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in Deutschland lag zwischen 1995 und 2005 mit Ausnahme des Jahres 1998 bei etwa 35.000 Tonnen (t) Wirkstoff. Seit 2006 ist der Inlandsabsatz angestiegen und beträgt nun fast mehr als 49.000 t Wirkstoff (im Jahr 2015). ” Außerdem wird im Artikel von “topagrar” nur der Umsatz von Pflanzenschutzmitteln genannt, und der ist nicht gleichbedeutend mit der verkauften Menge. Sie können eine Tonne für 5000 Euro verkaufen, aber auch zwei Tonnen für 4000, wenn der Konkurrenzdruck zu groß ist. Die verkaufte Menge wäre doppelt so groß, aber der Umsatz kleiner.  

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