Aber bei allem Lob der Vielfalt sollte man nicht vergessen: Nur Europa als Ganzes kann in einer Liga mit USA, China, Russland und den diversen aufstrebenden Mächten mitspielen. Wollen wir Europäer wirklich darauf verzichten? Wer sagt denn dass Demokratie auf Europa-Ebene nicht funktionieren kann? Es wurde doch nie richtig versucht. Oder ist es etwa Demokratie wenn das Parlament noch nicht einmal eigene Gesetzesentwürfe einbringen darf? Wie die Deutschen lässt sich Europa zwingen, zwischen Demokratie und Kleinstaaterei zu wählen. Wir sollten aus der Geschichte lernen und KEINES gen Beidem aufgeben!
Selbstverständlich sind die Europäer unterschiedlich und die nötigen Kompromisse haben die EU zu einem recht komplizierten und langsam arbeitenden Gebilde gemacht. Aber das ist kein Konstruktionsfehler, sondern das ermöglicht eben die Unterschiede auszuhalten und trotzdem etwas gemeinsam zu machen. Brüchig war diese Konstruktion nie, sondern im Gegenteil über Jahrzehnte erfolgreich. Was die aktuellen Probleme verursacht hat waren nicht an den Tag tretende “Konstruktionsmängel”. Sondern aktive der EU schadende Politik des größten, reichsten und zentral liegenden Mitgliedslands. Merkel hat eigenmächtig die gemeinsam erarbeiteten Regeln und Vereinbarungen gebrochen, hat die Partner nicht einmal informiert über ihre Alleingänge (der mit den Flüchtlingen ist ja nicht der erste) und erwartet dann hinterher Gehorsam und die Hilfe der Partner bei der Behebung des von ihr angerichteten Schadens. So eine dumme und rücksichtslose Außenpolitik kann natürlich nicht funktionieren. Und die EU kann auch gegen eine solche Politik nichts Wirksames machen. Es bleibt allen Beteiligten nur, auf den Regierungswechsel in Deutschland zu hoffen.
Merkel hat sich aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit, z. B. zum Regeln der Euro- u. Bankenkrise, sicher gefühlt, daß sie ihre Politikrichtung, u. a. gerichtet gegen den allseits gescholtenen Undemokraten Orban u. seine wenigen letztes Jahr sich bekennenden Gleichgesinnten, nach bewährter Art mit den Brüsseler Zentralisten Juncker u. Schulz wird durchsetzen können. Sie wurde ja auch unisono als Ideengeberin einer großen humanitären Aktion gefeiert. Erst als sie großzügig verkündete, daß die anderen als Akt der europäischen Solidarität nun die wieder im kleinen Bestimmerkreis festgelegten Quoten an “Flüchtlingen” zu übernehmen hätten, solidarisierte sich der Widerstand gegen deutsches moralisierendes Führergebaren und gegen den dirigistischen Moralzeigefinger der beiden ersten Brüsseler Selbstdarsteller. Das Ergebnis ist, daß Merkel ziemlich einsam in ihrem Kanzleramt sitzt u. sich nur noch mit Glückwünschen eines Mr. Clooney trösten kann, die Eurokraten vorsichtshalber ganz abgetaucht sind, um nicht in den Strudel der “Entsolidarisierung” hinein gezogen zu werden, den die sich zunehmend erstmals mit der Nennung ihrer eigenen Interessen äußernden Staatengruppen innerhalb der EU in Bewegung gesetzt haben, zum Staunen der selbstherrlichen bisherigen Protagonisten. An deren Stelle versuchen gerade mal wieder die Außenminister Steinmeier u. Asselborn (Lux.) mit dem Schwingen der Finanzkeule (= Entzug von EU-Geldern) Solidarität zu erzwingen. Dies dürfte eher das Gegenteil bewirken u. die verschiedenen Interessengruppen eher weiter auseinander driften lassen.
Des Autors Plädoyer für ein lockereres Europa unterstütze ich voll. Die deutsche Idee, dass es uns allen besser geht, wenn wir miteinander quasi verschmelzen, halte ich für eine deutsche Persönlichkeitsstörung, einer Borderline-Störung nicht unähnlich. Diese Neigung, sich den anderen durch Umarmung einfach einzuverleiben, hat etwas sehr Respektloses; die anderen Nationen wehren sich jetzt, zu Recht. Nur dass ich nicht glaube, dass Frau Merkel die Einsicht und die Fähigkeit dazu hat, Europa in ein Europa der lockereren Bindung zu überführen. Sie müsste erstens ernsthafte Fehler zugeben (die Euro-“Rettung”, ihre Handhabung des Migrantenproblems) und sie müsste in Europ völlig neue Allianzen eingehen (etwa Herrn Juncker abservieren, den sie gerade noch so gestützt hat). Und hat sie die Persönlichkeit und die Vision, ein neuen Europa zu gestalten? Ich bezweifle es.
Sehr geehrter Herr Bonhorst, bin seit geraumer Zeit „auf Achse“ und finde Ihre Beiträge, neben einigen anderen, mir am Meisten im Sinn von Journalismus zusagend. Habe mich auch schon in Kommentaren zu diversen Forenbeiträgen in anderen Blogs „abgearbeitet“, aber immer wieder darüber nachgedacht, was hinter allem verborgen sein könnte. Denn dass da nur Deppen am Werk sind, halte ich für Wunschdenken. Dass man andere Menschen nicht für dümmer halten soll als sich selbst, weiß man nicht nur deshalb, dass es Maxim Gorki mal geschrieben hat. Vor einigen Jahren gab es eine öffentlich geführte Diskussion zur zukünftigten Verfasstheit der EU als Staatenbund oder Bundesstaat. Diese Diskussion ist scheinbar abgeebbt. Was wir aber sehen, sie ist es nur scheinbar. Die ganzen Aktivitäten der letzten Jahre, die scheinbar irrationalen Alleingänge (Energie, Euro, Migration) der Kanzlerin in Gemeinsamkeit mit Juncker und Schulz, weisen für mich eindeutig in die Richtung, durch alle bisherigen Aktionen mit Gewalt eine politische Gemeinschaft zu erzwingen, den Bundesstaat Europa. Dies scheint Merkels Ziel zu sein. Dass sie keine europäischen Ziele verfolgt, sondern nur von geistiger Umnachtung getrieben sei, halte ich für Schmarrn. Aber sie will ein anderes Europa, als es jetzt ist. Cameron will das Europa Merkels nicht. Auch Visegrád lässt grüßen. Gäbe noch mehr Gedanken anzufügen. Ich denke aber das ist des Pudels Kern, der da heíßt „Was will Angela Merkel“. Úbrigens, ich lebe seit mehr als einem Jahr in Sofia, vorher in Berlin, und sehe von einer Art „westöstlichen Diwan“ auf den Teil Europas, der von Merkel am Nasenring mehr oder weniger störrisch durch die politische Arena geführt wird. Einige sind aber zu bocksbeinig. Sie wollen nicht in der Zuchtmeisterin Ställchen das da heißt Vereinigte Staaten von Europa, politische Union, Aufgabe der Nationalstaatlichkeit unter der Ägide der leading nation Germany by Angie. Es würde ein deutsches Europa werden, ein „verlässlicher“ geostrategischer Partner der USA, der dann mit nur noch einer Stimme spricht. Wer auch immer, bewahre uns davor. Dann lieber wie Wowa*, der Halunke schrieb: Ein Schritt vorwärts, zwei zurück. * Lenins Spitzname
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