Sehr geehrter Herr Bellberg. Sie schreiben über Donald Trump: “wobei Trump natürlich echte Inhalte sowieso meidet,”. Wenn man gelegentlich Fernsehauftritte und -debatten verfolgt, dann ist klar: Das ist falsch. Trump sagt klar: (i) Die größten außenpolitischen Fehler der USA in jüngester Vergangenheit waren die Interventionen im Irak, Libyen und Syrien. (2) TTIP und andere Freihandelsabkommen lehnt er, wie die Globalisierung i.a., ab ... Sind das keine “echten Inhalte”? Mit solchen Vorurteilen wird man der Realität nicht gerecht.
Vor allem sollte man einmal an diejenigen denken, die hinter den Kandidaten stehen. Viel sickert ja nicht durch, aber mit dem ehemaligen Bürgermeister, Rudolph Giuliani, Paul Manafort und sicher noch einigen anderen Schwergewichten verfügt er über Berater, die die unterschiedlichsten Taktiken beherrschen und über viel Erfahrung verfügen. Und dass Trump lernfähig ist, beweisen die Strategiewechsel seiner Kampagne. Insofern sollte man sehr vorsichtig sein, von dem Unternehmer Trump und dem agressiven Wahlkämpfer auf einen möglichen Präsidenten Trump zu schließen. Es wäre nicht das erstemal, dass sich Medien und Wähler in einem kandidaten täuschen!
Na ja, wenigstens ein allererster Versuch eines deutschen Journalisten, das Phänomen Trump analytisch rational zu beschreiben und nicht immer nur im empörten Schockzustand der permanenten Anklage des rotblonden Monsters wegen erneuter unsäglicher moralischer Verbrechen wie Rassismus und Populismus zu erstarren. Trump hat mit geradezu genialem Scharfblick erkannt, was den Durchschnittsamerikaner der unteren Mittelschicht belastet bedrückt und wie ihm der Lebensstandard wegrutscht. Und während so ziemlich jede exotische Randgruppe lautstarke Lobbyisten mobilisieren kann, blieben die Hilferufe der kleinen Leute, die als Wählermasse dem Politestablishment weggebrochen sind, unbeachtet….bis sich the Donald ihrer annahm und sich ihren Kneipenjargon zu eigen machte. Natürlich wird er keine Mauer vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko bauen, aber er wird auch nicht von Brückenbau faseln und so tun, als sei die mächtigste Nation der Welt absolut hilflos und unfähig ihrer eigenen Ausländergesetzgebung Geltung zu verschaffen. Er wird auch nicht die für die USA strategischen Beziehungen zu wichtigen Partnern in der muslimischen Welt abbrechen, aber er wird auch kein Appeasement mehr betreiben, hinschauen, welche Geldströme zu Terrornetzwerken gelenkt werden, und bei Visaerteilung, Migration und Flüchtlingskontingenten genauer hinschauen, wo sich in der Vergangenheit Sicherheitslücken auftaten und wie die Ausländerpolitik darauf reagieren kann (Deutschland hat das übrigens nach dem Attentat auf die Münchener Olympiade 1972 jahrelang ebenso gehalten. Auch die Handelspolitik wird er künftig nicht mit dem Hammer entwerfen, aber andererseits auch nicht weniger Protektionismus anwenden als das, was Amerikas Lieferanten für sich in Anspruch nehmen. Das er die USA generell künftig aus regionalen Konflikten heraushalten und nicht an jedem Brennpunkt der Welt mit eigenen Truppen intervenieren will, das er bereit ist, auch mit Putin ja selbst Nordkorea einen Ausgleich zu suchen statt reflexartig in die kalte Krieg Rhetorik zurückzufallen ist ja nicht unbedingt Ausdruck unbeherrschten Temperaments sondern rationales Kalkül. Das spüren die Trump Wähler, es ist das, was sie erwarten. Damit ist Trump noch lange kein grosser amerikanischer Präsident, und ob es mit den frustierten Kleinbürgern für den Sprung über die hohe Hürde reicht, ist noch sehr offen; aber die Chance auf das weisse Haus die hat er sich erstritten. Er kann sich selbst zwar immer noch ein oder mehre Beine stellen, aber bisher hat er mit traumwandlerischer Sicherheit alle sogenannten Pleiten und Peinlichkeiten in Popularitäts- und Glaubwürdigkeitsgewinne umgewandelt. Wer das nicht wahr haben will, wie die meisten deutschen Journalisten inkl sog. USA Korrespondenten mit Sitz in Washington, wird Trump wegschreiben und sich so den US Wahlkampf immer nur schön reden, ohne zu erkennen, dass bei the Donald noch sehr viel mehr drin ist. Hoffentlich gelingt es, die europäischen aussenpolitischen Eliten noch so rechtzeitig aufzuwecken, dass das Erwachen nicht allzu rüde ausfällt. Mit empörtem Oh! Ah! Unerhört! ist es schon lange nicht mehr getan, denn die Trump Revolution wäre auch mit einem Clinton Sieg nicht gebändigt. Zu mächtig ist der Geist den Trump aus der Flasche befreit hat.
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