Von Norbert Jessen.
Für Juni planen einige dem Selbstgefühl nach mutmaßlich linke, menschenrechtsaktivistische und zivilgesellschaftliche Organisationen in Frankfurt eine „Konferenz über die Situation der Palästinenser“. Vorausgesetzt, die Veranstalter finden eine Räumlichkeit. Sind doch auch Befürworter eines Handelsboykotts gegen Israel mit von der Partie. Ein Grund für Bürgermeister Uwe Becker (CDU), eine solche „Anti-Israel-Konferenz“ mit „antisemitischer Stimmungsmache“ in seiner Stadt zu verhindern. Ein bereits angemieteter Saal im Ökohaus wurde daraufhin wieder abgesagt.
Die "Frankfurter Rundschau" (FR) nutzte die Gelegenheit, der Sache auf den Grund zu gehen. Dazu befragte sie den Organisator der Konferenz, Matthias Jochheim. Flankiert wurde das Interview von der Stellungnahme eines frommen Juden und Philosophen aus den USA, der einen solchen Boykott als Freundschaftsdienst am Staate Israel versteht.
So praktiziert die FR Meinungsvielfalt und beweist nebenbei, wie sehr sie zum vereinsmeiernden Verlautbarungsblättchen verkommen ist. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie Gerüchte über Juden in Umlauf setzt, gehört offenbar zum Dienst am Leser. Der Redaktion sind dabei sogar offen antisemitische Inhalte recht.
Ein Fragenableser posiert als Interviewer
Nicht überraschend sieht Jochheim die Vorwürfe Beckers als „Fehlinterpretation“. Sei doch auch nach 50 Jahren "Besatzung" immer noch keine „Lösung im Sinne einer Selbstbestimmung“ der Palästinenser in Sicht, die „in einem perspektivlosen Zustand der Rechtlosigkeit“ leben. Ein Zustand, an dem Israel und Israel allein schuld sei. Der Gedanke, nach der Mitverantwortung der palästinensischen Seite zu fragen, kommt da gar nicht erst auf.
Genauso selbstverständlich wird dann der Boykott gegen Israel (nicht gegen Waren aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten, sondern gegen Waren aus Israel überhaupt) mit dem Boykott gegen das Apartheid-Regime in Südafrika gleichgesetzt. Dort herrschte einst Rassentrennung, so wie „in den israelisch-palästinensischen Gebieten“ heute. Jochheim spricht von einer "Quasi-Apartheid" und von „50 Jahren Dauerkriegszustand“.
Der als Interviewer posierende Fragenableser der FR hat kein Bedürfnis, diese Behauptungen „kritisch zu hinterfragen“. Ein neutraler Journalist hätte nachgefragt, sei es auch nur aus Erbarmen mit den Lesern: Wo bitte liegen die „israelisch-palästinensischen Gebiete“? Es kann nur die Region gemeint sein, in der Israelis und Palästinenser zu finden sind. Zu dieser Region, die zwischen dem Staat Israel und den von ihm "besetzten" Gebieten nicht unterscheidet, gehört dann auch der Gazastreifen. Auch wenn es dort keine jüdischen Siedlungen gibt, weil alle geräumt wurden, ist Gaza irgendwie immer noch "besetzt", zumindest für Matthias Jochheim und seine Freunde.
Die Abschaffung Israels als Ziel
Das ganze Interview ist ein Spielchen, in dem Codes verwendet werden. Konkrete Fragen werden nicht gestellt. So erfahren wir nicht einmal, wie lange der Boykott andauern soll. Bis zu einem Baustopp? Bis zur kompletten Räumung aller Siedlungen? Genügt eine Räumung ohne militärischen Rückzug? Nach den Erfahrungen mit Hamas-Raketen aus dem Gazastreifen sollte die Frage erlaubt sein. Läge doch sonst auch die Antwort nahe, dass der Boykott erst mit dem letzten getöteten Juden endet.
Es geht Jochheim - wie der ganzen Boykott-Bewegung - eben nicht um Boykott. Sonst hätten sich die Boykotteure diese Fragen selbst gestellt und sich auf klare Antworten geeinigt. Es geht nicht um das Ende der "Besatzung" und die Gründung eines palästinensischen Staates, sondern um die Abschaffung des Staates Israel.
Die Tatsache, dass Jochheim 2010 auf der Mavi Marmara mitreiste, liefert dazu noch einen passenden Hintergrund. Er machte sich damals gemein mit der Hamas, ohne sich daran zu stören, dass diese die Selbstbestimmung der Palästinenser hintertreibt. Dazu fällt Jochheim sicher ein Satz ein, der mit „demokratisch gewählt“ endet. Vor wieviel Jahren war das?
Gerechtigkeit und Gewaltlosigkeit sind es also nicht, die solche Friedenaktivisten antreiben. Wer so argumentiert, ist nicht für das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, sondern gegen das der Juden.
Antisemitische Stimmungsmache eben. Von der FR dankbar aufgenommen und weiter gereicht.