Gunnar Heinsohn / 01.04.2016 / 10:44 / 5 / Seite ausdrucken

Und jetzt machen wir mal den Hoecker-Test, Teil 2.

Als genial oder noch großartiger preist man die Medizin, die Bernhard Hoëcker am 25. März in der „NDR Talk Show“ gegen die Migranten-Furcht verabreicht. Im Zuschauerraum lässt der Komiker als Prozentsatz aufstehen, was 2015 herbeigeflohen ist. Umgehend sieht jeder, dass bei einer Person unter achtzig Zuschauern nur Böswillige von einer „Welle“ oder gar einer „Flut“ reden können.

Die Zuschauer entspannen sich und mancher entwickelt eigenen Ehrgeiz. Überall im Land ruft man aus Menschengruppen – am einprägsamsten geht das mit 100 oder 1000 Teilnehmern – die Promille- oder Prozentsätze vermeintlicher Problem-Populationen nach vorne, um ihre Irrelevanz zu beweisen.

Da solche Massen-Therapien durch internationale Vergleiche nur effektiver werden, simulieren einige den Brainpower-Weltmeister Singapur. Bei diesem Wettbewerb zählt man die Mathe-Asse unter 15-jährigen Schülern. Die sind nicht einfach gut, sondern rasant sehr gut oder noch besser. Von 1.000 Bürgern Singapurs gehören 91 zu diesen Ausnahmekönnern. Danach lässt man unter 1000 Singapur-Spielern die Migranten aufstehen. 426 Personen erheben sich. Auch das ist Weltrekord. Wie von selbst ergibt sich die Formel „je mehr Einwanderer, desto gescheiter die Nation“.

Um die Probe aufs Exempel zu machen, ruft man anschließend unter 1.000 Bewohnern der Bundesrepublik die Mathe-Asse auf. Nicht 91 wie beim Sieger, sondern nur noch 26 zeigen ihre Häupter. Wie passt das zur optimistischen Formel? Dafür macht man den Einwanderer-Test. Unter 1.000 Deutschen gibt es mit 203 nicht einmal halb so viele wie bei den Ostasiaten, die einen Migrationshintergrund vorzeigen können.

Die Frage nach dem Rückstands-Fiasko ist damit beantwortet: Deutschland fehlen Migranten. Um allerdings Singapur zu erreichen, müssten zwischen Rosenheim und Flensburg über 70 Prozent der Bevölkerung aus der Fremde kommen. Das treibt die Willkommenskultur in einen ungeahnten zweiten Frühling. Wie ein Zauberer hat Bernhard Hoëcker die Angst der Deutschen vor einer Welle in die wilde Sehnsucht nach einer Flut verwandelt.

Der Unterschied zwischen Quantität und Qualität

Für alles und jedes kommt jetzt öffentliches Aufstehen oder Sitzenbleiben zum Einsatz. Doch auf einmal schießt ein Spaßvogel quer. Unter 1000 hiesigen Migranten der zweiten Generation, für die jede denkbare Erziehungsmaßnahme gratis war, lässt er die besten Mathematiker aufstehen. Quälend langsam kommen sie von ihren Stühlen. Doch aller Anfeuerungsrufe zum Trotz ist bei 13 Schluss - gerade ein Siebentel der Leistung von Singapur und nur ein gutes Fünftel der altdeutschen Kinder (63 von 1000).

Ganz andere Formeln machen jetzt die Runde und ein weiterer Witzbold legt hemmungslos nach. Er bittet die migratorischen Schüler mit schlechten Mathezensuren von mangelhaft über ungenügend bis unbenotbar zum Durchdrücken der Knie. 508 von 1000 stehen nun stramm.

Die Flutsehnsucht droht zu kippen. Erste Talk-Shows müssen abgebrochen, zumindest aber wiederholt werden, weil Deutschlands Brainpower bei angenommenen 70 Prozent statt bislang 20 Prozent Migranten vom Publikum nachgestellt werden. Das vermasselt der gesamten Aufsteh-Bewegung den Kultstatus. Es ergehen Anweisungen zum Beschweigen der so lange Hofierten. Für einen neuen Trick zur Aufhellung der Stimmung – so viel ahnen die meisten –  braucht es ein ganzes Komiker-Bataillon. Oder man holt sich aus Singapur jemanden mit Witz, der den Unterschied zwischen Quantität und Qualität erklärt.  

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Leserpost

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Helmut Driesel / 03.04.2016

  Überbewertung von Statistiken ist einer der Fehler, die immer wieder gemacht werden. Ich vermag nicht zu sagen, ob das eine besonders deutsche Eigenart ist. Es ist mit den Statistiken wie bei den Zitaten, sie helfen kurzfristig beim Argumentieren, ob sie wahr sind oder nicht. Im realen Leben findet man aber in jeder deutschen Stadt hundert Deppen, die bereit sind, das einzige Genie unter ihnen zum Krüppel zu prügeln, das hängt überhaupt nicht davon ab, ob Ausländer oder Nazis dabei sind oder nicht. Und in einem Land, wo das für Ämter, Ärzte und Polizisten noch am Rande der Normalität durchgeht, wird sich für die Zukunft nichts zum Guten wenden. Schon deshalb nicht, weil man ja nie wissen kann, was künftig von Nöten ist. Was nützen denn gut erzogene gebildete Leute in einer Welt, in der man sich mit ehrlichen Worten nur unbeliebt macht? Was nützen den Kindern gute Zensuren, Umweltbewusstsein und Deeskalationstraining, wenn sie später mit äußersten Mitteln um ihr Leben kämpfen müssen?

Rolf Permeier / 03.04.2016

Aus Frankreich sind 2015 3% aller Millionäre ausgewandert. Begründung: Religiöse Spannungen und Terrorismus, der vom Islam ausgeht. Mehr brauchts eigentlich nicht, um der Dümmlichkeit dieses Scherzmachers den Teppich unter den Füssen wegzuziehen. Ich nehme an, der gute Mann wird bis in 10 Jahren nicht auswandern und in 20 Jahren auch brav seine Rentenzeit hier geniessen. Und nicht irgendwo weit weg in der Karibik.

Christoph Horst / 02.04.2016

“Traue nur der Statistik, die du selber gefälscht hast.” So etwas hätte Churchill nie gesagt, denn er wusste natürlich: Einer gefälschten Statistik darf man niemals trauen Eine gefälschte Statistik ist falsch. Ganz egal, wer sie gefälscht hat.

Joachim Solcher / 02.04.2016

Ohne die Verteilung nach Geschlecht und Altersgruppen einzubeziehen, ist Hoeckers “Mathematik” reine Scharlatanerie und Augenwischerei. Im Jahr 2015 wanderten ca 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland ein, in zukünftigen Jahren wird es nicht anders sein. Davon sind fast alle zwischen 15 und 30 Jahre alt, 70 - 80% von ihnen sind männlich. Die Alterskohorte der 15-30-Jährigen in Deuitschland, also der Altersgruppe, die Kinder hervorbringt, hat nur etwa 10 - 12 Millionen Menschen, davon haben etwa 20% einen Migrationshintergrund, knapp die Hälfte sind Frauen. Wandern in diese Kohorte nun über etliche Jahre mehr als 1 Million Männer pro Jahr ein, lässt sich die gravierende Veränderung des Landes in der Zukunft erahnen. Es wächst praktisch ein völlig anderes Land nach, was mit der von Hoecker präsentierten Verteilung absolut nichts zu tun hat. Wenn die Babyboomerjahrgänge in Deutschland ausscheiden, wird die Veränderung schlagartig offensichtlich werden, dann allerdings nicht mehr zu ändern sein.

Bernhard Diel / 01.04.2016

Wo wir bei unsinnigen Statistiken sind: Ich habe mir gerade einmal den Vergleich von meinem Namensvetter Hoenecker der Zahlen der Flüchtlinge durch den Kopf gehen lassen - im Studio sah das toll aus. Wenn man das aber auf Städte rechnet, sieht die Zahl anders aus: Es gibt (lt. Wikipedia) in Deutschland 2059 Städte, wovon 77 als Großstädte gelten (mehr als 100.000 Einwohner), wovon wiederum 4 Millionenstädte sind. Wenn man davon ausgeht, dass im letzten Jahr etwa 1,5 Millionen Migranten nach Deutschland gekommen sind, haben wir statistisch gesehen u.U. 1,5 Millionenstädte mehr, oder aber 15 Großstädte, legt man Altena, Westfalen zugrunde (derzeit da. 18.000 Einwohner), dann haben wir 83,3 Mal Altena. Fazit: Traue nur der Statistik, die Du selber gefälscht hast (frei nach -möglicher Weise - Churchill). Hätten wir in Deutschland in den letzten Jahrzehnten keinen Bevölkerungsrückgang gehabt, müsste man sich fragen, wo die neuen Städte entstanden sind ...

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