Der Fall Fritzl hing mir, ehrlich gesagt, schon am dritten Tag nach bekannt werden zum Halse heraus. Er war schnell geklärt, und ebenso klar war, dass er nichts aussagte über ein Land oder auch nur eine Region – anders als der Fall Hoyerswerda, zum Beispiel. Ebenso klar war, dass die Medien das „Inzest-Monster“ noch lange ausweiden würden; von unten, von oben und von der Seite, wie die „Weltwoche“ den Mechanismus in ihrer letzten Ausgabe so treffend beschrieb. Die Arbeitsteilung geht so: Bild & Co. stellen ein Buffet mit den neuesten Ekelhappen in Körpersaftmarinade zusammen und befriedigen damit die gewöhnlichen Voyeuristen. So genannte Qualitätsblätter nudeln das Verbrechen durch den schwerstkritischen Wolf, fragen bang nach der „Verantwortung der Gesellschaft“, stoßen empört auf eine „Mauer des Schweigens“ (weil die Einwohner des betroffenen Ortes irgendwann von der selbstgerechten Journaille genug haben und die Klappe halten) und konstatieren schlussendlich eine Mitschuld „der Gesellschaft“ (weil die mit ihren Röntgenaugen ja jederzeit durch die dicken Verliesmauern des hoch intelligenten Ausnahmetäters hätte blicken können, nicht wahr)...
Schließlich die Letztverwurstung durch ein Magazin wie „Der Spiegel“. Das hatte sowieso noch eine längliche Story über das Böse im Menschen im Stehsatz, welche sich mit dem aktuellen Monstersalat prima zusammen rühren ließ. Nicht enden wollende Texte widmen sich da auf hohem wissenschaftlichen Laberniveau der Frage, ob Menschen überhaupt an etwas Schuld tragen können (natürlich nicht; Hitler und seinen Leute gebrach´s letztlich irgendwie an Empathie, oder?). Alles furchtbar genug, aber es kam noch schlimmer. Weil der entfernt ähnliche Fall Kampusch nicht lange zurück lag, ernannten ausländische Kommentatoren die Alpenrepublik zum Bestienstadl, speziell das „erzkonservative“ und „erzkatholische Agrarland Niederösterreich“, nomen est omen. Und da Österreich über jede Menge Menschen verfügt, die gern über Österreich granteln und mosern (besonders, wenn eine Kamera oder ein Mikro auf sie gerichtet ist), schlug alsbald auch die Stunde der inländischen Austria-Bashers vom Schlage des Schriftstellers Josef Haslinger. Welcher als eine Art moralischer Vorwerk-Vertreter mahnte, in seinem Lande gäbe es die „fatale Neigung“, Dinge „unter den Teppich zu kehren“. Ein Jammer, dass Thomas Bernhard nicht mehr ist und vom „Ohrensessel“ aus das „verkommene braune Dreckspack“ geißeln kann, von dem er allzeit kommod lebte. (Apropos, was sagt eigentlich die Jelinek?)
Wahrhaftig, so viel doof war selten. Und es ist noch lange nicht vorbei. Machen Sie es vor dem Bildschirm einstweilen so wie ich: Fernbedienung in der Hand behalten und sofort weiter zappen, wenn die Begriffe Fritzl oder Amstetten fallen. Dringend empfohlen auch bei Sigmar Gabri—- und Claudia Ro—-.