Kevin Zdiara / 24.07.2012 / 10:53 / 0 / Seite ausdrucken

Und der Verlierer ist….!

In vielen Kommentaren zum sogenannten „arabischen Frühling“ hat sich Ernüchterung eingeschlichen. Nach dem hoffnungsfrohen Beginn werden die Zeichen für einen islamistischen Herbst immer deutlicher. Zwar hat in den jüngsten Wahlen in Libyen eine eher moderate Partei gewonnen, aber der Sieg der Muslimbrüder bei den Präsidentschaftswahlen in Ägypten und das sehr gute Abschneiden der Salafisten bei den dortigen Parlamentswahlen deutet eine islamistische Zukunft des wichtigsten Landes im arabischen Raum an.

In Syrien wird das Regime Assad fallen. Die Frage ist spätestens seit dieser Woche nicht mehr ob, sondern lediglich wann. Bedauerlicherweise scheint es so zu sein, dass je länger die Kämpfe in Syrien dauern, dies vor allem radikal-islamistische Kräfte stärkt. Die Nichteinmischung des Westens in diesen Konflikt und die Zurückhaltung in der Unterstützung moderater bzw. liberaler Kräfte hat dazu geführt, dass skrupellose Akteure die Oberhand gewonnen haben. Der Westen bleibt hierbei seinem Muster treu. Statt diejenigen zu unterstützen, die sich wirklich für Demokratie und Freiheit einsetzen, wartet man zu lange, nur um sich dann mit den islamistischen Schurken zu arrangieren.

Zwar gibt es immer noch Analysten, die darauf beharren, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästinensern gelöst werden muss, um die Region endlich zu befrieden. Doch so manchem Beobachter dieser Weltgegend wird zunehmend klar, dass es andere und grundlegendere Probleme in der arabischen Welt zu geben scheint.

So haben die Umwälzungen vor allem dazu geführt, dass der israelisch-palästinensische Konflikt weniger im Fokus steht und stehen wird. Die arabischen Gesellschaften sind zuerst mit sich beschäftigt. Wirtschaftliche Probleme, ethnische und religiöse Konflikte, Terror und der Kampf zwischen islamistischen und säkularen Kräften wird die arabischen Staaten von nun an viel mehr beschäftigen als der jüdische Staat. Bis sich halbwegs stabile Regime, welcher Art auch immer, herausgebildet haben, können Jahre vergehen.

Israel zeigte sich zu Beginn der Revolte in den arabischen Ländern und insbesondere in Ägypten zurückhaltend. Insbesondere die Entwicklungen in Ägypten scheinen der Skepsis recht zu geben. Mursi ist ein radikaler Islamist, der Jerusalem zur Hauptstadt Ägyptens machen möchte und auf dessen Veranstaltungen regelmäßig pro-Hamas Parolen gerufen werden. Doch andererseits zeigt sich, dass die Muslimbrüder zumindest kurzfristig pragmatisch vorgehen müssen. Auf lange Sicht bleibt eine Islamisierung Ägyptens und eine Ausweitung ihres Einflussbereichs wohl ihr Hauptziel. Die Umwälzungen haben jedoch gezeigt, dass die Ägypter nicht mehr so einfach alles hinnehmen werden und hohle Phrasen nicht unbedingt der wirklichen Beseitigung von sozialen und wirtschaftlichen Mißständen vorziehen. Sollte Mursi in absehbarer Zukunft keine Arbeitsplätze schaffen und die Wirtschaft ankurbeln, könnte es sein, dass sie wieder auf den Tahrir-Platz ziehen.

Andererseits ist die gestiegene Zahl an Terroranschlägen aus dem ägyptischen Sinai auf Israel ein Indiz dafür, dass Mursi, anders als Mubarak, den Sicherheitsinteressen Israels keine Priorität beimisst. Die offene Verbrüderung zwischen Maschal, dem Chef der Hamas, und Mursi in dieser Woche ist ein Zeichen für die Bedeutungszunahme anti-israelischer Kräfte. Aber selbst Mursi war bis jetzt noch nicht bereit, die Blockade des Gaza-Streifens vollständig aufzuheben. Die Hamas steht durch die Schwächung des Assad-Regimes in Syrien und die eigene Unfähigkeit, stabile Verhältnisse zu schaffen und eine Wirtschaft aufzubauen, mit dem Rücken zur Wand. Ob Ablenkungsmanöver, wie der gelegentliche Rakentenbeschuss Israels, den Unmut der eigenen Bevölkerung noch lange im Zaum halten können, darf bezweifelt werden. Nicht zuletzt deshalb wirft sich Maschal Mursi in der Hoffnung an die Brust, durch den ideologischen Bruder in Ägypten könnte man den innenpolitischen Druck ein wenig abbauen. Es bleibt abzuwarten, ob Mursi Ressourcen für Palästinenser verwendet, die er für sein eigenes Volk dringend selbst benötigt.

Die größten Verlierer des arabischen Frühlings sind somit die Palästinenser. Die in einer Zeit des allgemeinen Umbruchs nicht nur kompromisslose und unfähige Führer in Gaza haben, sondern mit der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) auch eine überalterte und korrupte Führung, die keinerlei positive Visionen für die Palästinenser bereit hält. Es gibt keine Zeichen für Veränderung.

So war es nicht verwunderlich, dass Solidaritätsdemonstrationen mit den Aufständen in Tunesien in den von der PA regierten Gebieten im letzten Jahr brutal niedergeknüppelt wurden, die Einschränkungen der Bürger- und Menschenrechte in den letzten Monaten neue Dimensionen angenommen haben und moderate Kräfte wie Salam Fayyad zunehmend an den Rand gedrängt werden. Sowohl Abbas als auch die Hamas zeigen einmal mehr ihre Unfähigkeit, den Bedürfnissen ihrer Bevölkerungen gerecht zu werden. Frieden und Wohlstand stehen weder in Gaza noch in Ramallah auf der Agenda.

In dieses Bild passt, dass fast zeitgleich zu der Meldung im letzten Monat, die PA könne nicht mehr die Gehälter ihrer Angestellten zahlen, Berichte über die Selbstbedienungsmentalität des Abbas’ Clan an die Öffentlichkeit kamen. Nach Recherchen des amerikanischen Nahostexperten Jonathan Schanzer geht es um hunderte Millionen Dollar, die auf Privatkonten im Ausland gebunkert werden. Laut palästinensischer Quellen soll alleine Mahmoud Abbas Zugang zu Gelder von über 100 Millionen Dollar haben und Eigentum der Palästinenischen Befreiungsorganisation (PLO) zu seinen Gunsten veräußert haben. Auch seine beiden Söhne Tarek und Jassir Abbas sollen von der privilegierten Stellung ihres Vaters massiv profitiert haben. Was in Rechtsstaaten unter Interessenkonflikt läuft, ist in den Palästinensergebieten Normalität. Projekte, die durch mehrere Millionen Dollar an ausländischen Hilfsgeldern finanziert wurden, fielen Unternehmen zu, die von den beiden Brüdern geführt werden.

Aber auch diplomatisch befinden sich die Palästinenser in einer Sackgasse. Im letzten Jahr scheiterte Mahmoud Abbas mit seinem Versuch, Palästina als Staat durch den Sicherheitsrat der UN anerkannt zu bekommen. Das führte bei ihm allerdings nicht zu der Einsicht, es eventuell doch lieber mit direkten Verhandlungen mit Israel zu versuchen. Denn gegenwärtig sieht es so aus, als würde Mahmoud Abbas es in diesem Jahr erneut über die UN versuchen wollen. Aber er wird auch dieses Mal scheitern. Dass er dennoch diesen Weg einschlägt, zeugt nicht von Verzweiflung, wie einige Kommentatoren in Deutschland mutmaßen, sondern schlicht von Abbas‘ Unfähigkeit, für einen Frieden Kompromisse einzugehen.

Engstirnig, rückwärtsgewandt und obsessiv auf Israel fixiert, so gibt sich die palästinensischen Führung auch im Jahr 2012. Die Verbesserung der Lebenssituation ihrer Bevölkerung spielt nach wie vor eine untergeordnete Rolle. Abzuwarten bleibt, wie lange die Palästinenser angesichts der regionalen Umbrüche dieses Spiel noch mitmachen. Im Moment scheint es so, dass sie sich von anti-israelischer Propaganda noch einlullen lässt. Wenn sich die Nachbarstaaten im Zuge der Umwälzungen stabilisieren sollten, dann müsste es selbst dem letzten Palästinenser dämmern, dass die PA und die Hamas das palästinensische Volk seit Jahrzehnten ausnutzen, um Vorteile für die eigenen Verwandeten und Bekannten herauszuholen, und dabei über die Leichen einfacher Palästinenser gehen.

Anders steht es um Israel. Zwar gibt es in schöner Regelmäßigkeit Koalitionskrisen und überschaubare Proteste, aber wirtschaftlich geht es dem Land gut. Selbst diplomatisch steht Israel keineswegs schlechter da als vor den Aufständen. Denn die Revolten in den arabischen Staaten haben den Fokus auf die dortigen hausgemachten Probleme gelenkt. Die Gewaltorgie in Syrien, bei der weit mehr Menschen umkamen als in den letzten 40 Jahren des arabisch-israelischen Konflikts, führt den Menschen im Nahen Osten vor Augen, dass die schlimmeren Schlächter womöglich die eigenen arabischen Brüder sind.

Zwar gibt es in Israel ernsthafte Bedenken bezüglich des Giftwaffen-Arsenals in Syrien, aber dieses Problem kann wohl gegebenenfalls durch den Einsatz der israelischen Armee gelöst werden. Sowohl die Hamas wie auch der Islamische Dschihad mussten im Zuge des syrischen Bürgerkriegs ihre Hauptquartiere in Damaskus räumen und damit strategische Niederlagen einstecken. Die Nibelungentreu der libanesischen Hisballah zu Assads Regime wird im Falle des Sturzes von Assad noch fatale Folgen für die Terrorgruppe haben. Ihr Ansehen in der arabischen Welt erleidet dadurch einen irreparablen Schaden. Für einen kommenden Angriff gegen Israel wird sie nicht mehr mit der Unterstützung rechnen können, die sie noch 2006 erhalten hatte.

Aber auch der sogenannten Weltgemeinschaft fällt es angesichts der Leichenberge in syrischen Städten nicht mehr ganz so leicht, sich ausschließlich mit Israel zu beschäftigten. Der Sturz der Diktaturen im Nahen Osten hat nicht zuletzt zur Folge, dass Israel als einer der wenigen stabilen Staaten übrig geblieben ist.

Dies bietet große Chancen für den jüdischen Staat. So haben sich im letzten halben Jahr selbst die Beziehungen zu China und Russland erheblich verbessert. Der Besuch des chinesischen Generalstabschefs im letzten Jahr und des russischen Präsidenten diesen Juni zeigen, dass sich bei diesen Ländern eine vorsichtige Öffnung hin zum jüdischen Staat vollzieht. Vor allem China wurde von den Auftständen überrascht und sieht sich zu einer Neuausrichtung in seiner Nahost-Politik gezwungen. Die riesigen israelischen Gasfelder machen den jüdischen Staat zusätzlich attraktiv für den energiehungrigen Riesen in Fernost.

Diese Entwicklungen sind kein Anlass, beruhigt in den Nahen Osten zu blicken. Die größte Herausforderung bleibt nämlich das iranische Atomwaffen-Programm. Dennoch kann man aber sagen, dass sich die Situation für Israel nicht wesentlich verschlechtert hat. So schrieb selbst der israelische Nahostexperte Barry Rubin, der in der Regel eher zur Vorsicht mahnt, dass Israel im Moment relativ gut dastehe.

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