Thomas Rietzschel / 03.10.2018 / 16:05 / 24 / Seite ausdrucken

Umsturz im Konjunktiv

Unglaublich. Während wir noch dachten, ruhig schlafen zu können, schwebte das Land in höchster Gefahr. Bereits heute, am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, sollte es zum „Umsturz Deutschlands“ kommen, meldete FOCUS Online am Montag um 17.37 Uhr. Die Nachricht ging zurück auf einen Bericht der SZ. Rechtsradikaler Umsturz geplant hatte das Zentralorgan der politischen Kaffeesatz-Leser zwei Stunden zuvor getitelt.

Zu erfahren war da wie dort sowie nachher bei ARD und ZDF, dass die „Ermittlungsbehörden“ in Chemnitz sieben Männer festgenommen hatten, um sie anschließend vor laufenden Kameras an die Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe zu überstellen. Samt einem Achten, der schon einsaß, werden sie der Hooligan-, Skinhead- und Neonazi-Szene zugerechnet, was immerhin den Schluss zulässt, dass es sich nicht um Angehörige des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM) handeln mag, eher schon um Schläger, die mit den Fäusten argumentieren. Selbst haben sie sich den Namen „Revolution Chemnitz“ gegeben, wiederum „mutmaßlich“.

Untereinander „sollen“ sie besprochen haben, „die Gesellschaft ganz umwälzen“ zu wollen. Weiter „sollen“ sie geplant haben, „die Gesetze des Rechtsstaates außer Kraft“ zu setzen. Auch wird laut SZ angenommen, „dass militante Attacken auf Politiker, Journalisten und andere Menschen folgen sollten, die in der Öffentlichkeit für den freiheitlichen Rechtsstaat stehen“. Eine Namensliste indes „haben die Fahnder offenbar nicht gefunden“. Wer weiß, wo sie versteckt ist.

In den Tagesthemen vom Montag, 1. 10., schwurbelte die Moderatorin schließlich: „Was genau die acht Männer vorhatten, ist nicht bekannt, aber offenbar planten sie einen Anschlag in zwei Tagen, an dem Tag, an dem das Land die deutsche Einheit feiert. Die jetzt ausgehobene Gruppe ... hatte wohl nichts anderes im Sinn als einen Umsturz der Republik.“

Vermutungen über Vermutungen, die dazu angetan sind, schlimmste Befürchtungen zu wecken, zumal man davon „ausgeht“, dass „die Gruppe sich Schusswaffen besorgen wollte“. Tatsächlich hatten sich die Revolutionäre bis zu ihrer Verhaftung allerdings nur mit „Schlagstöcken“ bewaffnet. Doch wären Ihnen von Montag an ja auch noch zwei Tage geblieben für die Beschaffung der Schießgewehre und den Aufbau der nötigen Infrastruktur – 48 Stunden, in denen sich die sieben Rädelsführer bundesweit hätten verteilen können, um Radio- und TV-Sender, Polizeistationen und Kasernen, Ministerien und das Bundeskanzleramt zu besetzen, alles zu erledigen, was zu einem ordentlichen „Umsturz“ gehört.

„Eine Art Probelauf“, so unter anderem die FAZ, hatte es schon am 14. September gegeben, als fünf der jetzt Verhafteten auf der Chemnitzer Schlossteichinsel eine Schlägerei anzettelten, auf Ausländer einprügelten. Dass es dann zu mehr nicht kam, haben wir den sächsischen Ermittlungsbehörden zu verdanken. Weil sie auf dem rechten Auge keineswegs blind sind, sei ihnen ein „entscheidender Schlag gegen Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus“ gelungen, wie der Innenminister des Landes sagt.

Die Sicherheitspolitische Inszenierung hätte perfekter nicht sein können. Großes Kino zur Verhinderung eines Umsturzes im Konjunktiv. Noch im Nachhinein möchte es einem kalt den Rücken herunterlaufen bei dem Gedanken, dass jetzt schon acht knüppelbewaffnete Schläger in Deutschland die Macht übernommen haben könnten. Unglaublich dieser Sieg über den herbeigeredeten „Umsturz“.

PS. In der Sendung „Report München“ zeigte die ARD gestern Abend eine Bericht über libanesische Clans, die schon ganze Stadtteile Essens beherrschen, wenn auch noch nicht das ganze Land.

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Leserpost

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Christoph Hofmann / 03.10.2018

Da fällt mir spontan jemand ein, der kürzlich bei einer Podiumsdiskussion auf dem Deutschlandfunk kein Hehl daraus machte, dass er schon vor 50 Jahren dabei helfen wollte, die Bundesrepublik “abzuschaffen” (wie immer man sich das vorstellen mag). Vorbestraft war oder ist er auch: wegen Unterstützung einer kriminellen Vereinigung (im konkreten Fall darf man auch von einer terroristischen sprechen - § 129 Abs. 1 Strafgesetzbuch) wurde er zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten auf Bewährung verurteilt, die später um 8 Monate reduziert wurde (Böse Zungen behaupten auch, er hätte Waffen in den Knast geschmuggelt). Trotzdem schaffte er es zu hohen Funktionen und Ämtern, in das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags, leitete einen Untersuchungsausschuss gegen den BND und, und, und. Und kürzlich wurde er unter Standing Ovations des ganzen Parlaments (vielleicht mit Ausnahme der AfD) in die Revoluzzer - Rente verabschiedet. Nun, solch steile Karriere dürfte den braunen Dumpf-backen nicht beschieden sein (was ich zumindest hoffe), es ändert aber nichts an der Tatsache, die Konstantin Wecker, auch auf dem DLF, folgendermaßen deklarierte: Revolutionen werden immer von links gemacht oder sie sind ein Putsch. Die alten Griechen benannten es so: was Jupiter erlaubt ist, sei nicht jedem Rindvieh gestattet. Und nicht jedes Rindvieh kann schließlich Ströbele heißen. Christoph Hofmann

Thomas Weidner / 03.10.2018

Erinnert mich fatal an van der Lubbe, dem ja von den braunen Sozialisten unterstellt wurde, den Reichstag angezündet zu haben. Vielleicht kommt auch eine weitere Parallele zu 1933 hinzu: Notstandsgesetzgebung und Inhaftierung sämtlicher Oppositioneller. Also die geradezu typische Vorgehensweise von Sozialisten/Kommunisten, völlig unabhängig davon, ob sie roter oder brauner Couleur sind…

Werner Arning / 03.10.2018

Da haben wir ja gerade noch mal Glück gehabt. Man stelle sich vor, von acht Hooligans regiert zu werden. Einer davon würde wahrscheinlich Claus Kleber in den Tagesthemen ersetzen und uns jeden Abend zuprosten. Der Zweite würde Angie ersetzen und mit Erdogan zu Abend essen. Der Dritte würde Bundestrainer. Der Vierte übernimmt den Spiegel. Der Fünfte geht in die Opposition. Der Sechste überwacht die Grenzen. Der Siebente würde als Außenminister Trump besuchen. Und der Achte unterwandert die Grünen. Schade, hätte ich gerne erlebt.

Caroline Neufert / 03.10.2018

Ich bin nicht ängstlich und es mag von den Medien mal wieder übertrieben worden sein, aber den acht möchte ich nicht begegnen, nicht einmal nur mit Stock. Unser ehemaliger bestinformierte Geheimdienstler kannte diese Gruppe merkwürdigerweise nicht ;-)

Michael Jansen / 03.10.2018

Nur noch ein reiner Witz und ein Beweis dafür, dass unsere Medien und Politiker erstens jeden Maßstab bei der Beurteilung von Sachlagen verloren haben und zweitens den Bürger für dermaßen dämlich halten, dass er das geschilderte Szenario für wahrscheinlich hält. Man stelle sich den “Umsturz nur mal bildlich vor. Da stürmen acht Figuren in Springerstiefeln knüppelschwingend in den Reichstag, einer schießt mit dem Luftgewehr in die Decke und die Truppe erklärt den Bundestag für aufgelöst und die Kanzlerin für abgesetzt. Dann rufen sie ihren Anführer als neuen “Führer und Reichskanzler” aus und wollen die Regierungsgeschäfte übernehmen. Das war es dann. Die umstehenden Besucher brechen vor Lachen zusammen, die “Umstürzler” wissen leider nicht, wo sie zum Regieren hingehen müssen, verlaufen sich im Reichstagsgebäude, wo sie dann vom Sicherheitsdienst eingesammelt und in die Klapse überführt werden. Da hatte der Putschversuch von Oberst Tejero im Februar 1981 in Madrid schon ein anderes Kaliber, der hatte immerhin zwei bewaffnete Hundertschaften der Guardia Civil dabei, war mit einer echten (!) Pistole bewaffnet und hatte die Unterstützung von Teilen des Militärs. An unsere Politiker und unsere Journalisten: Sowas ist ein versuchter Umsturz !!!! Alles was hier bei uns berichtet wird ist reines Kaspertheater, mit dem wegen acht wichtigtuerischer Neonazis etwas herbeifabuliert wird, damit man den Popanz einer Bedrohung des Staates durch die “Rechten” aufbauen kann, evtl. als Vorwand für ein baldiges Verbot der AFD. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis eine Verbindung der “Umstürzler” zur AFD konstruiert wird. Außerdem lässt sich so trefflich von der tatsächlichen Bedrohung unseres Systems durch islamistische Gefährder und kriminelle orientalische Clans ablenken.

Archi W. Bechlenberg / 03.10.2018

Es ist doch alles ganz und gar schlüssig. Dass man nichts über die sieben Raben, Geißlein oder Zwerge weiß, lässt einzig den Schluss zu, dass sie Verschwörer sind. Wären sie nicht verschworen, wüsste man ja etwas über ihre Absichten. Da man bei ihnen keine Waffen fand, wollten sie sich welche besorgen. Und wer besorgt sich Waffen? Richtig. Böseswichte! Keine Namensliste? Natürlich nicht. Je verschworener, um so versteckter die Namensliste der potenziellen Opfer. Fazit: Kann es noch eindeutigere Indizien dafür geben, dass sie Absichten hatten? Warum mussten sie ihre Absichten derart verschleiern? Eben. Weil es keine guten Absichten waren. Ich finde, überzeugender kann man nicht darstellen, dass Deutschland gerade noch mal dem Umsturz von der Schippe gesprungen ist. Putschisten, die derart clandestin vorgehen, dass man nicht das geringste von ihnen und ihren Absichten weiß, sind absolute Profis, gewissenlos genug, um ganze Weltreiche in den Untergang zu treiben. Ein Segen, dass jemandem aufgefallen ist, dass man von den Vorbereitungen und Zielen der Gruppe ganz und gar nichts wusste und sie daher mit allen Mitteln aus dem Verkehr gezogen werden musste. Was macht eigentlich Franco A. noch so?

Silas Loy / 03.10.2018

Ein Staat, der solche Sachen inszeniert, ist ziemlich kaputt. Das hätte es noch unter Kohl nicht geben können. Es ist wirklich bedenklich. Dieser Staat bzw. seine Regierung braucht für seine Propaganda die “Gefahr von rechts” inzwischen wie die Luft zum Atmen und kann durch seine V-Leute da möglicherweise auch steuernd eingreifen. Die Medien spielen immer mit und reissen auf. Die Nazi-Obsession ist alles was sie zur politischen Indentifikation anbieten und anbieten wollen. Derweil werden Rechtsbrüche der Regierung und der Verwaltungen salonfähig und alltäglich, politische Gegner verleumdet und ganze Bundesländer in Verruf gebracht. Über alledem lächelt unsere monströse Kaffeekränzchentantenkanzlerin dreist und unwiderstehlich sedierend. Die Union hat nicht mehr alle Latten im Zaun.

Karin Eschert / 03.10.2018

Diese Art der Berichterstattung ist DDR-Niveau kurz vor der Wende und lässt Sudel- Ede wie einen Waisenknaben aussehen. Ich frage mich zunehmend, ob die sich nicht schämen? Glauben die wirklich, der gemeine Medienkonsument kauft denen das ab, oder sind große Teile der Zuschauer/ Zuhörer, also das Volk schon so verblödet und gehirngewaschen, dass sie das für bare Münze nehmen? Der Reflex eines DDR-Bürgers war damals, sofort den Sender zu wechseln, wenn die Propaganda anfing. Einschlägige Printmedien wurden zum Ofen anzünden benutzt und ganz früher bei Engpässen auch als Klopapier. Das gestaltet sich natürlich im digitalen Zeitalter schwierig

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