“Wenn sich Erdogan irgendwann zum Präsidenten auf Lebenszeit ernennt, das Parlament entmachtet oder sich seiner Abwahl widersetzt, spätestens dann sollten ihn die Türken aus dem Amt jagen, denn das Amt gehört ihnen.” Sehr geehrter Herr Heitmann, wie stellen Sie sich das “aus dem Amt jagen” denn vor? Hier handelt es sich um Gedankenspiele ohne Substanz, denn wann ist der Rubikon zum Alleinherrscher überschritten? Wie rechtfertigen Sie einen dann stattfindenden Putsch mit der in diesem Fall folgenden Verfolgung der Erdogananhänger. Glauben Sie wirklich, dass dieser Mensch das ihm gegebene “Geschenk Allahs” in 3 Monaten zurückgibt und sich aufs Altenteil zurückzieht? Nach allem, was er bereits vor dem Putschversuch in Richtung Autokratie unternommen hat?
Wie lautete das Zitat oder Gedicht das Erdogan vor 12 Jahren als Bürgermeister rezitierte bzw. wie fing es an: “Die Demokratie ist nur der Zug auf den wir aufspringen bis wir am Ziel sind….” Bald hat er es erreicht….
Sehr geehrter Herr Heitmann, ich kann Ihnen nicht zustimmen. Die Demokratie in der Türkei lag bereits im Sterben, jetzt ist sie tot. Das türkische Militär dagegen wurde in den letzten Jahren bereits einer massiven “Säuberung” unterzogen. Dutzende Generäle und Offiziere wurden ja bereits abgesetzt, inhaftiert und verurteilt. Ein passender Vergleich dafür sind sich möglicherweise die Schauprozesse 1937 in der Sowjetunion. Damals hatte sich Stalin gezielt der tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Opposition in der Roten Armee entledigt. So wie ich das sehe hat das Militär einfach den Zeitpunkt verpasst. Und ich stimme einigen hier zu, eine Periode der Herrschaft der Militärs wäre langfristig dem Despoten Erdogan vorzuziehen gewesen.
Ein derber Vergleich, aber ich bitte nicht vergessen: Auch Hitler war gewählt.
Aus dem Artikel: “Jeder demokratisch legitime Staatslenker, und sei er auch noch so autoritär, ist besser als der aufgeklärteste Militärführer.” Hier muss man den Autor vielleicht daran erinnern - er hat es möglicherweise vergessen? -, dass Hitler demokratisch gewählt wurde. Ich für meinen Teil hätte da schon einen aufgeklärten Militärführer vorgezogen. Das trifft natürlich nicht unbedingt auf jeden zu.
Nach Ihrer Lesart haben sich dann also auch die Befürworter des Maidan-Putsches, und dazu zählten ausnahmslos alle westlichen Regierungen, und der Entmachtung des damaligen demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch ebenso als Totengräber der Demokratie erwiesen?
Ägypten ist nicht die Türkei. In der Türkei war das Militär (Atatürk war selbst General) wie auch immer man das sehen will, Garant der laizisitischen Verfassung. Und nur auf laizistischer Basis sind Demokratie und Menschenrechte möglich. Es ist daher eigentlich nur eine Parteinahme für die Putschisten möglich, wenn man Demokratie und Menschenrechte erhalten will. Es mag schon stimmen, dass auch das Militär die Menschenrechte nicht achtete, aber nur wenn die Menschenrechte gelten, kann man auch von einer Verletztung dieser Menschenrechte sprechen. Den Anhängern Erdogans hingegen sind in echt mohamedanischer Weise ihre Gegner keine Subjekte irgendwelcher Rechte. Eine Verletzung von Rechten kann daher gar nicht stattfinden. Und das ist der Unterschied. Den europäischen Eliten wiederum hätte ein erfolgreicher Putsch vor Augen geführt, dass es nicht genügt, auf demokratische Art und Weise in ein Amt zu kommen. Man muss dieses Amt auch im Sinne von Recht und Gesetz unter Beachtung des (unverbogenen) Willens der Wähler ausüben. Es kann nicht sein, dass eine Regierung versucht, durch Zwänge aller Art, das Volk umzuerziehen. Das Regierungshandeln hat im Interesse des Volkes zu erfolgen. Das Volk darf nicht dazu benutzt werden, sozialpolitische Experimente abzuhalten. So gesehen wäre eigentlich ein Putsch in Deutschland zu erwarten. Aber in Revolutionsangelegeneheiten haben sich schon Marx und Engels geirrt.
Sehr geehrter Herr Heitmann, leider verdrängen Sie bei Ihrer Betrachtung, daß Herr Erdogan bereits vom Volk abgewählt wurde. Nur durch massive Unterdrückung der Opposition und Anzetteln eines Bürgerkrieges konnte er sich den Posten und 52% der Stimmen sichern. Heute ist er viel weiter und wird sich nicht abwählen lassen. Die Demokratie in der Türkei ist tot.
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