Tamara Wernli / 13.04.2017 / 20:00 / 4 / Seite ausdrucken

Trumps irrwitzige Seifenoper

Stellen Sie sich vor, Sie hätten zuhause ein Problem mit dem Herd. Sie rufen also den Elektriker an – aber an seiner Stelle kommt seine Tochter. Die ist zwar nicht Elektrikerin, dafür versteht sie etwas von Mode und Wirtschaft. Ausserdem ist sie klug und charmant, nach der Logik des Vaters bringt sie den Herd gewiss wieder in Schuss. So ähnlich offenbart sich das Szenario in Amerika. Nur ist der Papa nicht Elektriker, sondern US-Präsident.

Eine zunehmende Anzahl Menschen fragt sich irritiert, wieviel Einfluss Ivanka Trump auf ihren Vater hat. Vergangene Woche setzte sie einen Tweet ab, in dem sie ihre Abscheu über den Giftgasangriff in Syrien ausdrückte – 24 Stunden später flogen die Tomahawk-Raketen. Gemäss der britischen Zeitung Sunday Times spielte sie eine entscheidende Rolle beim Sinneswandel ihres Vaters. Ob sie ihn tatsächlich zu dem Angriff überredet hatte, ist unbekannt. Bekannt ist, dass Trump auf niemanden so hört wie auf seine Lieblingstochter.

Ivanka, 35, Wirtschaftsstudium, früher Modeunternehmerin und Vizepräsidentin in der 'Trump Organization', heute setzt sie sich für Frauenthemen in der US-Regierung ein. Mit ihrer Eloquenz und der einnehmenden Erscheinung ist Ivanka der Weichzeichner ihres Vaters. Ist sie an seiner Seite, scheint er angenehmer, milder, sie verkauft die Familienmarke cleverer als er, gewinnt jene, die er nicht gewinnt. Schon vor ihrem offiziellen Job im Weissen Haus war sie bei seinen Treffen mit Staatsoberhäuptern anwesend, bei Shinzo Abe, Justin Trudeau, Angela Merkel, oder am Telefon mit Mauricio Macri. Für manche, zu viel des Guten: "Ich erinnere mich nicht, sie gewählt zu haben", liest man in US-Kommentarspalten immer häufiger.

„Ivanka, the first female president!"

Donald Trump hat selbstverständlich das Recht, Tochter (und Schwiegersohn) zu seinen engsten Beratern zu machen, auch wenn beide keinerlei politische oder militärische Erfahrung mitbringen – immerhin sind sie mit der Immobilien- und Fashionbranche bestens vertraut. Er darf Entscheide treffen, die auf ihren emotional-gefärbten Ansichten basieren. Kann sie zu staatspolitischen Meetings mitnehmen – das ist etwa so, wie wenn Eltern ihre adretten Kleinkinder benützen und sie Gedichte aufsagen lassen, um auf andere einen guten Eindruck zu machen. Vetternwirtschaft geht in Ordnung – irgendjemand muss ja von diesem Präsidentenamt profitieren.

In den sozialen Medien präsentiert Ivanka nahezu täglich Fotos und Videos von sich im Kontext mit dem Weissen Haus; ihr Sohn krabbelt dort auf dem Teppich, mit dem Gatten gehts an eine Gala, mit Politikern lächelt sie in die Kamera. Oder sie äussert sich zu politischen Themen. Neulich nahm sie in einem CBS-Interview zu Vorwürfen Stellung, sie unterstütze kritiklos die Positionen ihres Vaters: Ihre Meinung sage sie ihm schon, so Ivanka. Das müsse sie aber nicht immer öffentlich tun, da es ihr "nicht darum geht, ihre eigenen Ansichten zu promoten". Sie sei ja nicht vom amerikanischen Volk gewählt worden. Unter dem Aspekt scheint ihre Hingabe, mit der sie fast jeden ihrer Schritte mit dem Volk teilt, ja umso lobenswerter. So sehen es auch ihre Facebook-Fans: „Ivanka, the first female president!"

Regieren, das war gestern. Heute herrscht "Der Washington Clan". In den Hauptrollen: Daddy-Milliardär, sein Schwiegersohn und die schöne Vorzeigetochter. Dass mit dieser Konstellation dereinst auch das Schicksal eines gewissen berühmten Koffers vom Gutdünken letzterer abhängig sein dürfte, ist für den Spannungsbogen einer Soap nur angemessen.

Der Beitrag erschien zuerst in der Basler Zeitung. Tamara Wernlis Kolumne gibt es jetzt hier auch als Videobotschaft, man kann ihn auf ihrem youtube Kanal auch abonnieren.

Tamara Wernli arbeitet als freischaffende News-Moderatorin und Kolumnistin bei der Basler Zeitung. Dort erschien dieser Beitrag auch zuerst. In ihrer Rubrik „Tamaras Welt“ schreibt sie wöchentlich über Gender- und Gesellschaftsthemen.

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Leserpost

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Thomas O. Mahrenholtz / 14.04.2017

Vielen Dank für den sanften Spott! Aber, einerseits: Was sagt es uns über die Qualität des (Aus)wahlprozesses, wenn ein Donald Trump Präsident werden kann? Andererseits: Was sagt es uns über die Qualität unserer Systems und der Abgeordneten, wenn eine Angie Kanzlerin bleibt? Und dann auch noch ganz ohne den ausgleichenden Einfluß eines Schwiegersohns wie Jared Kushner. Denkt Donald vieleicht doch mehr in Generationen als Angie? Wie hätten ihre (Fehl-)Entscheidungen der letzten 10 Jahre wohl ausgesehen, wäre Angie von Kindern und Schwiegersöhnen umgeben und nicht von Altmaier und Co.? Ich freue mich darauf, wenn Sie auch zu diesen Aspekten Ihre scharfe Zunge hören lassen!

Dorothea Friedrich / 14.04.2017

Die Deutschen haben wahrlich andere Sorgen.

Anne Cejp / 14.04.2017

Ein wenig pop-Art kann als eine Art „Vermischtes“  einen politischen und gesellschaftskritischen Blog durchaus beleben, aber dumm darf auch pop-Art nicht sein. Der dümmste Satz unter vielen in diesem Beitrag ist nach meiner Meinung:  Regieren, das war gestern. Heute herrscht „Der Washington Clan“.  (Andere dürfen es gern anders sehen!)

Helge-Rainer Decke / 13.04.2017

@Tamara Wernli, mit dieser Analyse über den Denver, sorry, Trump Clan, haben Sie hier im Forum vermutlich in ein Wespennest gestochen und werden mit “Belehrungen” in die Schranken gewiesen.

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