Wolfram Weimer / 05.01.2017 / 06:27 / Foto: Rasgari / 13 / Seite ausdrucken

Trump und Putin: Eine neue Ära narzisstischer Autokraten

Das Phänomen hat schon einen Namen: “Trumptin” regiert ab sofort die Welt. Donald Trump und Wladimir Putin sind die Männer des Jahres 2016 und sie verkörpern eine neue Ära narzisstischer Autokraten, die von Erdogan in der Türkei bis Rodrigo Duterte auf den Philippinen reicht. Das Testosteron kehrt gewissermaßen in die Weltpolitik zurück. Der sanfte Wohltätigkeitsbazar-Tonfall der Obamas, Ban Ki-Moons und Merkels weicht dem gefühlten Narrativ von Kirmeskerlen.

Obwohl ihre nationalistischen Programme einander eigentlich in die Parade fahren, dürften sich Trump und Putin bestens verstehen. Sie sind Brüder in Geist und Sprache, pragmatische Machtpolitiker und sie können einander stärken. Das macht Optimisten in Europa zumindest Hoffnung, dass jenseits der donnernden Rhetorik eine neue Ost-West-Entspannung anstehen könnte. Konservative Kreise freuen sich gar auf eine wehrhafte Gemeinschaftspolitik der Stärke gegen den beiderseits angreifenden Islamismus.

Die Mehrheit der Europäer aber ist skeptisch bis besorgt über “Trumptin”. Das Säbelrasseln in Moskau wie in Washington – selbst ein neues atomares Wettrüsten steht plötzlich wieder auf der Agenda – macht vielen schlichtweg Angst. Es lohnt darum ein nüchterner Blick auf die Verhältnisse. Denn sowohl Trump als auch Putin sind in Wahrheit Riesenzwerge. Ihre Möglichkeiten sind viel begrenzter als man denkt. Sie haben in ihren eigenen Ländern gewaltige Probleme, die sie in Atem halten werden. Ihre Strategie des Aufplusterns wirkt eher wie ein schrilles Indiz für den Niedergang ihrer beider Weltreiche.

Putin herrscht in einer bitteren Rezession

So ist Russland wirtschaftlich schwer angeschlagen und kaum mehr zu weltpolitischen Sprüngen in der Lage. Das Bruttosozialprodukt von Putins Imperium liegt nach einer neuen Übersicht des Internationalen Währungsfonds nur noch auf dem Niveau von Süd-Korea und Spanien, deutlich hinter Italien jedenfalls. Da Putin an vielen Fronten Großmacht spielen will – von der Ukraine bis Syrien, von Georgien bis nach Tschetschenien, von der Eroberung der Arktis bis zur atomaren Aufrüstung – riskiert er einen klassischen “imperial overstretch”, eine Überdehnung seiner imperialen Möglichkeiten. Russland Ex-Finanzministers Alexej Kudrin schätzt alleine die Kosten für die Annexion der kleinen Krim auf 150 bis 200 Milliarden Dollar. Der Krieg in der Ukraine wird noch teurer, der Syrien-Feldzug ebenfalls. “Russland kann sich das auf die Dauer einfach nicht leisten. Der russische Hund bellt zwar, aber beißen kann er kaum noch”, urteilen geostrategische Analysten in London.

Russland hat drei bittere Jahre tiefer Rezession hinter sich. Die kostspielige Militärpolitik, der Ölpreiscrash und die Sanktionen des Westens haben tiefe Spuren im Wohlstandsgefüge des Landes hinterlassen. Die Rezession schmälert die Kaufkraft in Russland deutlich, die inneren Verteilungskonflikte häufen sich und Teile der Bevölkerung sind in die Armut getrieben. Putin wird schon zur inneren Stabilisierung seiner Macht an einem friedlichen Ausgleich mit dem Westen interessiert sein. Zumal er wesentliche politische Ziele bereits erreicht hat – die Krim wird Russland wohl endgültig zufallen, die Ostukraine bleibt sein Kontrollgebiet und die weltpolitische Bedeutung Moskaus ist durch das Syrien-Engagement erheblich gestiegen.

Trump erbt Obamas Schulden

Doch auch bei Trump steht das Angeber-Getöse in einem krassen Missverhältnis zu den realen Möglichkeiten der USA. Die volkswirtschaftlichen Bilanzen sind in einem verheerenden Zustand. Alleine das Handelsbilanzdefizit lag 2015 bei atemraubenden 736,2 Milliarden US-Dollar. Das Land lebt auf Pump, konsumiert viel mehr als es erwirtschaftet und hat jetzt Handelsdefizite mit 101 Ländern. Doch nicht nur als Warenproduzenten und Händler sind die Amerikaner wettbewerbsschwach, das Defizit in der gesamten US-Leistungsbilanz lag alleine im dritten Quartal 2016 bei 113 Milliarden Dollar. Jahrzehnt für Jahrzehnt steigt das Leistungsbilanzdefizit, seit 2000 auf durchschnittlich 3,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Dies ist fast viermal so hoch wie das Defizit von 1 Prozent der Jahre 1970 bis 1999.

Diese miserable Bilanz können sich die USA nur mit immer größeren Schulden überhaupt leisten. Die US-Verbraucher sind mit 12,3 Billionen Dollar privat verschuldet, was allerlei Experten fürchten lässt, dass eher eine neue Finanzkrise bevor stehe als ein Trump-Boom – zumal auch der amerikanische Staat kräftig Schuldenmonopoly spielt. Die US-Staatsverschuldung hat 20 Billionen Dollar erreicht – was 108 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Damit stehen die Vereinigten Staaten viel schlechter da als Europa: Im Schnitt liegt die Gesamtverschuldung hier bei 86 Prozent der Wirtschaftsleistung – die Schuldensolidität der USA bewegt sich also im Umfeld von Zypern, Belgien oder Portugal.

Bei Obamas Amtsantritt 2009 betrug die US-Staatsschuld noch 10,6 Billionen Dollar. Die mehr als neun Billionen neuen Schulden in einer einzigen Präsidentschaft sind ein historisches Fanal. Obama hat damit so viele Schulden angehäuft wie alle amerikanischen Regierungen von George Washington bis Bill Clinton zusammen genommen. Und Trump wird sie erben.

Die Männer des Jahres könnten zu Problembären werden

Amerika hat sich in wenigen Jahren so stark verschuldet wie nie ein Staat zuvor in der Menschheitsgeschichte – und kein Ende ist in Sicht. An jedem einzelnen Tag machen die USA 3,5 Milliarden Dollar neue Schulden. Nur glühende Trump-Optimisten können hoffen, dass das dauerhaft gut gehen wird.

Trump hat also das gleiche Problem wie Putin – er kann sich seine Weltmachtspiele gar nicht leisten. Die Staatsfunktionen – insbesondere die gewaltigen Militärausgaben – sind schon jetzt überstrapaziert. Trumps Programm aus Protektionismus, hohen Militärausgaben und schulden-finanziertem Konjunkturprogramm könnten sogar einen besonders schädlichen Cocktail mixen, zumal die Notenbank nicht mehr bereit ist, über die wunderbare Geldvermehrung des “quantitative easings” den unsoliden Staat zu refinanzieren.

Fazit: Trumptin ist ein rhetorischer Riese und ein wirtschaftlicher Hinkefuß. Die Männer des Jahres 2016 könnten zu Problembären des Jahres 2017 werden.

Dieser Text erschien zuerst auf The European hier.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dr. Bredereck, Hartmut / 05.01.2017

Sehr geehrter Herr Weimer, Sie haben eine Menge Zahlen präsentiert, die aller Wahrscheinlichkeit auch richtig sind.  Staatsverschuldung ist in unserer heutigen Welt ein charackteristisches Phänomen, was in Einzelfällen auch schon zum Staatsbankrott geführt hat. Allerdings sehe ich nicht, dass die beiden Weltmächte USA und Rußland daran zu Grunde gehen werden. Dafür haben sie eine viel zu starke Wirtschaftsmacht. Bezüglich der Einschätzung der beiden “Lenker Putin und Trump” teile ich Ihre Meinung nicht. Putin versucht natürlich mit aller Macht, die verlorene Stellung Rußlands in der Welt wieder zu festigen, aber innenpolitisch ist er erstaunlich stabil und hat große Teile der Bevölkerung hinter sich. Trump ist mit der Aussage “America first” angetreten und will sich zukünftig nicht mehr in jeden “Weltkonflikt” einmischen, es sei denn Amerka wird direkt bedroht. Das sind aus meiner Sicht keine Weltmachtspiele. Wenn sich die beiden wichtigsten Politiker der Welt zukünftig ein wenig annähern würden, dann wäre es nicht zum Schaden des Weltfriedens.

Wilfried Cremer / 05.01.2017

Große Investitionen müssen von großen Ideen getragen sein. Nachdem die Digitalisierung so gut wie durch ist, scheint nichts nachzukommen. Eine seltsame Atmosphäre liegt über allem.

Heinz Bannasch / 05.01.2017

Trumptin klingt gut. In Anlehnung an Rasputin würde ich die Beiden aber als TRUMPUTIN bezeichnen.

Dr. med. Jesko Matthes / 05.01.2017

Gut, dass auch das einmal gesagt wird, gerade an die Adresse jener, die zu Recht vom Mainstream enttäuscht sind, und die zu Unrecht meinen, Autoritäre und Austeritäre könnten es automatisch besser. Das ist nicht automatisch der Fall, auch wenn ihre Vorgänger die eigentlichen Erzeuger der Probleme waren (oder noch sind).

Andreas Klut / 05.01.2017

Lieber Herr Weimer, ihr Beitrag passt zu Ihrem Lebenslauf. Schreiben Sie bitte weiter für “Die Welt” oder den FOCUS, aber verschonen Sie uns mit solchen Possen.

Richard DAWSON / 05.01.2017

As Bertrand Russell wrote sometime between the wars, the only way to eliminate debt is to start a war or create hyperinflation. Which will they choose?

Peter Müller / 05.01.2017

Politik von Staaten über persönliche Befindlichkeiten erklären zu wollen, mag Spiegel-Niveau sein. Auf dieses sollte sich die Achse nicht begeben.

Wieland Schmied / 05.01.2017

Zitat Weimer: “Die Männer des Jahres könnten zu Problembären werden” Mag ja sein, daß sie es werden. Die abgewirtschafteten Dämlichkeiten in Brüssel, allen voran in Berlin und in manch anderer Haupstadt in der EUdSSR , sind es nachweislich bereits seit Jahrzehnten. Deshalb setzen so viele Europäer auf Trump und Putin. Denn schlimmer als mit den Versagern, die seit Jahren erfolgreich damit beschäftigt sind, diese eine Welt erfolgreich zugrunde zu richten, kann es unter der Ägide dieser beiden Herren auch nicht kommen. Wahrscheinlich aber doch entschieden besser - und genau das ist die Hoffnung beim ‘Kleinen Mann’.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfram Weimer / 26.06.2020 / 06:00 / 80

Corona als Kanzlermacher

In der CDU knistert es. Die Kanzlerkandidatur-Frage legt sich wie eine Krimispannung über die Partei. Im Dreikampf und die Merkelnachfolge zwischen Markus Söder, Armin Laschet…/ mehr

Wolfram Weimer / 18.06.2020 / 06:29 / 104

Der Rassist Karl Marx

Die Rassismus-Debatte eskaliert zum Kulturkampf. In Amerika werden Kolumbus-Denkmäler geköpft oder niedergerissen, in England sind Kolonialisten-Statuen zerstört oder in Hafenbecken geworfen worden, in Antwerpen trifft…/ mehr

Wolfram Weimer / 12.06.2020 / 10:00 / 47

Nichts ist unmöglich: AKK als Bundespräsidentin?

„Das ist die größte Wunderheilung seit Lazarus“, frohlocken CDU-Bundestagsabgeordnete über das Comeback ihrer Partei. Die Union wankte zu Jahresbeginn dem Abgrund entgegen, immer tiefer sackten…/ mehr

Wolfram Weimer / 21.05.2020 / 12:00 / 23

Warren Buffet traut dem Braten nicht

Warren Buffetts Barreserven liegen jetzt bei sagenhaften 137 Milliarden Dollar. Das ist so viel wie das Bruttosozialprodukt der 50 ärmsten Staaten der Welt zusammengenommen –…/ mehr

Wolfram Weimer / 07.05.2020 / 06:29 / 105

Anders Tegnell: Der Stachel im Fleisch der Corona-Politik

Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell spaltet die Gemüter. Er trägt weder Anzüge noch Medizinerkittel. Er vermeidet jedes Pathos und Wissenschaftlergehabe. Im Strickpullover erklärt er mit lässiger…/ mehr

Wolfram Weimer / 23.04.2020 / 06:10 / 183

Robert Habeck: Die grüne Sonne geht unter

Am 7. März erreichten die Grünen im RTL/n-tv-Trendbarometer noch Zustimmungswerte von 24 Prozent. Monatelang waren sie konstant die zweitstärkste Partei in Deutschland, satte 8 Prozentpunkte betrug der…/ mehr

Wolfram Weimer / 17.04.2020 / 06:17 / 90

China blockiert Recherchen zur Virus-Herkunft

Wie kam das Coronavirus von der Fledermaus auf die Menschen? Der Tiermarkt in Wuhan war es wohl doch nicht. Ein Virus-Forschungslabor nebenan spielt offenbar eine…/ mehr

Wolfram Weimer / 03.04.2020 / 06:25 / 100

Die liberale Corona-Bekämpfung

Die Bewältigung der Corona-Krise ist nicht alternativlos. Während viele Länder Europas – auch Deutschland – auf radikale Massen-Quarantänen mit wochenlangen Ausgangssperren und Kontaktverboten setzen, vertrauen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com