Henryk M. Broder / 31.08.2013 / 21:49 / 8 / Seite ausdrucken

Trittins Traum und Lüders’ Leichen

Ich gebe mir wirklich große Mühe, Menschen nicht nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Sogar in so extremen Fällen wie Renate Künast, Peter Altmeier und Lady Ashton. Aber es gibt zwei Hackfressen, bei deren Anblick mir alles hochkommt, das ich in den letzten 48 Stunden gegessen habe.

Die eine gehört Jürgen Trittin, früher KB; heute Grüne, Berufspolitiker. Seit über 30 Jahren arbeitet er beharrlich am Umbau der Gesellschaft. Als Kommunist ist er gescheitert, aber als Umweltpolitiker durchaus erfolgreich. Die Energiewende geht z.T. auf sein Konto. Außerdem engagiert er sich für die Armen und Verfolgten dieser Welt, zuletzt für Edward Snowden.

Europa sollte dem nach Russland geflohenen Whistleblower eine “sichere Unterkunft” bieten, denn er habe “Europa einen Dienst erwiesen, indem er einen massiven Angriff auf den europäischen Bürger und Unternehmen offenbart hat”; es sei mehr als peinlich, “dass so jemand, der sich um die Demokratie ja verdient gemacht hat, der nach unserem Verständnis einen massiven Grundrechtsverstoß aufgedeckt hat, bei Despoten Unterschlupf finden muss, die selbst mit den Grundrechten auf Kriegsfuß stehen”.

Warum so jemand, der sich um die Demokratie ja verdient gemacht hat, bei Despoten Unterschlupf sucht, die ihrerseits einen Whistleblower wie Snowden in einem Gulag entsorgen würden, darüber macht sich Trittin keine Gedanken. Er könnte Snowden auch Asyl in seiner Pankower Beletage anbieten, aber das wäre vermutlich mit einem Verlust an Lebensqualität für Trittin verbunden, immer die Reporter vor der Tür und überhaupt, was wissen wir schon über diesen Mann.

Aber Trittin ist nicht nur ein Fachmann für Menschenrechte, er kennt sich auch im Völkerrecht aus. “Auf einen Bruch des Völkerrechts muss man auf dem Boden des Völkerrechts antworten”, empfahl er den Amerikanern nach dem Giftgasanschlag von Damaskus, der einige Hundert Syrer das Leben gekostet hatte. Als allerdings deutsche Finanzbehörden geklaute Datensätze Schweizer Banken ankauften, äußerte er keine rechtlichen Bedenken, denn da ging es nicht um das “Völkerrecht”, sondern nur um Hehlerei im Dienste der “Steuergerechtigkeit”. Es würde mich aber nicht wundern, wenn er demnächst erklären würde: “Auf einen Bruch der Straßenverkehrsordnung kann man nur auf dem Boden der Straßenverkehrsordnung antworten”, verbunden mit einer Empfehlung an die Polizei, bei der Verfolgung von Rasern sich streng an das von der StVO vorgeschriebene Tempolimit zu halten. Und an jeder roten Ampel stehen zu bleiben.

Die Vorstellung, Trittin könnte ein Regierungsamt übernehmen, aktiviert in Bruchteilen von Sekunden meine Fluchtreflexe. Ich würde eher in das Altmühltal ziehen, Schweinkopfsülze essen und die Geschichte der Waffen-SS von Günter Grass lesen, als mich von Trittin regieren zu lassen. Oder gleich nach Katowice zurück kehren und dort auf Karrusselbremser umlernen.

Die andere Hackfresse gehört dem Nahost-“Experten” Michael Lüders. So wird er immer vorgestellt, wenn er in der ARD, dem ZDF oder dem RTL seine Soundbites zur Lage im Nahen Osten abgibt. Dabei kann man ihm nicht einmal vorwerfen, er wäre ein Hochstapler. Auf seiner HP schreibt er, dass er über “das ägyptische Kino” promoviert hat und als Berater für Firmen arbeitet, die im Nahen Osten Geschäfte machen wollen. Es sei “nicht immer einfach, in der Region Fuß zu fassen”, deswegen bietet er “persönliche Kontakte und kulturelles Know-how” an, “um im Wettbewerb mit anderen Anbietern zu bestehen”. Zu seinen “Leistungen” gehört die “Begleitung von Firmen aus dem deutschsprachigen Raum, die sich im Nahen und Mittleren Osten engagieren oder bestehende Geschäftsfelder erweitern möchten”.

Lüders ist ein Lobbyist. Ein Kontaktvermittler. Dass man ihn in Krisenzeiten mehrmals täglich im Fernsehen sehen kann - wenn Peter Scholl-Latour zur Kur ist und Volker Pertes einen Termin im Außenamt hat - kommt vor allem daher, dass die Redakteure im Voraus wissen, was er sagen wird, nämlich nichts Neues und nur dummes Zeug, das man schon x-mal gehört hat: Es drohe ein “Flächenbrand”, man müsse eine “Eskalation der Gewalt” verhindern und die Parteien “an den Verhandlungstisch” bringen. Er könnte ebenso gut die Dialoge für die “Lindenstraße” oder “GZSZ” schreiben. Wenn der Fachmann für das ägyptische Kino nicht gerade die Körpersprache von Osama Bin Laden analysiert, dann redet er die Zustände im Iran schön und macht Werbung für eine Normalisierung der Beziehungen zu den Ayatollahs, denn der Iran gehört zu seinen Geschäftsfeldern. Und damit er seinen Geschäften im Nahen und Mittleren Osten in Ruhe nachgehen kann, soll auch das Assad-Regime in Ruhe gelassen werden.

Vor zwei Tagen hat er die USA davor gewarnt, in Syrien zu intervenieren. Das könnte nicht nur einen “Flächenbrand” auslösen, sondern auch einen “gefährlichen Präzedenzfall” schaffen und China auf die Idee bringen, Taiwan anzugreifen - unter dem Vorwand, Terror zu bekämpfen.
Was für ein Vollpfosten! China braucht keinen Präzedenzfall. Es hat ein Massaker auf dem Tiananmen Platz angerichtet, es unterdrückt die Tibeter, die Uiguren und andere Ethnien in seinem Reich und es richtet mehr Menschen hin als jedes andere Land der Welt.

Aber das muss Lüders nicht wissen. Er ist ja nur Experte für den Nahen und Mittleren Osten. Was für ein Glück, dass er nicht über “das chinesische Kino” promoviert hat.

Siehe auch:
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/ein_flaechenbrand_namens_lueders

 

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Wilfried Haberer / 03.09.2013

Sehr geehrter Herr Broder, Jürgen Trittin ist mir genauso unangenehm wie ihnen, aber er war und ist kein echter Grüner. Ich kam aus dem BUND zu den Gründungsversammlungen der Grünen, wir hatten Erfolg und mit dem Erfolg kamen die Knallroten wie Herr Trittin. Sie tricksten uns “bürgerlichen” regelrecht aus. Mit Diskussionen bis tief in die Nacht wurden die arbeitenden Mitbürger von den kommunistischen Langschläfern mürbe gemacht. Die Führung der heutigen Grünen hat sich damals an die Macht geputscht und die halten sie fest. Danke für ihren Artikel.

Maria-Anna Konietzko / 01.09.2013

Mit Sicherheit ist Assad kein Demokrat, genauso wie auch Mubarak keiner war, aber genauso wie auch die Rebellen des “arabischen Frühlings” in Ägypten und noch mehr die in Syrien keine Demokraten sind! Es sind mörderische Islamisten, die in Syrien einen Gottesstaat unter Auslöschung der Alawiten und letzten orientalischen Christen errichten wollen. Welchen Grund sollte es geben, dies zu unterstützen? Und für Israel ist Assad bestimmt kein angenehmer Nachbar, aber wäre das ein islamischer Gottesstaat mit talibanähnlicher Regierung? Wem nützen die Giftgasangriffe? Vor allem den Al-Nusra-Kämpfern, die sich schon durch viele Greueltaten hervorgetan haben, unter anderem das Schlachten von Assad-Soldaten und das auf Video dokumentierte anschließende Ausweiden der Toten: die hätte mit Hilfe amerikanischer Bomben eine Chance ihren Gottesstaat zu verwirklichen.  Bei der Einschätzung Trittins bin ich ansonsten Ihrer Meinung, Herr Broder, in Syrien aber sollte der Westen nicht helfen, ein weiteres islamisches Mörderregime herbeizubomben. Da ist Assad tatsächlich das kleinere Übel.

Wolfgang Uhr / 01.09.2013

> Ich würde eher in das Altmühltal ziehen, Schweinkopfsülze essen und die Geschichte der Waffen-SS von Günter Grass lesen, als mich von Trittin regieren zu lassen. Oder gleich nach Katowice zurück kehren und dort auf Karrusselbremser umlernen. Darf ich Sie daran erinnern, wenn es soweit ist?

Mona Rieboldt / 01.09.2013

Lüders höre ich mir schon lange nicht mehr an. Und bei Trittin, der offensichtlich in Arroganz erstarrt ist, wird mir übel. Und ja, die Grünen wollen die Gesellschaft verändern, und zwar so, dass es die Bevölkerung erst merkt, wenn es zu spät ist. Wer kann schon etwas gegen einen Veggie-Tag haben, dass danach ein stark eingeschränktes Fleischangebot kommen wird etc., soll man ja noch nicht sehen. Das wird dann auch in Gesetze gegossen wie das Rauchverbot.

Ronald M. Hahn / 01.09.2013

In den frühen 1960er Jahren hab ich mal ein Fernsehspiel gesehen, das um 1912 herum spielt. Da wird Alexander Kerst von einem Schneider abgemessen, der anschließend zu ihm sagt: “Sie sind ja dat blühende Leben, Herr Major. Wenn ick ‘n Weib wäre, würd ick glatt ‘n Kind von Sie haben wollen.” So wat denk ick des Öfteren, wenn ick Henryk M. Broder lese!

Michael Geier / 01.09.2013

Noch bis vor kurzem hätte ich die Grünen halt Grüne sein lassen, was etwas mit meiner (alt)bayerischen Einstellung von “Leben u. Leben lassen” o. meiner freiheitlich-christl. Weltanschauung bzw. einem Zusammenspiel von beiden zu tun haben dürfte.  Nun gibt es aber viele Christen, vor allem unter den Margot Käsmann Fans anzutreffen, die lieber über das gemeinsame Abendmahl (so wichtig es sein mag!) o. über Friedenslösungen in Afghanistan diskutieren, anstatt auf die (gem. der Taten Jesu, der auch realistischer “Pragmatiker” war)  KONKRETEN PROBLEME INNERHALB DES EIGENEN DUNSTKREISES bzw. DES EIGENEN LANDES zu reagieren. Und dazu gehört, KRANKES auch KRANK zu nennen; “Scheinfrommen”, die unter dem Slogan “Freiheit” nur Unfreiheit schaffen, die Masken vom Gesicht zu reißen. Und hier kommt man in der Tat, weder an Trittin, noch an den meisten anderen Grünen, mit halbwegs guten Gewissens noch vorbei. Denn sie sind definitiv zu weit gegangen.  Morbidität kann auf Dauer nicht in sich selbst bestehen, weshalb, gerade in letzter Zeit, die Masken der grün lackierten Faschisten, nahezu reihenweise fallen, was eben selbst den abgebrühtesten Hardcore- Gutmenschen nicht ganz verborgen blieb (siehe letzte Wahlumfragen für die Grünen).  Angefangen von diversen Kindersex-Phantasien, bis hin zur Lockerung/Aufhebung(?) des Inzest-Verbots (unter der Schirmherrschaft des Partei u. RAF-Rechtsanwalt-Opis, Ströbele); oder dem nur allzu offensichtlichen Wunsch, alte Lieder, nur mit neu frisierter -bzw. “informierter” Textauswahl, anzustimmen etc., sie haben “Kunde gebracht”, wie es der Evangelist Johannes in seinem Prolog formulierte.  Insofern haben sich die zunehmend durchgeknallten grünen Möchtegerndiktatoren/innen, wie es Trittin, neulich bei Illner im ZDF, ja mal wieder eindrucksvoll dargeboten hat, längst geoutet. PS. Und Lüders verweigere ich mich (noch), denn: “Wer zu viel Wissen anhäuft, häuft auch zu viel Sorge an:-)

Frank Frey / 01.09.2013

Lieber Herr Broder, haben Sie etwas gegen das Altmühltal (unverarbeitetes Trauma)? Ein Ihre Kommentare lesender Franke

Rainer Dingler / 01.09.2013

Sehr geehrter Herr Broder, wenn man in Weinlaune ist, sollte man Stellungnahmen ins Internet stellen. Für sein Aussehen kann keiner etwas. Für seine Aussagen schon.

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