Wolfgang Röhl / 21.01.2015 / 07:00 / 7 / Seite ausdrucken

Til Schweiger trinkt keinen Kakao

Der Schauspieler, Regisseur, Produzent und Wassonstnochalles Til Schweiger hat wieder einen Treffer gelandet. „Honig im Kopf“ ist die, sagen wir mal Tramödie um einen an Alzheimer erkrankten Alten (Dieter Hallervorden). Den möchte sein Sohn (Schweiger) gern ins Heim entsorgen, was die Enkelin (Schweiger-Tochter Emma) clever sabotiert. Ich habe den Film weder gesehen noch werde ich dies tun, aus Desinteresse am Thema. Finde aber erstaunlich, dass man mit einem solchen Stoff innerhalb von vier Wochen 3,5 Millionen Zuschauer in die Kinosessel kriegt. Wahrscheinlich wird das Werk am Ende sechs Millionen oder so Zuschauer eingesammelt haben, wie schon Schweigers „Keinohrhasen“. Und ja, das ist gut.

Schon deshalb, weil die deutsche Kinolandschaft jedes Jahr Blockbuster braucht, um überleben zu können. Es ist da ähnlich wie bei Buchverlagen. Ab und an muss ein Bestseller her, damit auch der Mittelbau und die Spartenproduktion erscheinen können. Mein Lieblingsplüschkino „Passage“ an Hamburgs Mönckebergstraße hätte längst dichtmachen müssen, würde es nur Filme nach meinem erlesenen Geschmack zeigen, etwa „Mr. Turner“, „No country for old men“ oder „Machete“.  Früher waren die „Otto“-Filme Lokomotiven, die den ganzen Lichtspieltheaterbahnhof zogen. Heute sind es unter anderem die Filme von Til Schweiger.

Schweiger ist mir als Lok sogar lieber, weil ihn die Filmfeuilletonisten hassen. Leute wie der „FAZ“-Schöngeist Andreas Kilb, hier stellvertretend benannt für die ganze Herde von anspruchsschnaubenden Filmkritikhengsten. Jener Cinéastentypus, der vor Jahrzehnten für das elitäre Winzblatt „Filmkritik“ wirkte, welche das legendäre, noch versponnenere französische Filmmagazin „Cahiers du cinéma“ zu kopieren suchte. Tonangebend in dieser Szene sind Leute, die einen Film erst richtig gut finden, „wenn er Untertitel hat und der Regisseur politisch verfolgt wird“, wie die „Hamburger Morgenpost“ mal in einem luzidum intervallum witzelte. Leute also, die Filmförderungspflanzen wie Christian Petzold oder Dominik Graf mit Lob überschwemmen, deren Ehrgeiz darauf abzielt, dass möglichst nicht mehr als 60.000 Zuschauer Darbietungen wie „Yella“ anschauen.

Für die gehobene Filmkritik ist Schweiger, der seine Karriere als ewiger Darsteller seiner selbst anno 1991 mit der Spätpubertätskomödie „Manta, Manta“ begann und später als dreister Nuschelbulle an der Seite von Hannelore Elsner in der Krimiserie „Die Kommissarin“ aufschien, der Dödel schlechthin. Ein Trottelfilmer von der letzten Bank, der natürlich niemals Lametta aus dem inzestuösen Geflecht der Film- und Fernsehselbstbeweihräucherungsgremien erhält, dafür aber an der Kasse umso heftiger abräumt. Ein steter Pfahl im Fleisch von Zeitgenossen, die noch im 21. Jahrhundert mit Siegfried Kracauer-Zitaten um sich schmeißen und beim Namen Jean-Luc Godard den Gebetsteppich ausrollen.

Natürlich muss man kein Fan von Schweiger sein. Auch wenn er, finde ich, als Hamburger „Tatort“-Ballermann ganz gut den kleinen deutschen Bruder von Bruce Willis gibt. Gewöhnlich sind Schweigers Filme ein recht harmloses Vergnügen, weshalb sie gern ins Bordprogramm der Lufthansa aufgenommen werden. Wer müde ist und zwei, drei Gin-Tonic intus hat, kommt etwa mit „Kokowääh“ kommod über die Langstrecke. Kurz, Schweiger tut nichts Böses. Doch die prätentiöse Filmkritik überschüttet ihn zuverlässig mit Häme, was sie bei Otto nie tat. Schweiger hat daraus eine Konsequenz gezogen, die mir den Mann regelrecht sympathisch macht.

Seit Jahren zeigt er seine Filme nicht mehr vor dem Start in Pressevorführungen, wie es in der Kinobranche üblich ist. Das Anmieten von Sälen und die Darreichung von Snacks und Getränken an seine schreibenden Verächter kosten ihn 30.000 Euro und bringen rein nichts, hat er ausgerechnet. Wer über seine Filme schreiben beziehungsweise sie verreißen wolle, solle sich zu diesem Zweck ein Billet für eine Publikumsvorstellung kaufen, ließ er wissen.

Das machte die Gilde der Kritiker erst recht fuchtig, ist sie es doch gewohnt, Filme vorab exklusiv und befreit vom zahlenden Pöbel präsentiert zu bekommen, ein Gläschen Schampus auf dem Schoß. Der „Deutschlandfunk“ sprach gar von einem „Presseverbot“, was selbstverständlich Unsinn ist. Schweiger darf sich den Affront leisten. Sobald etwas von (und meistens auch mit) ihm in die Kinos kommt, kann es von den Medien sowieso nicht ignoriert werden. Wenn ein Film schon am ersten Wochenende nach dem Start eine halbe Million Zuschauer hat, wird nolens volens darüber berichtet – sehr viele deutsche Kinorenner gibt es bekanntlich nicht. 

Es verhält sich ohnehin so, dass Filmkritiken, im Gegensatz zu Buchkritiken, kaum zum Erfolg oder Misserfolg einer Produktion beitragen. Entscheidend für die Box-Office-Zahlen ist die Mund-zu-Mund-Propaganda, also das Publikum selber. Erwähnen muss man, dass Schweigers Kritiker-Boykott nicht ganz flächendeckend ist. Er lädt zu „Family & Friends“-Vorführungen seiner Filme schon mal ein paar Journalisten ein, die ihm nicht grundsätzlich feindlich gesonnen sind.

Mag sein, dass „Honig im Kopf“ ein einfach gestrickter, vielleicht sogar einfältiger Film ist. Scheint aber, dass er zum ersten deutschen Kinohit des Jahres wird. Bewirkt hat das Til Schweiger, ohne Zutun der Kritiker-Kamarilla. Cojones zu besitzen, ehrt den Träger und schadet offenbar nicht. Nützlich, sich immer an Erich Kästners Mahnung zu erinnern: Nie von dem Kakao trinken, durch den man gezogen wird.

 

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Gudrun Eussner / 22.01.2015

Zum ersten Mal ist mir Til Schweiger sympathisch. Danke, lieber Herr Röhl, für diese Erleuchtung. Ich kannte ihn aus der “Kommissarin”. Seit der Zeit habe ich nie mehr einen Film mit ihm eingeschaltet. Gruß, Gudrun Eussner

Martin Hagemann / 22.01.2015

Sehr geehrter Herr Röhl, Sie schreiben: “Ein Trottelfilmer von der letzten Bank, der natürlich niemals Lametta aus dem inzestuösen Geflecht der Film- und Fernsehselbstbeweihräucherungsgremien erhält, dafür aber an der Kasse umso heftiger abräumt.” Mit 5 Minuten Recherche hätten Sie unter Schweiger/Filmförderung/Honig auf folgende links stossen könne: - HH-Abendblatt 24.3.14: 750.000 Euro für Til Schweigers “Honig im Kopf” Bei der Filmförderung staubte Schweiger für seinen Familienfilm die höchste Summe ab. - Medienboard Berlin homepage: Honig im Kopf, Drehorte: Berlin und Hamburg Produktionsförderung: 900.000 Euro - FFA homepage: HONIG IM KOPF, Produzent:Barefoot Films GmbH, Regie:cTil Schweiger, Förderung 584.000 Euro - DFFF, FFA homepage: HONIG IM KOPF: 1.041.680 € Zuschuss Dazu kommen die Förderungs-Erfolgsprämien aus Kokowäh, die bei 2,7mio Zuschauern über 1 mio € lagen und ein millionenschwerer TV-Vertrag. So kommen Budgets in Deutschland zusammen, für Christian Petzhold, aber eben auch für Til Schweiger. Alles sei Til Schweiger und seiner Firma gegönnt, aber bei weit über 5mio € öffentlicher Förderung für den Blockbuster ist Ihre Ehrenrettung eines aufrechten Kämpfers gegen das “inzestuöse” Geflecht der Film- und Fernsehselbstbeweihräucherungsgremien” abwegig. Da sei doch bitte Christian Petzhold und anderen deren Förderung gegönnt. Zumal seine Filme anregen und zu interessanten Auseinandersetzungen führen, während das ebenso berechtigte Entertainment von Herrn Schweiger ganz andere gesellschaftliche Funktionen erfüllt. Beides zu vergleichen und dann noch mit falschen Behauptungen zu arbeiten, ist unseriös.  

Wolfgang Röhl / 21.01.2015

@Karsten Koop: Ein Klick auf den Duden kann nie schaden: http://www.duden.de/rechtschreibung/Mund_zu_Mund_Propaganda

Karsten Koop / 21.01.2015

Mund-zu-Mund-Propaganda gibt es nicht. Entweder Mundpropaganda oder Mund-zu-Mund-Beatmung.

Kurt Schrader / 20.01.2015

Lieber Herr Röhl, ein sehr schöner und intellektueller Artikel über den deutschen Film, der aber ja auch eine gewisse Sympathie für Till Schweiger erkennen lässt, die ich so teile. Klar sind Sie kein Till-Schweiger-Fan, aber schauen Sie sich diesen Film doch bitte trotzdem ruhig einmal selbst an! Natürlich gibt es “unnötige” und übertriebene Effekte, aber Dieter, Didi Hallervorden ist großartig und berührend und die kleine Tochter von Till Schweiger auch. Ein Film über Alzheimerkranke, in dem man lachen (!) und weinen kann, ist selten; in diesem Film geht das - trotz mancher Bilder um der Bilder willen (wunderbare Bergwelt, Venedig!); es geht, weil der Film einen berührt! Natürlich ist es insgesamt nichts anderes als ein gut gemachtes (!) schönes Märchen über eine Erkrankung, die man weder ändern noch heilen kann, und bei der nichts bleibt, als die so schmerzlich erkrankten Menschen weiter zu lieben und zu versuchen, ihnen möglichst nahe zu bleiben, und ihnen diese Nähe bis zum Ende so oft wie möglich spüren zu lassen! Und es geht auch darum, dabei möglichst viel Normalität zu bewahren, und auch das Lachen nicht zu vergessen! Ich finde, das zu zeigen, gelingt diesem Film! Und das finde ich viel! Und es hat mir gefallen, und ich denke, es könnte Ihnen vielleicht auch gefallen - und das Thema: könnte man sich doch vielleicht auch einmal drauf einlassen, oder?! Mit freundlichen Grüßen Kurt Schrader Duisburg

Roland Kundhardt / 20.01.2015

Gut gebrüllt, Herr Röhl! Man kann ihn mögen oder nicht, den Herrn Schweiger, aber auf alle Fälle gebührt ihm für sein berufliches Wirken eines, nämlich Respekt! Dieser wird ihm von der Medienöffentlichkeit auf oft schon unverschämte Weiste verwehrt, deshalb habe ich Ihren Beitrag mit Genugtuung rezipiert. Dieser Mann schein männlicher zu sein, als es so manche männliche Beißstute auszuhalten in der Lage ist. Er ist attraktiv, intelligent und auch noch erfolgreich. Das gängige Schweiger-Bashing ist somit auch ein Symptom einer fehlgeleiteten Entwicklung in Bezug auf die geschlechtliche Identifikation und Ausgestaltung von Geschlechterrollen durch “moderne” Männer. Wer sich darum bemüht, sich die Ergebnisgleichheit des Genderismus schön zu suggerieren, findet in einem ernstzunehmenden Konkurrenten auf dem freien Markt der Partnerwahl, wie er durch Herrn Schweiger besteht, natürlich eine feine Projektionsfläche für seine eigenen Neurosen. Außerdem ist Herr Schweiger ein Typ, von dem Frauen typischerweise sagen, dass sie sich NIE auf ihn einlassen würden, der aber gerade diese Frauen in langweiligen Routinen wachsweich in die Falle kneten könnte ... wenn es ihn nicht so langweilen würde. Er muss nämlich niemandem mehr etwas beweisen. 

Kurt Schrader / 20.01.2015

Lieber Herr Röhl, ein sehr schöner und intellektueller Artikel über den deutschen Film, der aber ja auch eine gewisse Sympathie für Till Schweiger erkennen lässt, die ich so teile. Klar sind Sie kein Till-Schweiger-Fan, aber schauen Sie sich diesen Film doch bitte trotzdem ruhig einmal selbst an! Natürlich gibt es “unnötige” und übertriebene Effekte, aber Dieter, Didi Hallervorden ist großartig und berührend und die kleine Tochter von Till Schweiger auch. Ein Film über Alzheimerkranke, in dem man lachen (!) und weinen kann, ist selten; in diesem Film geht das - trotz mancher Bilder um der Bilder willen (wunderbare Bergwelt, Venedig!); es geht, weil der Film einen berührt! Natürlich ist es insgesamt nichts anderes als ein gut gemachtes (!) schönes Märchen über eine Erkrankung, die man weder ändern noch heilen kann, und bei der nichts bleibt, als die so schmerzlich erkrankten Menschen weiter zu lieben und zu versuchen, ihnen möglichst nahe zu bleiben, und ihnen bis zum Ende so viel wie möglich von dieser Liebe zu vermitteln! Ich finde, das zu zeigen, gelingt diesem Film! Und das finde ich viel! Und es hat mir gefallen, und ich denke, es könnte Ihnen vielleicht auch gefallen! Mit freundlichen Grüßen Kurt Schrader Duisburg

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