Michael Holmes (Gastautor) / 05.03.2007 / 08:44 / 0 / Seite ausdrucken

The Petronas Twin Towers here, the Petronas Twin Towers there…

The Petronas Twin Towers everywhere. Das Wahrzeichen Kuala Lumpurs. Das Wahrzeichen Malaysias. Mehr noch: „The Pride of Malaysia!“, „The Future of Malaysia!!“, und vor allem: „The second tallest building in the world!!!”, auf Kaffeetassen und Shorts, auf Schulgebäuden und Bussen. Wieder und wieder, besonders gern im Vergleich, erzählt man uns: “Much taller than the Empire State Building”, “Taller than the Sears Tower in Chicago”.
“Isn’t it beautiful?”, „Isn’t it amazing?“, unmöglich zu widersprechen, schöner ist nur der charming accent mit dem die Frage gestellt wird. So begeistert erzählt man uns von diesen Riesen, dass wir sie schon vor uns sehen, bevor sie dann auch - wir erreichen gerade erst den Stadtrand der Metropole - tatsächlich am Horizont auftauchen.
„I like those old british colonial buildings, they are beautiful“, erzähle ich einem Taxifahrer, “but when you’ve just seen the Twin Towers - don’t get me wrong, but… they are almost boring!” Er lacht: “Yes, for us the Twin Towers are like… uhm… uhm… maybe like what Jürgen Klinsmann is to Germany.”
‘Ein Zeichen der Arroganz und der Ausbeutung’, würde die Linke schimpfen. ‚Ein Zeichen der Arroganz und der Dekadenz’, schimpfen die Islamisten. Und ein kleines Körnchen Wahrheit steckt in diesem Ressentiment: Von der Sky Bridge, die die beiden Türme verbindet, kann man weit unter sich die Holzhütten der Unterschicht sehen.
NUR: Es sind eigentlich keine Holzhütten, es sind eher Holzhäuser, die Hütten stehen auf dem Land und in Ostmalaysia. Es sind sicher nicht die Häuser der Arbeiter, die dieses architektonische Wunderwerk haben Wirklichkeit werden lassen. Und die Menschen, denen sie gehören, stehen neben den Touristen auf der Sky Bridge, denn der Eintritt ist frei.
Davon abgesehen sieht man sie auch nur, wenn man den Norden der Stadt ein wenig genauer unter die Lupe nimmt. Sonst blickt man auf eine Skyline, die sich vor Manhattan nicht zu verstecken braucht, auf eine shopping mall, in der man sich nicht nur verlaufen kann, sondern als Tourist verlaufen wird und auf einen Park, der völlig zurecht ‚Central Park’ genannt wird.
Diesen Park, diese Mall, diese Menschen möchte man all den Linken oder Konservativen zeigen, die vielleicht noch zugeben werden, dass es heute in Asien weniger Armut als vor 30 Jahren gibt - was eine Lüge ist, denn es gibt SEHR viel weniger Armut -, nur um dann doch Zeter und Mordio zu schreien: ‚Der Wohlstand sei diesen Menschen gegönnt, aber sie bezahlen einen hohen Preis: Ihr Leben besteht nur noch aus harter und stupider Arbeit, sie werden entfremdet, vereinzelt und enden im Karoshi, dem Tod durch Arbeit, usw.’
Sicher arbeitet die neue Mittel- und Oberschicht oft bis zum Umfallen. Aber diese Menschen wissen auch warum. Sie wissen, wohin sie nie wieder zurück wollen. Sie sind der Armut gerade erst entronnen. Der Arbeitswahn wird sich als Übergangsphänomen erweisen, als Überanpassung an die neue, noch ungewohnte Welt der modernen Marktwirtschaft. Jetzt schon sieht man viele Menschen bewusst entspannen und ihren wohlverdienten Reichtum geniessen. Im Schatten der Türme sitzen sie vor einem künstlichen, aber schönen Teich, trinken milkshake und lassen die Füsse baumeln. 50 Meter weiter planschen die Kinder in einem kleinen, kostenlosen Freibad und spielen mit den Wasserfällen oder coolen amerikanischen super soakern. 100 Meter in die andere Richtung ziehen Businessmen ihre teuren Schuhe aus, bevor sie sich in einem kühlen chinesischen Tempel ein wenig von der hektischen Geldmacherei erholen.
Wer möchte, darf lachen, über all die Malaysier, die auf zwei Hochhäuser starren und von einer besseren Zukunft träumen; darf mit dem Finger auf die Bettler, die Huren oder den Smog über der Stadt deuten. Die Alternative zu diesem vielleicht manchmal etwas naiven Fortschrittsoptimismus ist Fatalismus oder Schlimmeres: auch in Asien gibt es bekanntlich eine Al-Kaida. Und sie versucht junge, hoffnungslose, von der Moderne irritierte und zornige Männer zu rekrutieren, um dem neuen modernen Asien sein 9/11 zu bescheren.

Ach so, fast hätte ichs vergessen: Die No. 1 unter den Skyscrapes, in case you don’t know, steht nicht in Europa oder Amerika. Aber natürlich steht sie im Westen: Taipei 101 steht in einem Land, das im Demokratie-Ranking von Freedom House jedes Jahr Bestnoten erhält, auf einer Insel der Freiheit vor Chinas Küste. The Future of Asia. Hopefully.

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