Frank Stern
Kein Augstein, kein Terror, kein Klima – dafür eine Reise auf eine merkwürdige Insel am anderen Ende der Welt.
Wir machen uns zur Newdegate-Höhle auf, eine der größten Dolomitkavernen in der südlichen Hemisphäre. Der Weg dorthin hat es allerdings in sich, auf der aufgeweichten Waldpiste beginnt unser Stadtauto jedenfalls bedenklich zu schlingern. Sind solche Motocrossfahrten von dem Mietvertrag eigentlich gedeckt? Egal. Mit Schwung setzen wir durch die nächste Schlammmulde. Newdegate wurde 1917 von Waldarbeitern entdeckt.
40 Millionen Jahre habe es gebraucht, die Märchenwelt aus Stalakmiten und Stalaktiten zu formen, erzählt uns unsere Höhlenführerin. Da sind die beiden Babys, die zwei junge Paare mit in die konstant neun Grad kalte Unterwelt gebracht haben, noch friedlich. Doch schon kurze Zeit später beginnen sie, abwechselnd die Akustik in dem weitverzweigten Labyrinth zu testen. Sinkt das eine Häschen erschöpft an die Schulter seines sanften Vaters, übernimmt das andere. Wir hören noch, wie die Höhlenfrau von den Jazzkonzerten schwärmt, die hier manchmal veranstaltet werden. Der Rest geht unter.
Zurück am Besucherzentrum laden die Thermalquellen von Hastings zur Entspannung ein. Wassertemperatur das ganze Jahr über 28 Grad. Wer Glück hat, kann an den Bächen in der Umgebung den berühmten Platipus beobachten, den es nur in Tasmanien gibt, heißt es in einer Informationsbroschüre der Parkverwaltung. Wir haben kein Glück. Weder in Hastings, noch in Geeveston, wo es einen eigenen Platipuspfad entlang des örtlichen Flüsschens gibt. Und auch später nicht. Nirgends. Wo auch immer wir dem Schnabeltier nachstellen – Fehlanzeige.
Schon als das erste ausgestopfte Exemplar 1799 in England ankam, glaubten die dortigen Wissenschaftler an einen ausgemachten Schwindel. Sie meinten – und im Lichte unserer jüngsten Erfahrungen durchaus nachvollziehbar –, dass das biberähnliche Fellviech mit dem Entenschnabel aus verschiedenen Versatzstücken zusammengestöpselt wurde. Wer sich Fotos von dem Mischwesen ansieht, das angeblich Eier legt, die Jungen dann aber mit Muttermilch säugt, dem ist schnell klar, dass der Schnabel an den Kopf geschraubt, geklebt oder getackert worden sein muss. So was wächst nicht einfach so. Beim Platipus, und wir sind die Ersten die dies nach über 200 Jahren wieder offen aussprechen, handelt es sich ganz offensichtlich um einen Wolpertinger aus Down-under.
Als Tagesziel haben wir uns schließlich für Dover entschieden, ein kleines Fischerdorf, 80 Kilometer von Hobart entfernt. Nur Southport liegt noch südlicher. Danach kommt die Antarktis. Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig zu den Driftwood Cottages, bevor die Rezeption dicht macht. Die meisten Bungalows stehen zu dieser Jahreszeit leer. Wir wählen einen in der ersten Reihe mit Blick auf Port Esperance.
1792 hatte Antoine Bruni D’Entrecasteaux die Gegend kartographiert und die Bucht nach seinem Schiff, der L’Esperance, Hafen der Hoffnung getauft. Es war so ziemlich das Letzte, was der Franzose gemacht hat. Ein Jahr später war er tot. Skorbut. Wir sitzen mit einer Flasche Wein auf der Veranda und schauen zu, wie die Bucht mit ihren Inseln Faith, Hope und Charity – Glaube, Hoffnung, Barmherzigkeit – nach und nach in tiefem Blau versinkt. Es ist die Stunde, in der Tasmaniens heimische Tierwelt unter die Räder gerät. Wir werden den Opfern des nächtlichen Massakers am nächsten Morgen auf der Straße begegnen. Ein paar Boote schaukeln auf dem Wasser. Es ist still.
Im dritten Teil setzen wir über nach Bruny Island, wo sich einst die Creme der großen Seefahrer und Entdecker die Klinke in die Hand gab.
Dr. Frank Stern ist Journalist mit Themen-Schwerpunkt Asien-Pazifik.