“Was ist dir wichtig?” Lieber Herr Wegner, das ist in der Tat eine Frage, die heutzutage jeder Bürger intensiv erforschen sollte. Ich wuchs in einem Umfeld auf, in dem man auf dem Mainstream bequem und sicher mitsegeln konnte. Geändert hat sich das durch das glasklare und neutrale Hinterfragen gewisser eingeschliffener Denkrichtungen seitens meines australischen Mannes. Es ist ein Segen, einen Gesprächspartner außerhalb der eigenen Denkblase zu haben und kritiklos übernommenen Standpunkte dadurch erneut auf den Prüfstand stellen zu müssen. Wenn man dieses Privileg nicht hat, kann man zumindest eine große Bandbreite an Meinungen (v.a. auch internationale) im Internet lesen. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass ich mir fremde Standpunkte garnicht erst las, sondern gleich mit vorgefertigten fremdübernommenen Gegenargumenten abschmetterte. Inzwischen lese ich alles, auch noch so fremdes, denke darüber nach und diskutiere es mit meinem Mann.
Sehr geehrter Herr Wegner, zuallererst vielen Dank für diesen erneut gelungenen Text ! Auch bei mir hat die zunehmende verbale und strukturelle Gewalt in Talk-shows in den letzten Jahren eine fast schon körperlich fühlbare Abwehrreaktion hervorgerufen, so sehr überkommt mich Abscheu bei der zufälligen Angesichtigkeit von Will, Maischberger, Lanz und Konsorten beim abendlichen Zappen. Noch wesentlich tragischer wird der Verfall der Kommunikationskultur allerdings im Bundestag deutlich, wenn Mitglieder “der anderen Partei” am Rednerpult stehen und die Adressierten sich demonstrativ mit ihrem Smartphone, ihrem Sitznachbar oder sonstwas beschäftigen, oder wie (letztens beim Auftritt ihres erklärten Erzfeindes Gauland) unsere Bundeskanzlerin einfach mal den Saal verlässt ! Es ist schon müßig, hier nur das Fehlen von Kinderstube und Respekt für das Gegenüber anzumerken, es ist vielmehr die Ahnung, daß das tägliche politische Geschäft im Verborgenen auf der Grundlage ebensolcher schreiender Ignoranz und Respektlosigkeit fußt, die Angst macht!
Sehr wahr! Aber angesichts der völlig empathielosen Führungscliquen in Politik und Medien so folgenlos wie das von niemandem gehörte Geräusch des umfallenden Baums im Wald.
Debatten sind, sehr geehrter Herr Wegner, das rationale Gift der bornierten Ideologen. Wie Sie treffend bemerken - Wer am lautesten “Ich habe die Weißheit gepachtet, alle anderen sind nur dumme Nazis”, dem wird geglaubt. Und wer glaubt sich mit ruhiger Stimme in einer 4-1 Unterzahl - vom ausgesuchten, bezahlten und orchestriertem Zuschauerraum ganz abgesehen - durchsetzen zu können, der irrt gewaltig und ist schlicht naiv. Den Deutungshoheitsinhabern dieser Zeit ist das natürlich bewusst. Aber halt, ist das so? Umso lauter sie “rufen”, umso dreister sie ihre Lüge verbreiten, desto mehr wendet sich der Zuschauer angewidert ob dieser offensichtlichen “TalkSHOW” ab und einem lesenswerten guten Buch oder dem Netz - dem kollektivem gesunden Menschenverstand - erst ärgerlich, dann doch erleichert, zu. So bleibt zum Schluß zu bemerken, sie senden zwar auf allen Kanälen, nur niemand schaut mehr hin. Spätestens jetzt müsste dem feurigstem Anhänger des Gutmenschentums klarwerden, das sie ihre Deutungshoheit nur noch unter Gleichen, aber nicht mehr dem Volk verkaufen können.
Danke Herr Wegner. Ihr Artikel hat mich in tiefster Nachdenklichkeit verbleiben lassen. Sie haben ein jahrtausende altes, menschliches Problem mit klaren Worten umrissen. Ich werde versuchen, wenigstens Teile davon umzusetzen. Wenn es mir auch jetzt noch schier Unmöglich erscheint.
Genau aus den Gründen, die Sie anführen, schaue ich mir keine Talkshows im Fernsehen mehr an, keine Nachrichten und keine Satiresendungen. Mit dem zusätzlichen Effekt, dass ich inzwischen seit Jahren ganz auf das Fernsehen verzichte, abgesehen von Wahlabenden. Auch die hysterischen und unqualifizierten Reaktionen von Abgeordneten der etablierten Parteien bei niveauvollen und sachlich orientierten Reden der AfD als der einzigen Oppositionspartei wären eine eigene, tiefergehende Betrachtung wert. Einige Redner der altbekannten Volksvertreter - wie erst kürzlich Cem Özdemir von den Grünen - scheinen außerdem dazu über zu gehen, Schieflage und fehlenden Inhalt durch übertriebene Lautstärke ersetzen zu wollen. Alles in allem keine Anzeichen einer zivilisierten Debattenkultur, besonders eben nicht aufseiten der etablierten Parteien.
Vor dem Zuhören stehen das Systematisieren und Verstehen durch stilles Nachdenken, das stille Aufspüren von Widersprüchen und das Generieren von Fragen. Derart strukturierte Fragen bilden die Mitivation fürs Zuhören. Dass Antworten selten aus Polit-Talkshows kommen, muss nicht die Folge von Brüllorgien oder einer entgleisenden Debattenkultur sein. Wir sind vielmehr daran gewöhnt, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen die Realität konsequent auf eine extreme Weise interpretiert: Z.B.: Masseneinwanderung ist positiv, bereichert uns, niemand wird etwas weggenommen, sie ist auch nicht durch multiple Rechtsbrüche der Regierung erst möglich geworden, alle Menschen, die das anders sehen, sind moralisch defekt, rechtsextrem, islamophob, fremdenfeindlich, potentielle AfD-Wähler, wenn nicht noch schlimmer. Staaten, die die Aufnahme von Migranten ablehnen und die Sicherung der EU-Außengrenzen anmahnen, sind unsolidarisch und undemokratisch. An unserem Nachbarn Polen will Brüssel demnächst ein Straf-Exempel statuieren. Wie fest die Pflöcke dieser Denk- und Sprechregeln eingeschlagen sind, kann man immer wieder erfahren. Gereiztheit kommt auf, wenn ein Diskutant die Dramaturgie der Scheindebatte mit Fragen und Statements stört und deswegen unter Studioapplaus abgeschaltet werden muss. - Die Polit-Schwatzschau in ARD und ZDF ist als Beispiel für gutes Zuhören und Debattenkultur eher nicht geeignet. Das Zuhören, also die Bereitschaft und Fähigkeit, Informationen aufzunehmen - das hat die Kognitionsforschung nachweisen können-, ist ganz wesentlich von Motivation und Emotion abhängig. Versteht der Absender, durch positive emotionale Signale beim Empfänger Offenheit und Aufnahmebereitschaft zu erzeugen, macht er ihm das Zuhören leicht. Wirken diese Variablen gegenseitig, dann ist auch kultiviert sachliche Austragen von Kontroversen möglich. Emotion und Motivation sind also bei der Beurteilung der Debattenqualität nicht vernachlässigt werden.
Nun das mit dem Brüllen in Talkshows habe ich kaum mitbekommen. Es ist zwar so, dass wie im Falle Eva Herman bei Kerner diese Frau mehreren Menschen mit anderer Ansicht gegenüber saß und dann “rausgeschmissen” wurde. Das lief trotzdem noch höflich ab. Oder bei Anne Will, wo Bernd Lucke zuerst am Rande der Gesprächsrunde auf dem Platz “der einfachen Leute” sass.
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