Wolfgang Röhl / 21.05.2018 / 15:30 / Foto: Tim Maxeiner / 11 / Seite ausdrucken

„T-online.de“: Die unterschätzte Meinungsschleuder

Unsere große, bunte Medienvielfaltspalette hat einen neuen Klecks erhalten! Gut, wirklich frisch sieht er bei schärferem Hinschauen nicht aus. Und Klecks ist vielleicht untertrieben – es handelt sich um einen regelrechten, nun ja, Haufen. Doch der Reihe nach.

Die Website „t-online.de“ gehörte lange Zeit zur Telekom. Der mächtige Provider zwangsbeglückte seine E-Mail-Kunden mit einer simulierten Nachrichtenseite, welche aufpoppte, sobald man den eigenen Account anklickte. Auf der Seite befand sich ein oft erratisches Gemisch aus zusammengeschrubbten Agenturschnipseln, Promiklatsch, Sportergebnissen, Katzenvideos, Wetterberichten und Werbebotschaften. 

2015 verkaufte die Telekom neben anderem Digitalschrott auch diese Website an die Ströer-Media-Gruppe. Das börsennotierte Unternehmen ist seit den 1960er Jahren führend im Bereich Außenwerbung, welche mit der guten alten Litfaßsäule begann. Die gegenwärtige optische Vermüllung des öffentlichen Raums durch großflächige Plakate und Billboards verdankt sich wesentlich den Anstrengungen der Firma Ströer.

Ströers Schachzug mit t-online.de war pfiffig. Anstatt den traditionellen Weg privater Anbieter zur Anzeigenknete zu gehen (man gründet zunächst ein Medium, schafft ein möglichst zielgruppengenaues redaktionelles Umfeld für Anzeigenkunden und wirbt schließlich – oft mühsam – Annoncen ein), machten es die Werbeprofis umgekehrt. Sie stellten zunächst einen Strauß von Anzeigen zusammen und bauten drum herum einen redaktionellen Rahmen. 

Das Gesamtkunstwerk erreicht nicht nur Millionen E-Mail-Kunden der Telekom. Viele Inhalte von t-online.de flimmern auch über Bildschirme, die Ströer auf Flughäfen, in Bahnhöfen und Einkaufszentren aufgestellt hat. Damit schaffte es t-online.de – außerhalb der Medienbranche kaum bemerkt – zum reichweitenstärksten privaten Nachrichtenverwurster Deutschlands – noch vor den Online-Klickriesen FocusSpiegel und Bild.

Monatlich 47 Millionen Nutzer 

Insgesamt werden laut Eigenangabe monatlich 47 Millionen Nutzer mit Inhalten aus der t-online.de-Redaktion berieselt. Selbst wenn diese Zahl etwas zu hoch läge, so stünde doch fest: Beim Spiel „Wie eine Meinung in einem Kopf entsteht“ (so der Titel eines Buches des 2006 verstorbenen linken Schriftstellers E. A. Rauter) ist Ströer mittlerweile ein Big Player.

Dafür haben die Betreiber tüchtig investiert. Dem Berliner Newsroom der „Ströer News Publishing GmbH“, vor einem Jahr unter Beiwohnung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) eingeweiht, arbeiten mehr als 80 Redakteure und Redakteurinnen zu. Ihr Boss heißt Florian Harms, bestimmt keine wohlfeile Akquisition. Harms war Chefredakteur von „Spiegel online“, bis er sich vor zweieinhalb Jahren mit dem Printmob an Hamburgs Ericusspitze zerstritt.

Jedes neue Medium im Markt ist potenziell ein Gewinn, nicht wahr? Wenn ein starker Bewerber sich anschickt, den langweiligen, politisch erheblich gleichgekämmten deutschen Medienbetrieb aufzumischen, so kann das die Meinungspluralität nur befördern, oder?  

Das könnte glatt glauben, wer die Seite noch nicht besucht hat.

Tut er das, fühlt er sich schnell wieder daheim. Nämlich im vertrauten Mief der üblichen Verdächtigungen, der uralten Sozialmärchen, der ewigen Scheinaufreger. Er liest Klickköder-Storys über „Waxing im Intimbereich“ und das „Seemonster auf Philippinen“. Dazwischen immerfort Werbung und strunzdoofe Symbolfotos. 

Auch das obszöne Nebeneinanderpacken von Meldungen wie „Schummelei mit deutschen Erdbeeren“ mit „Vergewaltigte Sudanesin erhält Todesurteil“ muten bekannt an. Und klar doch, Teufel Trump ist der Feind aller guten Erdbewohner! Die AfD ein Sammelbecken für Kryptofaschos. Klimawandel führt in den Weltuntergang. 

Faktencheck für TV-Räuberpistolen

Aber was war denn da mit dieser Migrantenrandale neulich in Ellwangen? Bitteschön, der Einzelfall wurde von gewissen Politikern doch sehr übertrieben dargestellt!  Unterschätzt wurde dagegen bislang die Berliner Geschäftsfrau Manal El Daoud. Sie hat einen Ramadankalender aufgelegt, der auch „den Kindern Freude bereiten“ soll. Weshalb ein freundlicher Artikel über Frau D. mit der Zeile überschrieben ist „Der Ramandankalender gehört zu Deutschland“. Was gewiss auch Lamya Kaddor bestätigen würde, die als feste Kolumnistin für t-online.de wirkt. Richtig gelesen: Es handelt sich um eben diese öfters durch erstaunliche Aktivitäten bekannt gewordene Dame.

FDP-Lindner hat irgendwas von einer Schlange beim Bäcker gefaselt, was Zeitungskommentatoren reihenweise der Ohnmacht nahe brachte? T-online.de räumt prompt einem einfachen FDP-Mitglied, welches irgendwie das Gefühl hatte, „dass die FDP nach rechts rückt“, jede Menge Platz ein, auf dem es seinen Parteiaustritt länglich begründen darf.

Eine „Tatort“-Folge handelt von Öko-Nazis, die auf dem Land ihr Unwesen treiben? Für t-online.de Anlass, die TV-Räuberpistole sogleich von einer „Expertin“ faktenchecken zu lassen. Zufällig handelt es sich um eine Aktivistin, die es zu ihrer Berufung gemacht hat, allerorten „völkische Strategien“ zu wittern

Seltsam: Dieses mit enormem Aufwand gepäppelte, inzwischen höchst erfolgreiche Portal wirkt gar nicht wie ein Eigengewächs. Eher wie ein Amalgam aus den Online-Auftritten von Spiegel, Stern, Focus, SZ und Tagesspiegel. Fällt jedoch zumindest bei der Online-Zeit auch mal ein Stückchen ab, das sich hübsch liest oder eine originelle Position ausbreitet, trötet t-online.de einfach nur so mit im Chor der Hauptstadtblasenjournos. Kein Tönchen Neues ist da zu vernehmen. Nichts, was nicht sämtliche Meinungsautomaten der Republik sowieso Tag um Tag auswerfen.

Gesegnet mit allen Denkschablonen eines Linkspopulisten

Was aber hätte man von einem solchen Portal auch anderes erwarten können? Harms, sein Obermacker, ist letztlich der Typ von Spiegel online geblieben, gesegnet mit allen Denkschablonen, politischen Reflexen und Obsessionen eines arrivierten Linkspopulisten. Verzankt hatte er sich mit den Leuten vom gedruckten Spiegel ja nicht etwa wegen ideologischer Differenzen. Sondern wegen unterschiedlicher Auffassungen über Gehälter, Reichweiten und Bezahlschranken. 

Dass er es seinem ehemaligen Arbeitgeber nun ordentlich eintränken möchte, steht in der Branche außer Frage. In der Tat: T-online.de könnte der Reichweite des Online-Spiegel noch Schaden zufügen. Denn das Ströer-Angebot ist komplett kostenlos, während Spiegel online-Artikel immer öfter hinter die Bezahlschranke rücken. Was aber der stinknormale deutsche Klicker überhaupt nicht goutiert, ist Kohle abzudrücken für elend marktgängige Meinungen und Inhalte. Die liefert ihm auch das Zwangsgebührenfernsehen reichlich frei Haus.

Ebenfalls auf die Konkurrenz, nämlich auf die gut eingeführten Jugendindoktrinierungsportale „Bento“ (Spiegel), „Ze:tt“ (Zeit) und „Jetzt“ (SZ), zielt der neueste journalistische Coup der ehemaligen Litfaßsäulen-Bekleber des Hauses Ströer. „Watson“ bereitet junge Leser schon mal auf den späteren Konsum von t-online.de vor. Mit der Erziehung zum Mainstreammedienjunkie kann man nicht früh genug anfangen.

Was konkret bedeutet: schon den Jüngeren wird durch die Lektüre von Watson kindgerecht beigepult, dass Abweichungen vom verordneten Kurs der Debatten und Kampagnen – etwa bei der spannenden #metoo-Hexerjagd – unverzüglich sanktioniert werden

Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will, lautet ein Kalenderspruch von dunnemals. Wenigstens diese Botschaft bleibt immerfrisch.

Foto: Tim Maxeiner

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Frank Stricker / 21.05.2018

Wer T-online.de gut findet , der schlägt auch die Huffington-Post für den Pulitzer Preis vor. Kurzum , mehr realitätsferne geht jetzt echt nicht !

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