Ich hatte 4 Journalisten angeschriebenen, um zu erfahren, wie es möglich ist, dass sie fast zeitgleich intensiv hasserfüllte, vernichtende Kritiken über den lettischen Regisseur Alvis Hermanis veröffentlicht haben. Besonders unangenehm war, dass sie sich in der Hetze zu überbieten versuchten und sich in Verhöhnung seines künstlerischen Gesamtschaffens ergingen, wobei sie auch psychiatrische Begriffe - gebrauchten. Ein ganz besonders aufgeregter Theaterkritiker forderte gar die Absetzung einer anderen Arbeit von Hermanis am Thalia-Theater Hamburg. Der einzige Kollege, der mir antwortete, war ein “freier”, der die Meinung vertrat, dass das Medium immer wieder auf ihn zurückkomme, weil er sich offenkundig durch Qualität einen Namen gemacht habe. Ich habe ihm verdeutlicht, dass ich mir unter Qualität des Feuilletons etwas anderes vorstelle als wohlfeile politisch korrekte Scharfrichterei. Ich gab ihm zu bedenken, dass es vielmehr das Erwartbare sei, das er zuverlässig auf Zuruf abliefere und mit “Qualität” verwechselt habe. Die Schere im Kopf sei auch dann der Tod des Journalismus, wenn man sie neuerdings (linke!) “political correctness” nennt. Der Kollege vom Feuilleton hat leider nichts mehr erwidert. Ihm wie seinen Kollegen wird das Eingeständnis schwerfallen, dass es für den karrierebewussten Journalisten inzwischen wichtiger geworden ist, zu mainstreamen, linke Empörungsreflexe zu trainieren und ungeschriebene Sprachregelungen brav zu befolgen, wenn er ansonsten nichts zu sagen hat.
Sehr geehrter Herr Wendt, dem ist nur noch hinzuzufügen, daß meinem Sprachverständnis entsprechend, eine “Schiesserei” ein Feuergefecht zwischen mindestens zwei Parteien beschreiben soll. Die übliche Berichterstattung ist in weiten Teilen von erschreckender Unkenntnis geprägt. Gruß Peter Lütgendorf
Wenn ich es richtig verstanden habe, wendet sich hier der Autor gegen den Versuch einer allgemein üblichen, tagtäglichen sprachlichen Versachlichung. Zugegeben, die Formulierungen des medialen Alltags wirken deshalb schon häufig stereotyp und uniform. Ein Bericht muss sich aber um eine sachlich neutrale Sprachform bemühen, sonst wäre es ein Kommentar oder Ähnliches. Das Wort “Schlächterei” mag zwar die persönliche emotionale Befindlichkeit einem Thema gegenüber sprachlich besser darstellen, hat aber in einem Bericht nichts verloren, da es eine Gefühlslage widerspiegelt. Also bitte, Äpfel und Birnen sind zwar beides Obstsorten, aber deshalb noch nicht das Gleiche ...!
Solche Verdrehungen zeigen, daß sich PC auch nicht scheut, der Logik und Semantik der deutschen Sprache Gewalt anzutun. Laut Wahrig, Deutsches Wörterbuch, ist eine Schießerei “ein kleines Feuergefecht”. D.h., dabei schießen mindestens zwei Beteiligte aufeinander. Das Schießen auf unbewaffnete Menschen kann also niemals eine “Schießerei” genannt werden.
Das geht seit Jahren so, inzwischen auch in sogenannten Qualitätszeitungen. Schießerei statt Schußattacke, Messerstecherei statt Messerangriff. Sex-Täter, statt Sexualstraftäter. Es ist tatsächlich oft Schluderigkeit, teils auch der vom Layout ausgehende Kürzungszwang. Nicht immer müssen Manipulation und Verdunklungsstrategien dahinterstehen.
Ein Schusswechsel zwischen Terroristen und der Polizei ist eine Schießerei. Ein Attentat, bei dem nur eine Person schießt, ist keine Schießerei.
Was uns gerade wieder zum Verhängnis wird, ist die streng hierarchische Organisation des Deutschen Volkes und damit die zentrale Steuerungsmöglichkeit durch erzwungenes Mitläufertum, Man muss an der Spitze nur die entsprechenden Befehle eingeben und jeder Einzelne läuft entweder mit oder verliert die Existenz. Es gibt zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen: 1. Die hierarchische Ordnung aufbrechen oder 2. Die Führung austauschen Zielführend wäre es, Punkt 1 langfristig in Angriff zu nehmen und Punkt 2 sofort.
Ähnliche sprachliche Unschärfen registriert der aufmerksame Leser fast täglich. So ist in Zeitungsartikeln regelmäßig die Rede davon, es habe eine »Schlägerei« oder, noch ausgeprägter, eine »Auseinandersetzung unter Jugendlichen« gegeben. Wenn man dann ein wenig nachforscht, etwa, indem man den betreffenden Polizeibericht zu Rate zieht (falls verfügbar), so stellt sich heraus, dass eine einzelne Person von einer größeren Gruppe Angreifern attackiert und durch Faustschläge und Fußtritte erheblich verletzt wurde. Man muss weder spitzfindig, noch Inhaber eines Lehrstuhls für Semantik sein, um zu der Bewertung zu gelangen, dass das keine »Schlägerei« ist.
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