Alan Posener (Gastautor) / 26.12.2008 / 16:09 / 0 / Seite ausdrucken

Stotternde Stalinisten

Cohn bewirbt sich als Rundfunksprecher. Nach dem Job-Interview fragt ihn sein Freund, wie es war. Verbittert winkt Cohn ab: „A-a-a-alles A-a-a-antisemiten!“
Warum erinnert mich das Treiben der Antisemitenschnüffler Küntzel, Heni und Weinthal an diesen Witz?
Nehmen wir Benny Weinthals Artikel in der Haaretz heute (26. Dezember). Wieder geht es um die Tagung des Zentrums für Antisemitismusforchung (ZfA) über die Parallelen zwischen Antisemitismus und Islamfeindschaft. Offensichtlich gibt es für die Hüter des richtigen Denkens nichts Wichtigeres. Die Tagung des Weltkirchenrats in Teheran mit Abschluss einer gemeinsamen Erklärung von Mullahs und Pfarrern – nicht der Rede wert, obwohl sich selbst EKD-chef Wolfgang Huber davon distanziert. Die geplante gemeinsame Tagung radikaler Schiiten und braver Katholiken in Regenburg – uninteressant. Die anschließenden Angriffe der katholischen „Tagespost“ auf den Zentralrat der Juden, der angeblich die Regensburger Tagung verhindert habe und damit die Freiheit der Wissenschaft in Deutschland gefährde –  vergiss es. Die Enthüllungen des „Spiegel“ über den Versuch der deutschen Tunnelbaufirma Herrenknecht, eine Exportgenehmigung für Maschinen zu bekommen, mit denen der Iran seine Atomtunnel weiter ausbauen könnte (Nr. 51/2008, Seite 32) – gähn.
Aber einen Artikel in der „Jerusalemer Post“ recyceln, in dem ein Mann angegriffen wird, der mehr für die Aufklärung über den Antisemitismus in Deutschland und Europa – auch und gerade über den Antisemitismus unter Muslimen – getan hat, als Küntzel, Heni, Weinthal und all die „antideutschen“ Hysteriker zusammengenommen – ja bitte!
Dabei weiß Benny, dass die Angriffe auf Benz nicht unwidersprochen geblieben sind. Wäre er ein verantwortlicher Journalist, er hätte auch Verteidiger des Zentrums für Antisemitismusstudien zu Wort kommen lassen. Muss ja nicht Alan Posener sein, wer ist das schon? Bloß jemand, der Benny wiederholt geholfen hat, wenn es darum ging, gegen wirkliche Feinde Israels und der Juden vorzugehen. Aber hier geht es nicht um Journalismus. Hier geht es um eine Kampagne. Hier soll jemand fertig gemacht werden. Hier herrscht ein Vernichtungswille, den man nur als stalinistisch bezeichnen kann. Und ich weiß, wovon ich rede.
Schauen wir uns im einzelnen an, was Benny in „Haaretz“ schreibt:
1. Der Artikel ist getitelt: “Dangerous Equation”. Gefährliche Gleichsetzung. Jedoch haben weder Benz noch das ZfA Antisemitismus mit Islamophobie gleichgesetzt. Vergleich heißt nicht Gleichsetzung. Die Entdeckung von Parallelen heißt nicht Gleichsetzung. Selbst die Behauptung, Islamfeinde und Judenfeinde würden teilweise gleiche Methoden verwenden, heißt nicht Gleichsetzung.
(Wer „gefährliche Gleichsetzung“ – „A-a-a-alles A-a-a-antisemiten!“ – betreibt, werden wir unten noch sehen.)   
2. Da ich in meiner Kritik an Küntzels Angriffen auf das ZfA darauf hingewiesen habe, dass in der Mission Statement des Zentrums der Kampf gegen alle Formen des Rassismus festgehalten ist, muss auch Benny zugeben: „The original mission of the publicly funded center, founded in 1982 by a Jewish survivor of the Nazis, was to study anti-Semitism and the Holocaust, as well as xenophobia and racism in general.“ Eben. Doch dann behauptet er:  “In recent years, however, the center has increasingly focused on discrimination against non-Jewish minorities.” Das ist eine bewusste Irreführung des israelischen Publikums, das es - anders als Benny - nicht besser weiß. Das ZfA hat in einer Aufsehen erregenden Studie für die EU auf das Phänomen des Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen in Europa hingewiesen und hat bereits 2005 eine Konferenz zum eliminatorischen Antisemitismus des Iran durchgeführt.
3. Dann heißt es: “In response, scholars of anti-Semitism, including Daniel J. Goldhagen, Matthias Kuentzel and Yale University’s Clemens Heni (sic), have charged that by juxtaposing anti-Semitism and Islamophobia, the center is trivializing the Shoah, playing down Iran’s genocidal threats toward Israel, and ignoring radical Islam’s murderous loathing of Jews and Israel.” Wieder eine Irreführung:
- Erstens: Goldhagen war nicht auf der Tagung des ZfA und musste sich ganz auf das verlassen, was Benny (der ebenfalls nicht anwesend war) ihm darüber gesagt hat. Seine Stellungnahme, die Benny in der „Jerusalem Post“ wiedergab, zeigt, dass Goldhagen überhaupt nicht wusste, worum es bei der Tagung des ZfA ging:  „Yet the Berlin Center for the Study of Anti-Semitism refuses to support a petition to stop the Iranian bomb, which former Iranian president Rafsanjani has contemplated using, saying it would destroy Israel. Instead the center provides cover for the political Islamists by equating telling the truth about these facts about political Islam with the hallucinatory hatred called anti-Semitism.”
Das ZfA “refuses to support a petition”? Seit wann unterschreiben Universitätsinstitute Petitionen? Seit wann gibt es in freien Gesellschaften einen Zwang, Petitonen zu unterschreiben? Seit wann ist man in irgendeiner Weise verdächtig, bloß weil man eine bestimmte Petition nicht unterschreibt? Hier spielen sich die Initiatoren der Petition (i.e. Küntzel und Co.) und ihr Sprachrohr Benny Weinthal auf wie das ZK der SED: „Was? Er hat die Petiton gegen den Imperialismus nicht unterschrieben? Dann muss er ein Agent des Imperialismus sein.“
Und dann wirft Goldhagen dem ZfA vor, es würde ein „Deckmantel für Islamisten“  sein,  „equating telling the truth about these facts about political Islam with the hallucinatory hatred called anti-Semitism“. Völliger Unsinn.
(Dass Goldhagen womöglich ein anderes Motiv hat, Benz eins auszuwischen, weil Benz Goldhagens Theorie über den in der deutschen Gesellschaft vor 1933 allgegenwärtigen eliminatorischen Antisemitismus nicht geteilt hat, merke ich nur in Parenthese an. Ebenso, dass ich Goldhagen als Forscher respektiere, nicht jedoch Journalisten, die ihm im Grunde genommen eine Falle stellen.)
- Zweitens: Küntzel und Heni sind nicht „scholars“. Die Bezeichnung „Yale University’s Clemens Heni“, die unterstellt, der Mann sei Mitglied der Fakultät jener Universität, ist lächerlich. Heni studiert dort. (Was wohl? Das, was er sein ganzes akademisches Leben lang studiert hat: Antisemitismus. Von Judentum weiß Heni nichts, wie er neulich in der Jerusalem Post unter Beweis stellte, als er behauptete, die jüdische Religion habe immer auch “ein rassisches Element”. Aber Antisemiten riecht er zehn Meilen gegen den Wind. Was der Arier mit dem übergroßen Antisemitenriecher da überkompensiert, will man gar nicht erst wissen.)
Drittens: Die einzigen, die in diesem Zusammenhang die Schoah trivialisieren, sind jene, die sie benutzen, um die eigene Karriere zu fördern oder andere zu destruieren: Heni, Küntzel, Weinthal und Co.
Doch zurück zum Artikel in der Haaretz:
Bennys Angriff auf das ZfA gipfelt in der Behauptung:  “Equating anti-Semitism with Islamophobia not only minimizes such distinctions, it also makes it more difficult to discuss the dangers of radical Islam. That may well have been the intention of the concept in the first place.” Er beginnt also mit einer Lüge – “equating anti-Semitism with Islamophobia”, was das Zentrum nicht getan hat; und endet mit einer zugleich lächerlichen und widerlichen Unterstellung: es sei wohl die Absicht des ZfA gewesen, die Diskussion der Gefahren des radikalen Islam zu erschweren.
Hier haben wir Stalinismus in Reinkultur: die eigene Paranoia wird anderen als Absicht unterstellt.
Übrigens nennt Heni das ZfA ein „Zentrum für homogene Diskussionskultur unter Gleichgesinnten“ – was so ziemlich die geschlossene Blogosphäre beschreibt, in der Heni Weinthal, Weinthal Heni, Küntzel Heni, Heni Küntzel, Weinthal Heni und Küntzel zitieren und das Ganze dann in israelischen oder amerikanischen Blättern als eine „Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit“ ausgeben.

Im Grunde genommen kann man ihren Vorwurf gegen das ZfA in einem Satz zusammenfassen: Das Zentrum für Antisemitismusforschung akzeptiert nicht, dass wir – Heni, Küntzel, Weinthal – seine Agenda bestimmen. Damit fällt es der Verdammung anheim. Wie Heni schreibt: „Die Konferenz des ZfA fand nur 2 Wochen nach dem fürchterlichen Massaker in der indischen Metropole Mumbai (Bombay) statt, als fast 200 Menschen von islamistischen Mördern erschossen, massakriert, gefoltert wurden. Das jüdische Gemeindezentrum der Chabad-Gemeinde wurde gezielt angegriffen und Juden wurden nach Berichten von Ärzten am grausamsten gefoltert und dann getötet. Das Ehepaar Rabbi Gavriel und Rivka Holzberg ist unter den Ermordeten. Auch diesem antisemitisch und anti-westlich (Mumbai ist eine multikulturelle, vielfältige, kapitalistisch-westliche Stadt) motivierten Massenmord der Jihadisten hätte das ZfA spontan seine Tagung widmen können.“ Weil aber das ZfA die seit monaten vorbereitete Tagung nicht spontan den Ereignissen in Mumbai widmete, ist “Yale’s Heni” verschnupft. Weil das ZfA die von Küntzel mit initiierte „Petition“ gegen Irans Bombe nicht unterschreibt („sich weigert, sie zu unterschreiben“), ist Küntzel verschnupft. Und weil Wolfgang Benz Benny Weinthal nicht als seriösen Journalisten betrachtet (weil er „sich weigert, mit der ‚Jerusalem Post’ zu reden“), ist Weinthal verschnupft.
Tough titty, guys.

Was übrigens „dangerous equations“ angeht: während dem ZfA übel genommen wird, dass es überhaupt die Parallelen zwischen Islamfeindschaft und Judenfeindschaft untersucht, dürfen andere ungeniert das Antisemitismusquarkkeulchen schwingen, ohne von den stets wachsamen Gesinnungsschnüfflern kritisiert zu werden:

- So hat EKD-Chef Wolfgang Huber dem Wissenschaftler und Religionskritiker Richard Dawkins bei „Kerner“ vorgeworfen, seine Feststellung, der Gott des Alten Testaments sei „eine der unangenehmsten Gestalten der Weltliteratur“, beördere den Antisemitismus.
- So unterstellt Gerhard Amendt in der neuesten Ausgabe des „Jüdischen Echo“, der Post-68er Feminismus sei „antisemitisch“, weil er die Rolle von Frauen als Täterinnen im Nationalsozialismus heruntergespielt habe.
- Und so behauptete Clemens „Wer Antisemit ist, bestimme ich“ Heni kürzlich, Götz Aly sei wegen seiner Untersuchung der Parallelen (!) im Denken und Handeln der 68er mit der Väter- und Tätergeneration ein Antisemit und überdies „exemplarisch für eine große Tendenz“ in Deutschland, Land der Antisemiten, nämlich “Vertreter eines Soft-Core-Denial des Holocaust“.
(Dass Heni im selben Aufsatz die „rhetorische Hatz auf muslimische Jugendliche“ beklagt und in den Zusammenhang der Holocaustleugnung und anderer gefährlicher Entwicklungen in Deutschland stellt, während er dem ZfA untersagen will, solche „Hatz“ und deren Zusammenhang zu leugnen, zeigt nur, wie verwirrt der Ex-Juso ist.)

Man darf also einem Religionskritiker, dem deutschen Feminismus und Götz Aly Antisemitismus vorwerfen, ohne den Antisemitismus zu trivialisieren. Wenn man aber die „rhetorische Hatz auf muslimische Jugendliche“, die Schändung muslimischer Friedhöfe, das Abfackeln von Moscheen wie in Lyon, den Protest gegen den Bau von Moscheen wie in Köln, die tägliche Gewalt von Neonazis gegen Muslime, die Ausfälle von „P.I.“ und dem „Islamexperten“ Raddatz untersucht und – was unvermeidlich ist – Parallelen zu den Anfängen des modernen Antisemitismus in Europa feststellt, dann ist man ein trojanisches Pferd der Iraner, hegt die Absicht, die Diskussion über die Verbrechen des radikalen Islam zu erschweren - kurz: ist man, wenn nicht Antisemit, so doch Agent des Antisemitismus.

Mit solchen Freunden brauchen diejenigen, die in Deutschland gegen den real existierenden Antisemitismus und Rassismus kämpfen, keine Feinde. Warum sie auf „AchGut“ eine Plattform bekommen, ist mir ein Rätsel. Genausogut könnte man einen Stotterer zum Rundfunksprecher machen.

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