Rainer Bonhorst / 20.02.2010 / 18:52 / 0 / Seite ausdrucken

Stellen wir uns mal vor…

... wir Deutsche wären Jahrhunderte lang in alle Welt verstreut gewesen, sozusagen auf ewiger Völkerwanderung. Wir haben es, als wir noch Germanen hießen, ja eine Zeit lang so gehalten. Und stellen wir uns vor, wir wären überall eine mehr oder weniger geduldete, mal mehr, mal etwas weniger verfolgte Minderheit gewesen.

Wir hätten keinen eigenen Staat gehabt, aber vielleicht eine wachsende Sehnsucht danach. Und eines Tages hätte irgendwo ein wahnsinniger Diktator einen großen Teil seines Volkes davon überzeugt, dass man uns Deutsche ausrotten müsse. Und das Unglaubliche wäre gewesen: Er und seine willigen Helfer hätten es beinahe geschafft. Viele Millionen Deutsche wären systematisch umgebracht worden.

Und nach dieser bis ins Mark erschütternden Erfahrung hätte sich uns plötzlich die Chance auf einen eigenen Staat aufgetan, und zwar dort, wo unsere tiefsten Wurzeln wären. Es wäre nur die Chance auf einen sehr kleinen Staat, und er wäre leider umgeben von Leuten, die diesen Staat und uns Deutsche wieder vom dortigen Erdboden verschwinden sehen wollten. Einige von ihnen wären durchaus verständlicherweise über unsere Ankunft unglücklich gewesen, weil sie vorher dort gewohnt hätten, wo wir jetzt wären.  Andere hätten uns einfach als Deutsche nicht gemocht, ja sogar gehasst.

Hätten wir zugegriffen und uns unseren Staat genommen? Und ob. Und nun stellen wir uns vor, nach über einem halben Jahrhundert wollten einige Nachbarn uns immer noch von unserem kleinen Staat vertreiben, in dem wir uns endlich eingerichtet haben. Was würden wir tun?

Zweierlei. Wir hätten uns schon lange geschworen und täten es immer wieder, dass das, was unseren ermordeten Vorfahren passiert ist, uns auf keinen Fall passiert. Nie wieder Vernichtung. Und wir würden uns gegen die wütenden Nachbarn, die uns ins Meer treiben wollen, energisch, im Zweifel auch aggressiv verteidigen.

Würden wir dabei Fehler machen? Ganz sicher. Würden sich auch bei uns unangenehme Gruppen von Fundamentalisten bilden? Vermutlich. Würden wir in unserer Notwehr gelegentlich übers Ziel hinausschießen? Das ist anzunehmen.

Aber was könnte man erwarten - bei dieser Vorgeschichte und in einer Lage, in der wir auf engstem Raum zusammenlebten und von friedlosen Nachbarn permanent bedroht würden. Und zwar auf eine Weise bedroht, die man heute so scheinsachlich asymetrisch nennt. Das heißt: Bedroht von Terrorismus, von Raketen, die nicht von Soldaten abgefeuert werden sondern von “Zivilisten” und bedroht von Bombenattentaten.

Wie würden wir als so umstellte Deutsche reagieren? Wir würden es natürlich politisch versuchen, wahrscheinlich mit begrenztem Erfolg. An den Misserfolgen wären oft die unversöhnlichen Nachbarn schuld, aber wir selber durch eigene Fehler auch. Wir würden uns konventionell kriegerisch wehren, mit unseren Panzern und unseren Raketen. Wir würden versuchen, die Lage um uns herum strikt zu kontrollieren, um sicher zu gehen, dass unsere halb erwachsenen Kinder beim Disco-Besuch nicht in die Luft gejagt werden. Und wir würden uns “asymetrisch” wehren, also kriegerisch, aber nicht unbedingt in klassischer Kriegsformation.

Würden wir auch versuchen, gegnerische Führungsleute, die eine Bedrohung für uns wären, gezielt zu töten? Ich möchte wetten, dass wir es tun würden.

Wäre das moralisch in Ordnung? Darüber würden wir diskutieren müssen. Dabei würden wir feststellen, dass jeder Fall ein bisschen anders ist, und dass jeder einzeln betrachtet werden muss. Ein lupenreines Gewissen wäre selten das Ergebnis einer solchen Betrachtung, ein wirklich schlechtes aber auch nicht. Und wir würden uns - während wir debattieren - weiter auch auf diese Weise unserer Haut wehren. Und wenn wir das Glück oder die Tüchtigkeit hätten, einen Burschen wie Osama bin Laden oder ein anderes Großkaliber des Terrorismus zu erwischen, würde jede Diskussion verstummen.

Wären wir stolz, wenn wir einen international bewunderten, professionellen Geheimdienst - nennen wir ihn Mossad - geschaffen hätten? Wir wären stolz wie Oskar.

Aber würden wir uns bei solchen Einsätzen der Pässe befreundeter Nationen bedienen? Gefälschter Pässe? Das würden wir als Deutsche wahrscheinlich nicht tun. Wir würden, wie jedermann weiß, vor Antritt unserer Reise zum geheimen Einsatzort die notwendige Anzahl an Bahnsteigkarten lösen, wenn es die noch gäbe. Und dabei würden wir dann wohl dummerweise auffliegen.

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