Frank-Walter Steinmeier gibt uns wieder einmal Rätsel auf. Mehr noch als andere scheint er sich wegen Pegida Sorgen zu machen. „Ich werde“, ließ er Bild am Sonntag wissen, „ständig darauf angesprochen.“ Das Thema versetze die Welt in helle Aufregung, während hierzulande „unterschätzt“ werde, „welchen Schaden die fremdenfeindlichen und rassistischen Sprüche und Plakate der Pegida schon jetzt angerichtet haben“.
Nun ist der Außenminister, was das Ausland anlangt, zweifelsohne besser informiert, als es unsereiner sein kann. Überblicken wir doch allenfalls die öffentliche Meinung anderer Länder, soweit sie sich in der Weltpresse spiegelt. Dass uns das Thema da noch nicht weiter ins Auge gefallen ist, mag von Fall zu Fall, bei Spanien, Italien, Griechenland oder China, an mangelnder Sprachkenntnis liegen. Der deutsche Chefdiplomat wird da ganz eigene Quellen haben, aus denen er sein Wissen um die Meinung der anderen Völker zu den Demonstrationen in Dresden schöpft.
Wie aber kommt er zu der Annahme, dass bei uns nicht genug getan würde, um sich abzugrenzen, dass man endlich „klar und deutlich“ sagen müsse: „Pegida spricht nicht für Deutschland.“ Haben die Politiker, seine Genossen und Kollegen, nicht von Anfang an mit dem Finger auf die „Rassisten in Nadelstreifen“ gezeigt, gar von einer „Schande für Deutschland“ gesprochen? Gibt es nicht Tag für Tag Meldungen, aus denen wir entnehmen können, dass bereits Zehntausende gegen Pegida auf die Straße gehen, in München, in Leipzig, in Frankfurt, überall, wo die Antifaschisten auf der Wacht sind? Könnte es sein, dass unserer oberster Reisekader, mit dem Umpacken seiner Koffer so beschäftigt ist, dass er gar keine Zeit mehr findet, die politische Wirklichkeit daheim wahrzunehmen?
Welche Form von Gegenwehr erwartet Frank-Walter Steinmeier? Wie soll der Staat deutlich machen, dass er mit denen nichts zu schaffen haben will, die auf die Straße gehen, weil sie Anspruch auf eine eigene Meinung erheben? Soll es am Ende zugehen wie im Februar 2014? Damals verhandelte unser Außenminister in einem Kiewer Hotel in Schussweite zum Majdan. Am Tisch saßen die Emissäre des bedrohten Präsidenten Janukowitsch, während die Demonstranten draußen auf dem Platz wie die Hasen abgeknallt wurden - unter anderem vom Dach des Hotels aus, in dem Frank-Walter Steinmeier mit den Befehlshabern der Scharfschützern einen Vertrag abfasste, für den er sich nachher im Westen als Friedensstifter feiern ließ, ohne dass das Papier je an die Öffentlichkeit gelangt wäre.
Was dabei herauskam, wissen wir: ein Bürgerkrieg, dessen Fortdauer sich nicht zuletzt der diplomatischen Wichtigtuerei verdankt, dem ahnungslosen Lavieren zwischen den Fronten.
Natürlich droht uns derartiges nicht in Deutschland. Damit aber, dass er der innenpolitischen Auseinandersetzung um Pegida eine außenpolitische Dimension zu geben versucht, gießt Frank-Walter Steinmeier Öl ins Feuer.
Warum sieht der deutsch Möchtegern-Kissinger nicht endlich ein, dass er nicht überall seinen Senf dazu geben muss. Für Deutschland und die Welt wäre schon viel gewonnen, wenn er sich wenigstens aus der Innenpolitik heraushalten würde und dem Zwang vieler Politiker widerstehen könnte, zu allem irgendetwas zu sagen, und sei es noch so dummes Zeug.
Dass der Diplomat den Pegida-Demonstranten via BILD empfiehlt, sich weniger um die Einwanderungspolitik als vielmehr um die Probleme der „alternden Gesellschaft“ zu kümmern, mag menschlich verständlich sein. Immerhin geht Steinmeier selbst stark auf die Sechzig zu. Politisches Blabla bleibt die Aufforderung gleichwohl.
Wir müssten darüber kein Wort verlieren, stünde dahinter nicht der Mann, der Deutschland in der Welt vertritt. Von ihm dürfen und müssen wir mehr erwarten als rhetorische Eiertänze. Wenn er sich beschwert über die „Attitüde von Pegida, die behauptet, man dürfe in Deutschland nicht alles sagen oder niemand würde einem zuhören“, um im gleichen Atemzug zu erklären, dass er „keine Lust“ habe, mit den Leuten „zu sprechen“, dann fragt man sich schon, ob der Mann ganz ausgeschlafen war, als er sich von der BAMS interviewen ließ.
Durchaus freundschaftlich möchte man ihm raten, sich bisweilen etwas Ruhe zu gönnen, weniger zu schwafeln und im Flieger von Land zu Land öfter auch mal in die heimischen Zeitungen schauen. Er könnte dabei Erstaunliches erfahren über Pegida und Antipegida und über die Bürger, die ihn bezahlen.