Richard Wagner / 17.09.2011 / 14:03 / 0 / Seite ausdrucken

Staatsmann Wowereit

Dass der Sieger der morgigen Landtagswahlen in Berlin bereits feststeht, wird kaum jemand bezweifeln. Es ist Klaus Wowereit, der Udo Waltz unter den SPD Politikern. Dass er weder Machiavelli noch Bebel ist, sollte uns aber nicht zu vorschnellen Schlüssen verleiten, befinden wir uns insgesamt doch auch nicht in der Renaissance, ja nicht einmal im Kaiserreich, sondern im Zeitalter von Bionade und Stefan Raab.

Offen ist nur noch die Prozentzahl, mit der die in Berlin stets stark gewesene SPD - es war einst die Partei von Willi Brandt und Ernst Reuter - gewinnen wird. Den Koalitionspartner kann sie sich ohnehin aussuchen. Alle anderen Parteien sind bündnisbereit. Das ist schon eine ziemlich ungewöhnliche Situation, sie sagt nicht zuletzt auch etwas über den Zustand unserer politischen Klasse aus. Neben seinen Kontrahenten wirkt Wowereit übrigens fast schon wie ein Staatsmann. „Wer Wowereit will, muss SPD wählen“. So lautet ein unmissverständlich zweideutiger Wahlslogan der Partei.

Wenn wir schon dabei sind: Auch in Berlin geht es nicht um Landesthemen, die Öffentlichkeit sucht vielmehr nach Signalen für die Bundespolitik. Das ist auch der einzige Grund für das Interesse am Wahlergebnis der FDP. Im Grunde geht es bei den Landtagswahlen um nichts anderes als um ein Plebiszit in Sachen Bundesregierung.

Dass Landtagswahlen immer wieder mit der Bundespolitik belastet werden, hat mit dem Status der Länder und dem von ihnen gestellten Bundesrat und dessen Rolle als Korrektiv zum Bundestag zu tun. Das lässt sich nicht vermeiden. Dass aber die Landesthemen so kategorisch ignoriert werden, wie in den letzten Jahren, ist tatsächlich neu. Die politische Publizistik bekennt sich offen zum spekulativen Teil des Vorgangs Landtagswahlen.

Dabei gebe es gerade in diesen Zeiten mehr als genug an landestypischer Problematik. Die einschlägigen Themen aber haben allesamt einen Nachteil: Die Probleme sind politisch unlösbar und eignen sich herzlich wenig zur Austragung des großen Machtkampfes, bei dem wir als Bürger mit unserem Wahlverhalten assistieren. Dazu gehören der Schuldenberg, die Verwahrlosung von Stadtteilen, die Anarchie an den Schulen, das nächtliche Abfackeln von parkenden Autos und die schwindende Autorität der Polizei.

Das alles sind Berliner Wahrheiten, sie gehören aber auch zum Image der Stadt, und wer am Image rührt, der stört die Träumenden, zumindest aber das Tagesgeschäft.

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