Moritz Mücke, Gastautor / 15.06.2016 / 18:00 / 1 / Seite ausdrucken

SPIEGEL: Wie Trumpophobie den Blick auf Realitäten versperrt

Von Moritz Mücke

Das Blut der Opfer von Orlando ist noch nicht getrocknet, da hat die deutsche Qualitätspresse schon die wahren Implikationen des Terroranschlags zutage gefördert. In einem SPON-Artikel namens „Trumps Niedertracht“  wirft Autor Roland Nelles dem Republikanischen Präsidentschaftskandidaten vor, den islamistischen Terror zu instrumentalisieren. Trumps gestrige Rede zur amerikanischen Sicherheitslage – deren Lektüre ich unbedingt empfehle – sei ein „Dokument der Niedertracht“ und stehe für „Hass-Politik“. Das Attentat bedauert Nelles nicht nur wegen der vielen Opfer, sondern auch, „weil es Donald Trump helfen könnte, das Weiße Haus zu erobern“.

Alles klar? Für Nelles sind die politischen Positionen Trumps so haarsträubend, dass es der Realität nicht gestattet sein darf, sie zu bestätigen. Nicht der Terror ist das Problem, sondern Trumps antiterroristischen Vorurteile. Anschläge, die von den richtigen Leuten verübt werden, haben immerhin den Vorteil, Trump nicht in die Hände zu spielen – der Attentäter von Orlando jedoch besaß die Dreistigkeit einen islamischen Migrationshintergrund zu haben und dadurch unerlaubterweise eine demographische Gruppe als gefährlich zu markieren, die ausgerechnet Trump für gefährlich hält. Man könnte auch sagen: Je mehr Zuspruch Trump erhält, desto falscher ist die Welt.

Leidet der Autor unter Trumpophobie?

Es scheint, als litte Nelles unter Trumpophobie. Über die Sicherheitspolitik des Milliardärs schreibt er: „Trump erhebt den Kampf gegen Terror kurzerhand zu einer Frage, von der schon in sehr naher Zukunft das Überleben der USA abhänge. Daraus leitet er das Recht ab, alle Maßnahmen zu ergreifen, die ihm notwendig erscheinen“. Zuerst würde mich interessieren, ob Nelles ernsthaft an einer signifikanten Bedrohung von Amerika und amerikanischen Bürgern durch einen Feind zweifelt, der, hätte er die entsprechende Bewaffnung, sofort die gesamte westliche Zivilisation unterjochen würde. Am elften September 2001 töteten die Jihadisten etwa 3.000 Menschen. Hätten die Terroristen nur die Mittel gehabt – wären dann nicht 30.000 ermordet worden? Wie wäre es mit 30 Millionen?

Und wie ist das mit dem sich von Trump angeblich herausgenommenen Recht, „alle Maßnahmen zu ergreifen, die ihm notwendig erscheinen“? Würde eine Präsidentin Hillary Clinton denn in Fragen der Terrorbekämpfung nicht alle Maßnahmen ergreifen, die ihr „notwendig erscheinen“? Fürchtet sich Nelles nicht viel eher vor einem Präsidenten Trump, der weit über das hinausgeht, was ihm notwendig erscheint? Und wieso schreibt er das dann nicht? Hat Nelles so wenig Vertrauen in die Menschlichkeit des Donald Trump, dass er Sorge haben muss, Trump erscheine alles, was möglich ist, im Lichte der Notwendigkeit?

Etwas verwirrt wirkt Nelles auch in seiner Kritik an Trumps Haltung zum zweiten Verfassungszusatz. Der New Yorker wolle einerseits eine stärkere Verbreitung von Schusswaffen, folge aber andererseits „dem politischen Lehrbuch des modernen Autokraten“. Wenn es aber eine Anweisung gibt, die in diesem Lehrbuch steht, dann ist es die Entwaffnung und somit Entmächtigung des Volkes durch eine stets bestens bewaffnete revolutionäre Kaste. Was die angebliche zusätzliche Bedrohung durch Schusswaffen angeht, lässt sich freilich nur auf Brüssel und Paris verweisen, wo die Täter sich – wer hätte es geahnt? – nicht an gesetzliche Vorgaben das Waffenrecht betreffend hielten. Trump schließlich mit Erdogan und Putin zu vergleichen ist schlicht hysterisch. Als Journalist hätte Nelles die beiden letztgenannten durchaus zu fürchten, doch was Trump betrifft kennen wir seine Haltung schon recht lange: Wenn die Journaille über ihn lügt, verklagt er sie. Dabei dürfte es auch in Zukunft bleiben.

Regeln ja, aber nicht für alle

Was der SPON-Autor als nächstes auftischt, hat es in sich. Trump verhöhne „praktisch alle Werte, für die Amerika seit jeher einsteht: die Gleichheit vor dem Gesetz, die Weltoffenheit, die Freiheit, einschließlich der Freiheit, den eigenen Glauben leben zu dürfen. Für Trump scheint nur ein Motto zu gelten: Wenn du das Spiel beherrschen willst, ändere die Regeln.“ Was den Umgang mit Regeln betrifft, wäre Nelles freilich besser beraten, sich zunächst Trumps Kontrahentin vorzuknöpfen, die bekannterweise gemeinsam mit ihrem Ehemann der Meinung ist, dass Regeln nur für andere gelten.

Trump selbst will die Regeln auch nur dahingehend ändern, dass eine alte Regel wiederhergestellt werden soll, nämlich die sorgfältige Auswahl von geographischen Regionen, aus denen Amerika seine Einwanderer rekrutiert – letztere sollten nämlich idealerweise schon vor der Einreise gewisse zivilisatorische Grundprinzipien mit ihrem zukünftigen Gastland teilen. Wer etwa die Shariah bevorzugt – und Trump erwähnt in seiner Rede, dass es etwa in Afghanistan laut Pew Research stolze 99 Prozent sind – sollte die Vereinigten Staaten gar nicht erst ansteuern. „Weltoffen“, in dem Sinne mit dem Nelles das Wort benutzt, ist Amerika ohnehin erst seit der Immigrationsreform von 1965, die die wesentlich restriktivere Variante von 1921 ablöste.

Dass darüber hinaus eine Beschränkung der Einwanderung gegen irgendwelche amerikanischen Prinzipien von Gerechtigkeit verstoßen würde, ist freilich Mumpitz. Es gibt kein globales Menschenrecht auf Amerikaaufenthalt. Das State Department gewährt Ausländern Zutritt im Einklang mit Gesetzen, die der Kongress beschließt. Gegründet wurden die Vereinigten Staaten auf der Basis von Naturrechtsphilosophie (ein Konzept mit dem der Islam sich bekanntlich schwertut) und der Theorie des Gesellschaftsvertrags, der unter anderem vorsieht, dass der Staat keine über die vertraglichen Parteien hinausgehende Verpflichtungen hat. Die ersten kriegerischen Auseinandersetzungen des jungen Landes wurden von den islamischen Berberstaaten provoziert, die amerikanische Segler versklavten. Wenn Thomas Jefferson noch unter uns weilte, wäre er vielleicht kein Trump-Fan, mit Sicherheit aber Islamkritiker. 

Auf Terrorismus zu reagieren bedeutet – ihn zu verursachen!  

Schließlich bietet Nelles folgende, bahnbrechende Einsicht: „Trumps Hass-Politik wäre ein Garant dafür, dass der irrsinnige Kreislauf aus Gewalt und Gegengewalt im Nahen Osten und darüber hinaus neuen Schwung erhielte. Im IS-Hauptquartier in Syrien sehen sie einer möglichen Wahl Trumps sicherlich schon voller Vorfreude entgegen. Ein besseres Rekrutierungsprogramm könnte sich selbst der finsterste Dschihadist nicht ausdenken.“ Verstanden? Sich vor dem IS zu schützen ist genau was der IS will! Ihm den Eintritt nach Amerika zu verweigern bedeutet, ihm zum Sieg über Amerika zu verhelfen! Auf Terrorismus zu reagieren bedeutet – ihn zu verursachen!

Ich bin froh, dass die amerikanische Präsidentschaftswahl nicht von SPON-Journalisten entschieden wird. Roland Nelles indes sollte sich hüten, seinen amerikanischen Kollegen hat das Trump-Bashing bisher nämlich nicht so gut getan.

Moritz Mücke studiert Politik an der Graduiertenschule des Hillsdale College in Michigan.  Er ist Publius Fellow am Claremont Institute.

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Thomas Schenk / 15.06.2016

Ich frage mich, warum es der “Hochleistungspresse” hierzulande so dermaßen wichtig ist Wahlwerbung für Clinton zu machen, obwohl sie hier gar nicht zur Wahl steht? Man könnte fast glauben, Clinton träte gegen Trump als Kanzlerkandidatin an. Ist es das virusartig verbreitete Gutmenschentum, oder steckt noch etwas anderes dahinter? So oder So, Trump kann für sich verbuchen, dass er nicht Bestandteil des Establishments ist, und daher nicht so tief im Sumpf steckt wie Clinton. Möglicherweise hat das Trump-Bashing tatsächlich etwas mit den Wahlen in Deutschland zu tun: Auch hierzulande verteidigt sich das verschlissene Establishment mit Zähnen und Klauen gegen „Frische Kräfte“ der neu entstehenden Opposition. Möglicherweise befürchtet man eine Wechselwirkung bei dem Erstarken der Oppositionsbewegungen beidseitig des Ozeans.

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